Winston Brothers: Whenever you fall

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eBook1. Auflage (1. Auflage)

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Overview

Billy, Jethro, Cletus, Beau, Duane, Roscoe
Zehn Jahre nachdem Simone Payton ihm das Herz gebrochen hat, will Roscoe Winston nichts weiter als einen Dougnut. Blöd nur, dass Simone plötzlich hinter der Theke des Ladens ihrer Mutter steht und er sie ganz sicher nicht um einen bitten wird. Roscoe würde auch gerne vergessen, was geschehen ist. Aber Roscoe erinnert sich an alles. Jeden Blick, jedes Wort und jede Sekunde seiner unerwiderten Zuneigung für sie. Und das letzte was er braucht ist noch eine weitere Erinnerung an Simone. Wieso ist sie zurück in Green Valley? Und nach der ersten Begegnung trifft er sie plötzlich (zufällig?) überall…  
Zehn Jahre, nachdem Roscoe Winston aus ihrem Leben verschwunden ist, will Simone Payton ihn im Grunde ausnutzen. Sie hätte auch gerne Antworten auf ihre Fragen, warum ihr damals bester Freund von einem Tag auf den anderen nichts mehr mit ihr zu tun haben wollte. Aber wenn er ihr nichts dazu sagen will, ist das auch okay. Simone hat schon lange mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen. Hat sie wirklich. Total. Sie denkt auch garantiert nicht mehr an Roscoe. Nie. Sie hat kein Problem damit ihn komplett zu vergessen. Nur benötigt sie vorher noch einen kleinen Gefallen…


Product Details

ISBN-13: 9783958184688
Publisher: Forever
Publication date: 09/02/2019
Series: Green Valley , #5
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 500
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

About The Author
Penny Reid ist USA Today Bestseller-Autorin der Winston-Brothers-Serie und der Knitting-in-the-city-Serie. Früher hat sie als Biochemikerin hauptsächlich Anträge für Stipendien geschrieben, heute schreibt sie nur noch Bücher. Sie ist Vollzeitmutter von drei Fasterwachsenen, Ehefrau, Strickfan, Bastelqueen und Wortninja.

Penny Reid ist USA Today Bestseller-Autorin der Winston-Brothers-Serie und der Knitting-in-the-city-Serie. Früher hat sie als Biochemikerin hauptsächlich Anträge für Stipendien geschrieben, heute schreibt sie nur noch Bücher. Sie ist Vollzeitmutter von drei Fasterwachsenen, Ehefrau, Strickfan, Bastelqueen und Wortninja.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Roscoe

Die meisten Menschen haben elf bis zwölf Geschichten zu erzählen, und das ist es dann.

Als ich ein Kind war, dachte ich, dass ältere Leute einfach nur vergesslich wären. Wobei für mich als zehnjährigen Jungen alle über fünfunddreißig "ältere Leute" waren. Aber als ich selber älter wurde, ging mir auf, dass Menschen aller Altersklassen ständig irgendwas vergaßen. Jedenfalls viel mehr als ich.

Genauso wurde mir bewusst, dass niemand es gern hört, dass er sich wiederholt und dieselbe Anekdote oder Story schon zum siebten, achten oder zwölften Mal zum Besten gibt. Die Leute hassen das, vor allem, wenn sie sich an die Einzelheiten der Geschichte nicht so gut erinnern können wie man selbst. Immer, wenn ich jemanden daran erinnerte, dass ich eine Geschichte schon einmal an diesem Tag um jene Zeit erzählt bekommen hatte, oder irgendwelche Einzelheiten der Erzählung korrigierte, reagierte er verärgert und frustriert. Als wäre es nicht seine Schuld, dass er die Dinge durcheinanderbrachte, sondern meine, weil ich nie auch nur die kleinste Kleinigkeit vergaß.

Inzwischen hatte ich gelernt, den Mund zu halten. Ich ließ mir dieselben Storys ein ums andere Mal erzählen und tat immer so, als hätte ich sie nie zuvor gehört. Ich hatte diese Fähigkeit perfektioniert, tat interessiert und überrascht, lachte glaubhaft, wenn was lustig war, und guckte mitfühlend oder besorgt, wenn etwas traurig war.

Ich war ein wirklich guter Schauspieler. Ich hatte das besondere Talent zur Unaufrichtigkeit und redete mir ein, dass meine Reaktionen aus Notwendigkeit und nicht aus böser Absicht selten ehrlich waren. Ich hatte einfach keine Lust, die Leute zu verärgern oder permanent als Besserwisser dazustehen.

Wahrscheinlich war vor allem das der Grund, aus dem mir meine eigene Gesellschaft lieber als die anderer Menschen war. Solange ich allein war, füllte mein Gehirn sich nicht mit zahllosen Erinnerungen an. Und wenn ich das Zusammensein mit anderen nicht vermeiden konnte, zog ich die Gesellschaft Fremder der von Leuten, die ich schon seit Jahren kannte, und die meiner eigenen Familie der aller anderen vor.

Die Geschichten Fremder waren immer neu, was eindeutig ein Vorteil war.

Und die Geschichten der Familie wurden niemals wirklich langweilig für mich. Ich liebte meine zahlreichen Geschwister, und falls ich einmal nicht in der Stimmung war, mir eine der Familiengeschichten anzuhören, nahmen sie mein Gejammer, weil sie sie bereits zum x-ten Mal erzählten, zwar nicht klaglos hin, mussten mich aber trotzdem weiter lieben, weil ich ihr Bruder war.

Erst mit siebzehn ging mir auf, dass es Leuten beim Erzählen von Geschichten weniger um ihre Zuhörer als um sie selber ging. Mit einer Story wie "Als ich mich einmal so betrunken habe, dass ich glatt über den Zaun des Grundstücks dieses oder jenes Stars geklettert bin und dort zum Frühstück eingeladen wurde" oder "Wie ich diese Urlauber vor einer Klapperschlange retten musste", demonstrieren sie, wie ausgefüllt, bedeutsam oder abenteuerlich ihr Leben ist, wie komisch, mutig oder uneitel sie sind, und dass es sich auf alle Fälle lohnt, mit ihnen befreundet oder wenigstens bekannt zu sein.

Es ist, als müssten sich die Menschen ihres eigenen Werts versichern, und das tun sie durch die permanente Wiederholung der stets gleichen elf bis zwölf Geschichten, die sie selbst und das Leben, das sie führten, definierten.

Genau das ist das Problem für jemanden, der nie etwas vergisst. Genau deshalb bin ich so wählerisch, wenn's um das Sammeln von Erinnerungen geht.

Ich kann nicht entscheiden, ob ich mich an irgendwas erinnern möchte oder nicht. Die Geschichten, die sich einen Weg in mein Gedächtnis bahnen, verblassen nie. Sie prägen sich mir ausnahmslos für alle Zeiten ein. In meinem Kopf sind zahllose Geschichten, die ich nie erzählen würde, obwohl sie mich durchaus definieren, und genauso viele, die ich gern vergessen würde.

Was mir allerdings nicht möglich ist.

Aus diesem Grund saß ich in meinem Wagen, starrte durch die Windschutzscheibe und die breite Fensterfront des kleinen Diners und konnte mich nicht entscheiden, reinzugehen. Gleichzeitig stürmten zahlreiche, lebendige Erinnerungen auf mich ein. All meine Erinnerungen waren lebendig, aber diese gerade waren gleichzeitig so schmerzlich, dass ich sie bereits vor einer Ewigkeit hätte vergessen wollen. Aber wie alles andere hatten sich auch diese Bilder mir für alle Zeiten eingeprägt.

Simone Payton sollte nicht in Daisy's Nut House sein.

Es war Donnerstag, der letzte Donnerstag des Monats. Und am Donnerstag, vor allem am letzten Donnerstag des Monats, hatte ich sie hier noch nie gesehen.

Seit fünf Jahren (oder genau gesagt, fünf Jahren, vier Monaten, zwölf Tagen) kam Simone immer am ersten Freitag jeden Monats um 17.16 Uhr am Flughafen von Knoxville an, was hieß, dass ich problemlos noch bis circa 18.00 Uhr etwas im Daisy's essen konnte, ohne sie zu sehen. Und danach hielt ich mich während des ganzen Wochenendes möglichst von dort fern, denn erst am Sonntagabend kehrte sie zurück nach Washington, D.C.

Das erste Wochenende jedes Monats ohne Donuts zu verbringen, war ein geringer Preis dafür, neuen Erinnerungen an Simone Payton aus dem Weg zu gehen.

Aber jetzt war sie plötzlich hier. An einem Donnerstag. Dem letzten Donnerstag des Monats.

Echt frustrierend.

Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und kratzte mich am Hals. Irgendwo in meiner Nähe röhrte ein Motorrad. Das Geräusch kam näher und brach plötzlich ab. Ich selbst hatte den Motor meines Wagens noch nicht ausgeschaltet, weil ich noch nicht wusste, ob ich bleiben würde oder nicht. Die Frage war – wie groß war mein Verlangen nach einem Donut?

Ziemlich groß.

Ich war vier Stunden unterwegs gewesen und während der Fahrt waren mir zahllose Gedanken durch den Kopf gegangen, vor allem an den leckeren Daisy's Nut House-Donut, den ich mir nach meiner Ankunft in Green Valley immer holen ging. Vielleicht würde ich sogar so weit gehen, drei Dutzend für das samstägliche Frühstück mitzunehmen und mit den anderen zu teilen.

Da wären sie sicher überrascht. Erst letzten Monat hatte mein mittlerer Bruder Cletus mir erklärt, ich sähe nie "über die eigene Nasenspitze raus". Nur, weil ich seine frisch gewaschene Wäsche, statt sie in den Trockner umzuladen, in den Wäschekorb geworfen hatte, als ich selber hatte waschen wollen.

Aber erstens waren die Handtücher im Trockner noch ein bisschen feucht gewesen, und statt einfach seine nassen Kleider noch dazu zu packen, hatte ich den Trockner mit den feuchten Frotteetüchern noch mal angestellt. Zweitens hatte ich im Anschluss erst mal meine eigenen Kleider trocknen müssen, um vor Sonnenaufgang loszukommen. Und drittens hatte ich ihm, ehe ich das Haus verlassen hatte, ausdrücklich gesagt, er müsste seine Sachen in den Trockner tun.

Ich hatte also meine Pflicht getan.

Das aber fand er nicht, und hatte mich deswegen siebzehnmal in Knoxville angerufen, und sich einzeln über jedes Kleidungsstück, das meinetwegen jetzt schlecht roch, beschwert. Ich konnte praktisch hören, wie er daran schnupperte, und sehen, wie er das Gesicht verzog.

Um es kurz zu machen, Cletus hatte, wie es seine Art war, wieder einmal furchtbar überreagiert.

Augenrollend lenkte ich den Blick zurück auf das Lokal und auf die wunderhübsche Frau, die mit einer Kaffeekanne zu den beiden Männern, die am Tresen saßen, trat. Obwohl Garrison Tyler und Jeff Templer auch mir selbst durchaus nicht unsympathisch waren, knirschte ich mit den Zähnen, als ich ihr breites Lächeln sah.

Ich zwang mich, meinen Blick von ihr zu lösen und gestand mir widerstrebend ein, dass sie kein Kind mehr war. Das war sie schon seit einer ganzen Zeit nicht mehr, aber die Jahre, die zwischen jetzt und damals lagen, hatte ich verpasst.

Ich machte so was nicht. Ich suchte niemals ihre Nähe und vor allem saß ich für gewöhnlich nicht nach Sonnenuntergang in meinem dunklen Wagen und beobachtete sie. Ich war kein Stalker. Ganz im Gegenteil ging ich ihr aus dem Weg, so wie mein Bruder Cletus es mit dummen Menschen tat. Ich hatte seit zehn Jahren nichts mehr von ihrem Leben mitbekommen und so sollte es aus meiner Sicht auch weitergehen.

Vielleicht ...

Vielleicht könnte ich ja so tun, als hätte ich es eilig. Vielleicht könnte ich so tun, als führte ich ein sehr wichtiges Telefonat und hätte deshalb keine Zeit für ein richtiges Gespräch oder auch nur eine beiläufige Plauderei. Vielleicht könnte ich etwas bestellen, wieder rausrennen, als müsste ich was nachsehen und zurückkommen, wenn die Donuts fertig wären.

Oder vielleicht sollte ich mich einfach nur zusammenreißen und so tun, als wäre alles ganz normal.

... ach nee.

Ich schaltete den Motor meines Wagens aus und dachte über einen Schlachtplan nach. Ich würde einfach reingehen, so tun, als wäre ich am Telefon, mit möglichst wenig Worten die Bestellung aufgeben, wieder hinausgehen – weil ich schließlich keiner dieser nervtötenden öffentlichen Telefonierer, die andere beim Essen störten, war – und erst zurückkehren, wenn meine Donuts fertig wären. Den Zwanziger, den ich bezahlen müsste, hätte ich schon in der Hand. Ich würde ihn, mein Handy weiterhin am Ohr, mit einem beiläufigen Nicken auf den Tresen legen und dann hätte ich's geschafft.

Perfekt.

Ich öffnete die Tür, stieg aber erst nach kurzem Zögern aus, atmete tief durch und schob die Tür hinter mir zu, während ich gleichzeitig mein Handy aus der Tasche zog.

Ich starrte auf den Bildschirm.

Eigentlich ... genau, am besten riefe ich meine Schwester Ashley an und zwänge sie, am Apparat zu bleiben, bis ich unsere Donuts in den Händen hielt und wieder auf dem Weg nach draußen war. Genau. Sie würde mich verstehen. Sie würde mich nicht aufziehen, wenn ich ihr erklärte, was der Grund für meinen Anruf war. Sie war die beste Schwester, die es gab.

Das war ein guter Plan. Ein wirklich guter Plan.

Ich wischte mit dem Daumen über das Display, klickte die Kontakte an, rief die zuletzt gewählten Nummern auf und wollte gerade auf den Namen meiner Schwester tippen, als ich Schritte näherkommen hörte und jemand über den Parkplatz direkt auf mich zugelaufen kam.

Ich sah auf, zuckte zusammen, ließ die Hand mit meinem Mobiltelefon sinken, machte einen Schritt zurück und riss die Augen auf.

Es war mein Vater.

Oder eher mein Erzeuger.

Der direkt in meine Richtung kam.

Obwohl zwischen den kahlen Eichen, die den Parkplatz säumten, nur ein letzter Rest von kaltem, grauem Winterlicht auf die Gestalt mir gegenüber fiel und ich sie im Grunde gar nicht wirklich kannte, hätte ich sie überall erkannt. Ich konnte sein Gesicht nicht wirklich sehen, aber ich kannte den Gang, die Art, sich zu bewegen, durch die Gegend zu stolzieren wie es auch der älteste meiner Brüder, Jethro, tat.

Im Augenblick erstaunte mich vor allem, dass er seit unserem letzten Treffen kein bisschen gealtert war. In seinem grau melierten Haar waren die dunklen Strähnen noch immer deutlich in der Überzahl, er war groß und schlank und muskulös, und wirkte zwanzig Jahre jünger als er war, denn abgesehen von den tiefen Lachfalten, die sich um seine leuchtend blauen Augen und um seine Mundwinkel gegraben hatten, waren seine Züge völlig glatt.

Allerdings kam es mir seltsam vor, wie ähnlich wir uns sahen. Als schaute mich jemand mit meinem eigenen Lächeln auf den Lippen an. Ich hatte das alles andere als beruhigende Gefühl, mir selbst ins Gesicht zu sehen.

Ich erstarrte, denn erst jetzt wurde mir klar, dass er mich abgefangen hatte, während ich hier neben meinem Wagen stand, und mit mir würde sprechen wollen.

Aber warum zum Teufel sollte er das tun?

Ich hatte ihn zum letzten Mal gesehen, als er nach dem Begräbnis meiner Momma festgenommen worden war. Nachdem er einen Tag nach ihrem Tod im Morgengrauen vor unserer Tür gestanden, Forderungen gestellt und wüste Drohungen ausgestoßen hatte, hatte er versucht, dem Ansinnen, einen Teil des Erbes zu bekommen, durch die Entführung meiner Schwester sowie meines Bruders Billy Nachdruck zu verleihen.

Das letzte Mal davor hatte er mich eines Tages völlig überraschend und zum ersten Mal in meinem Leben von der Schule abgeholt und ich hatte mich unglaublich gefreut. Er hatte mich nach meinen Hobbys, nach der Schule, Mädchen und danach, was meine Momma machte, ausgefragt, und ich hätte geschworen, dass das der schönste Tag in meinem Leben war, bis er mich plötzlich grinsend mitten auf Haw&kgrave;s Field gezwungen hatte auszusteigen und zu sehen, ob ich von dort aus ganz allein zurück nach Hause fand. Er wollte sehen, ob ich ein ganzer Kerl war und verdiente, dass sein Blut durch meine Adern floss.

Ich war zwölf gewesen.

Und jetzt knirschte der Kies unter den Stiefeln dieses Kerls, während er langsam und geschmeidig auf mich zugelaufen kam und mich mit einem Blick bedachte, als ob er mich besser kennen würde als ich selbst.

Warum zum Teufel lächelt er?

Ich war von seinem Auftauchen derart verwirrt, dass ich nur dastehen und darauf warten konnte, was er wollte. Zumindest aber schaffte ich es, meinen Mund zu schließen, während ich die Stimme meines Bruders Cletus hörte, der mich anfuhr: "Mach den Mund zu, niemand will dein Gaumenzäpfchen sehen."

Darrell Winston blieb vielleicht zwei Meter vor mir stehen und seine Augen leuchteten, als er den Blick an mir herunterwandern ließ.

"Junge", grüßte er mich warm mit einer Stimme, die so tief wie die von meinem Bruder Billy, doch vom jahrelangen Rauchen und den Abgasen der Motorräder, die er selbst und seine Kumpel fuhren, deutlich rauer war. "Was für ein netter Zufall."

"Ach", gab ich zurück und stellte fest, dass ich vor lauter Überraschung ebenfalls ein wenig heiser klang.

Ich hätte nie – tatsächlich nie – damit gerechnet, ihn zu sehen. Weder jetzt noch überhaupt jemals.

"Natürlich ist es schön, dass wir uns sehen." Darrells Grinsen wurde noch ein wenig breiter und ich nahm das amüsierte Blitzen seiner Augen wahr. "Wie geht es dir?", erkundigte er sich in einem derart interessierten Ton, dass mir beinahe die Kinnlade herunterfiel.

Ich richtete mich kerzengerade auf, reckte mein Kinn und kreuzte meine Arme vor der Brust. Es war eine instinktive Abwehrhaltung, die mir aber gegen seine aufgesetzte Ehrlichkeit im Grunde auch nicht weiterhalf.

Denn seine Ehrlichkeit war selbstverständlich nur gespielt. Wie ich schon sagte, kannte ich ihn kaum, aber mir machte niemand etwas vor.

"Was willst du?", fragte ich, als meine Überraschung kaltem Ärger wich, und gab mir keine Mühe, mich so höflich und interessiert zu geben, wie er es mir gegenüber tat.

Noch immer wirkte Darrell amüsiert, als er erneut den Blick an mir herunterwandern ließ. "Gehst du rein?" Er wies in Richtung des Lokals. "Dann komm. Ich lade dich zum Abendessen ein."

Meine Nase rümpfte sich von ganz allein und ich verzog verächtlich das Gesicht. "Nein."

"Nein?" Er lachte leise auf, als wäre ich ein süßes Kleinkind und als wäre er total vernarrt in mich. "Na komm schon, Roscoe. Schließlich haben wir uns ... wie lange? Drei, vier Jahre? ... nicht mehr gesehen."

"Seit sechs Jahren und vier Monaten." Und zweiundzwanzig Tagen, um genau zu sein.

Jetzt grinste er noch breiter, freute sich über die versehentliche Korrektur, und interpretierte ganz eindeutig viel zu viel hinein. Ich wusste immer, wann ich wen zum letzten Mal gesehen hatte. Es war also nichts Besonderes, dass auch unser letztes Treffen mir genauestens in Erinnerung geblieben war.

Lachend meinte er: "Na klar, dein Alter Herr hat dir natürlich keinen Augenblick gefehlt."

Ich knirschte mit den Zähnen und wandte mich entschlossen ab. Ich hatte nicht die Absicht, diesem Kerl noch länger ins Gesicht zu sehen, der, wenn die Geschichten, die ich im Verlauf der Jahre mitbekommen hatte, stimmten, schuld am Elend unserer Familie war.

In dem Moment entdeckte ich Simone.

Sie war nicht mehr im Diner, um dort lächelnd Kaffee auszuschenken, sondern sah mir ins Gesicht, als sie über den Gehweg auf den Parkplatz kam. Ich wurde schreckensstarr und lenkte automatisch meinen Blick zurück auf meinen Vater.

Etwas an meinem Gesichtsausdruck musste ihm aufgefallen sein, denn er sah über seine Schulter, richtete sich auf und sah Simone entgegen, als sie auf uns zugelaufen kam. Dann wandte er sich abermals an mich und stellte feixend fest: "Wen haben wir denn da?", als würden ihr Erscheinen und meine Reaktion darauf ihn amüsieren.

Ich muss sofort hier weg.

Ich konnte nicht hier weg.

Ich würde ganz bestimmt nicht gehen, denn dann wäre sie ganz allein mit diesem Kerl. Okay, nicht ganz allein, denn Garrison und Jeff saßen noch immer im Laden, aber bis sie hier draußen wären, könnte alles Mögliche geschehen.

(Continues…)


Excerpted from "Winston Brothers"
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