Wie ein Tanz auf Morgentau: Roman

Eine berühmte Tänzerin werden und auf den Bühnen des Broadways stehen, das war Alice’ Traum, seit sie klein war. Nach einem schrecklichen Familienstreit zog sie gemeinsam mit ihrer Mutter nach New York. Doch inzwischen hat sie Sehnsucht nach England, der Honeysuckle Farm und ihrem über alles geliebten Großvater. Als sie erfährt, dass er im Krankenhaus liegt, ergreift sie die Chance: Nach dreizehn Jahren kehrt sie das erste Mal zurück. Sie hat sofort das Gefühl, nach Hause zu kommen. Doch das scheinbar längst vergessene Tanzstudio, das Alice in einem versteckten Raum auf der Farm findet, scheint nicht das einzige Geheimnis zu sein, das ihre Familie hütet. Alice beschließt, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen, damit alte Wunden endlich heilen können.

»Voller Wärme und Witz und mit dem richtigen Wohlfühlfaktor« Sunday-Times-Bestsellerautotin Katie Fforde

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Wie ein Tanz auf Morgentau: Roman

Eine berühmte Tänzerin werden und auf den Bühnen des Broadways stehen, das war Alice’ Traum, seit sie klein war. Nach einem schrecklichen Familienstreit zog sie gemeinsam mit ihrer Mutter nach New York. Doch inzwischen hat sie Sehnsucht nach England, der Honeysuckle Farm und ihrem über alles geliebten Großvater. Als sie erfährt, dass er im Krankenhaus liegt, ergreift sie die Chance: Nach dreizehn Jahren kehrt sie das erste Mal zurück. Sie hat sofort das Gefühl, nach Hause zu kommen. Doch das scheinbar längst vergessene Tanzstudio, das Alice in einem versteckten Raum auf der Farm findet, scheint nicht das einzige Geheimnis zu sein, das ihre Familie hütet. Alice beschließt, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen, damit alte Wunden endlich heilen können.

»Voller Wärme und Witz und mit dem richtigen Wohlfühlfaktor« Sunday-Times-Bestsellerautotin Katie Fforde

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Overview

Eine berühmte Tänzerin werden und auf den Bühnen des Broadways stehen, das war Alice’ Traum, seit sie klein war. Nach einem schrecklichen Familienstreit zog sie gemeinsam mit ihrer Mutter nach New York. Doch inzwischen hat sie Sehnsucht nach England, der Honeysuckle Farm und ihrem über alles geliebten Großvater. Als sie erfährt, dass er im Krankenhaus liegt, ergreift sie die Chance: Nach dreizehn Jahren kehrt sie das erste Mal zurück. Sie hat sofort das Gefühl, nach Hause zu kommen. Doch das scheinbar längst vergessene Tanzstudio, das Alice in einem versteckten Raum auf der Farm findet, scheint nicht das einzige Geheimnis zu sein, das ihre Familie hütet. Alice beschließt, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen, damit alte Wunden endlich heilen können.

»Voller Wärme und Witz und mit dem richtigen Wohlfühlfaktor« Sunday-Times-Bestsellerautotin Katie Fforde


Product Details

ISBN-13: 9783745750157
Publisher: MIRA Taschenbuch
Publication date: 06/03/2019
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 384
File size: 2 MB
Language: German

About the Author

Christie Barlow engagiert sich in der Entwicklungshilfe und ist Redakteurin für ein Onlinemagazin, in dem sie ihre Leser mit allen wichtigen Neuigkeiten und Rezensionen aus der Welt der Bücher versorgt. Sie freut sich über Rückmeldung ihrer Leser, also scheut euch nicht und kontaktiert sie über ihre Website www.christiebarlow.com, ihren Twitteraccount @ChristieJBarlow und ihre Facebookseite Christie Barlow author.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

New York City, dreizehn Jahre später ...

Es klopfte an der Tür, und ich wusste sofort: Das war Molly. Man konnte die Uhr nach ihr stellen. Seit drei Jahren war Molly Gray meine beste Freundin. Ein richtiges Stadtmädchen, geboren und aufgewachsen in New York, lebte sie in einem Apartment im zweiten Stock eines Hauses an der Ecke 57th Street und 9th Avenue im Westen der Stadt. Ich hingegen war vor dreizehn Jahren als verängstigtes und verstörtes Kind hierhergekommen, und mir war klar, dass ich es immer noch nicht geschafft hatte, mich anzupassen und einzuleben. Inzwischen wohnte ich in einer schäbigen Wohnung in einer weniger freundlichen Ecke von Manhattan. Hier war alles ungewohnt: die Geräusche, die Gerüche. Alles um mich herum – Menschen wie Dinge – schien ständig in Bewegung zu sein. Millionen von Meilen trennten mich von meiner Kindheit auf dem Dorf. Oft sehnte ich mich danach, das vertraute Krähen eines Hahnes oder das Blöken eines Lammes zu hören. Manchmal träumte ich, ich könnte das ständige hektische Treiben zum Stillstand bringen und schweigend in meinem eigenen Tempo durch die Straßen wandern.

Jeden Sonntagmorgen, egal, welches Wetter gerade vorherrschte, rannte Molly eine gute Stunde lang durch den Central Park, bevor sie auf einen Kaffee und ein Schwätzchen zu mir kam, wenn sie ihr Laufpensum hinter sich hatte.

»Die Tür ist offen«, rief ich. »Ich bin in der Küche.«

Kurz darauf stand sie in der Tür – mit funkelnden Augen und glühenden Wangen.

»Morgen«, keuchte sie und schaltete die neueste technische Errungenschaft ab, mit der sie ihre Leistung und ihren Puls kontrollierte. »Keine schlechte Zeit«, murmelte sie in sich hinein.

Ihr schlanker Körper steckte in extravaganter Laufkleidung, die so eng anlag, wie es nur möglich war. Aus ihrem Pferdeschwanz hatten sich etliche Strähnen rostroter Haare gelöst. Langsam strich sie sich diese aus dem Gesicht.

»Das guckte gerade aus deinem Briefkasten«, verkündete sie und legte das Faltblatt vor mir auf den Tisch, bevor sie sich auf den Stuhl plumpsen ließ. »Das ist genau das Richtige für dich«, fügte sie hinzu, schnappte sich ein Stück mit Butter bestrichenen Toast von meinem Teller und grinste mich an.

Vorspielen für Wicked – Die Hexen von Oz The Majestic Theatre Broadway, New York City

»Was? Willst du mir damit sagen, ich sei eine Hexe?«, fragte ich lächelnd und wärmte meine Finger an dem mittlerweile dritten Becher Kaffee an diesem Morgen.

»Eine gute Hexe«, kicherte sie, »aber heute Morgen siehst du eher aus wie ein englischer Rockstar der Achtzigerjahre. Was ist mit deinem Make-up passiert?« Sie drohte mir spielerisch mit dem Finger, bevor sie aufstand und sich über das abgetragene braune Linoleum zur Kaffeekanne schlich.

»Sagen wir mal so: Ich habe schon wesentlich bessere Nächte gehabt«, erwiderte ich, stellte meinen Kaffeebecher auf dem Tisch ab und blickte zu Molly hoch.

»Ich schenke uns beiden frischen Kaffee ein, und du erzählst mir in allen Einzelheiten, was los ist. So schlimm kann es doch nicht sein.« Anteilnahme schwang in ihrer Stimme mit.

»Tut mir leid, aber es ist kein Kaffee mehr da. Er ist mir ausgegangen ... schon wieder.«

Molly musterte erst die Kaffeekanne, dann mich. Ihr Gesichtsausdruck verriet Überraschung und Mitgefühl, jedoch hatte sie keine Vorstellung davon, wie schwierig meine Lage tatsächlich war. Sofort überfielen mich Schuldgefühle, weil ich mit meinen Sorgen hinterm Berg hielt, aber Mitleid war das Letzte, was ich wollte.

»Du kannst den hier haben«, bot ich an und schob ihr meinen Kaffeebecher hin.

»Ist schon gut. Du siehst so aus, als bräuchtest du ihn dringender als ich. Ich lass mir am Wasserhahn ein Glas Wasser ein.«

»Ich bekomme mein Geld erst morgen«, seufzte ich. »Aber falls du noch etwas Toast möchtest – es sind noch ein paar Scheiben da.«

Molly schaute mich fragend an, bevor sie den Kühlschrank öffnete. Er war leer bis auf ein verschimmeltes Stück Käse, das ich in der hintersten Ecke übersehen hatte.

»Und was willst du heute essen?«

Völlig hilflos zuckte ich mit den Achseln. So weit hatte ich noch gar nicht gedacht. Wollte ich auch gar nicht denken.

»Weiß nicht, vermutlich bleiben mir nur ein paar Twinkies«, erwiderte ich scherzhaft, aber tief in meinem Inneren wusste ich ganz genau, dass das durchaus Realität werden konnte, wenn es so weiterging wie bisher.

»Ist es inzwischen wirklich so schlimm?« Molly klang jetzt ein wenig ernster.

»Ach Molly, ich komme einfach nicht mit meinem Geld über die Runden, sosehr ich mich auch bemühe«, antwortete ich und wich dabei ihrem Blick aus. »Es ist so schwer, Arbeit zu finden – mit einem anständigen Gehalt, zu fairen Bedingungen. Jeder Job, um den ich mich bewerbe, ist entweder schon vergeben, oder die Bezahlung reicht so gerade eben nur für meine Miete, und mir bleibt nichts für alles andere übrig. Ich will nicht ständig nur Jobs annehmen, die mir keine Zukunft bieten; ich will eine Karriere, ich will in dem Bereich arbeiten, für den ich ausgebildet bin, aber ich komme nie übers Vorspielen hinaus. Irgendetwas muss passieren. Ich kann so nicht weitermachen.«

Molly schloss die Kühlschranktür und drückte mir tröstend die Hand. Sie verzichtete jedoch darauf, mir zu sagen, es werde alles wieder gut werden. Das würde nicht geschehen. Tatsächlich ist das nun schon seit einigen Jahre nicht mehr der Fall. In letzter Zeit verlor ich jedoch mehr und mehr die Kontrolle und konnte das nicht länger verbergen. Auf dem Tisch vor mir lag ein Stapel unbezahlter Rechnungen, und als wäre das noch nicht schlimm genug, war ich obendrein mit meiner Miete einen Monat im Rückstand.

»Lass mich dir helfen.«

Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich schon die ganze Zeit versucht hatte, meine Tränen zurückzuhalten, aber jetzt konnte ich mich nicht mehr beherrschen. Ihre freundliche Geste brachte alles zum Laufen.

Ich schüttelte den Kopf. »Danke, das ist ein liebes Angebot, aber nein, danke. Du hast selbst Rechnungen zu bezahlen. Das ist mein Problem, nicht deines.«

»Unsinn, Alice, du bist meine Freundin. Meine beste Freundin. Ich kann so viel erübrigen, dass du Lebensmittel einkaufen kannst, und dir helfen, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Hast du es deiner Mum erzählt?«, hakte sie vorsichtig nach.

»Nein«, gab ich zu. »Das Diner, in dem sie arbeitet, hat gerade zugemacht, und ich weiß, dass sie in einer ähnlichen Situation ist wie ich. Ich wollte nicht, dass sie sich auch noch meinetwegen Sorgen macht.«

Molly musterte mich beunruhigt, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich mir gegenüber an den Tisch.

Ich ließ mir meine letzten drei Jobs durch den Kopf gehen und atmete heftig aus. Auf dem Times Square hatte ich Flugblätter für einen Hungerlohn verteilt, hatte mich mit Nachtschichten in einem rund um die Uhr geöffneten Imbiss einer Burgerkette über Wasser gehalten, der hauptsächlich von Säufern und Abschaum frequentiert wurde, und zurzeit arbeitete ich als Reinigungskraft in einem Theater am Broadway. Das Geld, das ich damit verdiente, reichte kaum für die Miete, geschweige denn für Lebensmittel oder abendliches Ausgehen. Ich konnte mir keine neue Kleidung leisten, und jeder Tag war ein Kampf. So hatte ich mir mein Leben nicht vorgestellt.

Am Abend zuvor hatte ich einen Wendepunkt erreicht: Ich hatte mir entschieden klargemacht, dass sich etwas ändern und ich mein Leben in den Griff bekommen musste.

»Ich hatte einmal Träume, Molly, und jetzt schau mich an. Weißt du noch, wie wir uns kennengelernt haben?«

Molly lächelte. »Natürlich weiß ich das noch.«

Es war drei Jahre her. Molly und ich standen eingepfercht wie Ölsardinen in der U-Bahn. Stoßzeit im Berufsverkehr. Wir fuhren Richtung Times Square und hielten uns am selben Metallhandlauf fest, als er uns beiden zeitgleich auffiel.

»Schau dir diese Wimpern an. Neid!«, flüsterte Molly mir zu, und ich lachte in mich hinein.

Ich konnte nicht anders und musste ebenfalls die strahlend blauen Augen, die ausgeprägten Wangenknochen und diese Wimpern anstarren. Molly hatte recht – sie waren unglaublich. Jedes Mädchen auf dieser Seite der Stadt, ach was, jedes Mädchen in der gesamten Stadt wäre bereit gewesen, für diese Wimpern zu sterben. Seine Kleidung – ein leuchtend roter Samtanzug, ein brauner Zylinder und eine goldene Fliege – sorgte für einige Aufregung bei einer Gruppe Mädchen, die in der Nähe saßen. Auch ich war wie hypnotisiert von seiner ganz besonderen Ausstrahlung.

An der 42nd Street stieg er aus. Unmittelbar vorher aber drehte er sich um, zwinkerte uns zu und streckte uns zwei goldene Eintrittskarten für Willy Wonkas Schokoladenfabrik hin.

Wir stiegen dicht hinter ihm aus und sahen ihm nach, wie er in der Menge verschwand.

»Passiert auch nicht jeden Tag, dass man eine Eintrittskarte in den Schokoladenhimmel bekommt«, meinte Molly seufzend. Ich lachte und steckte die Karte in meine Handtasche. Gemeinsam gingen wir weiter zum Times Square und kicherten dabei die ganze Zeit.

Auf diesem kurzen gemeinsamen Weg machte es klick zwischen uns. Wir verstanden uns blendend. Ich erzählte ihr, dass ich gerade meinen Studienabschluss in Darstellender Kunst abgelegt hatte und davon träumte, eines Tages auf dem Broadway aufzutreten.

Molly lud mich zum Kaffee an ihrem Arbeitsplatz ein, und wir schlenderten im New Yorker Sonnenschein die 6th Avenue hinunter zu dem Radiosender, bei dem sie, seit sie von der Schule abgegangen war, arbeitete. Sie erzählte mir, sie habe als Mädchen für alles angefangen, das Telefon bedient, unzählige Tassen Kaffee gekocht und sich bemüht, den Nachrichtenredakteuren auszuweichen, die ihre Finger nicht bei sich behalten konnten. Inzwischen hatten ihre schnelle Auffassungsgabe, ihre Bereitschaft, hart zu arbeiten, und ihre Entschlossenheit ihr einen Platz am Mikrofon eingebracht: Sie moderierte die werktägliche Nachmittagssendung zwischen fünf und sieben.

Ich bewunderte sie, und als wir durch die Glastüren des Studios schritten, fühlte es sich an, als hätte ich eine fremde Welt betreten. Im Foyer hingen die signierten Fotos zahlreicher Berühmtheiten, die vom Sender interviewt worden waren, und Molly erzählte mir, sie habe die meisten kennengelernt. Ich fand es aufregend, dass sie mit Reichen und Berühmten in Berührung kam und sich ihren Erfolg aus eigener Kraft erarbeitet hatte. Auch ich wollte meinen Namen in den Leuchtreklamen sehen, wollte von Radiosendern interviewt werden und auf den Titelseiten der Illustrierten stehen.

Jetzt, wo ich meinen Studienabschluss hatte, brannte ich darauf, mich zu beweisen. Ich suchte nach Jobs am Broadway, gespannt darauf, was die Zukunft für mich bereithielt.

Nach dem Kaffee bot Molly mir an, mit ins Aufnahmestudio zu kommen und live mitzuerleben, wie sie ihre Sendung moderierte. Aufregung erfasste mich, als sie mir bedeutete, ihr gegenüber Platz zu nehmen. Ich schaute ihr bewundernd zu, wie sie den Kopfhörer aufsetzte, das Mikrofon zu sich heranzog und die Sendung startete. Nach dem ersten Abschnitt schoss Molly ein Foto von uns beiden, wie wir unsere goldenen Tickets hochhielten, und setzte einen Tweet mit dem Hashtag findwillywonka ab. Keine Stunde später hatten wir Antwort auf Twitter: Der Schauspieler Joe Tucker hatte sich gemeldet.

Noch am selben Abend lud Joe uns zu einer seiner Vorstellungen ein. Sie war sensationell, die Darbietung einfach fantastisch. Hinterher trafen wir uns auf einen Drink, und er war so freundlich, zahlreiche Möglichkeiten zum Vorspielen für mich zu arrangieren. Leider war die Konkurrenz jedes Mal mörderisch. Ich war einfach nicht gut genug, um mir eine Rolle zu sichern, und die Absageschreiben stapelten sich auf meiner Fußmatte. Die Monate vergingen, und ich fühlte, wie der ersehnte Starruhm in immer unerreichbarere Ferne rückte. Allmählich kam ich mir vor wie eine Versagerin in meinem Bemühen, meinen Karrieretraum zu verwirklichen. Zu dem Zeitpunkt fing ich an, jeden Job anzunehmen und jede Arbeitszeit zu akzeptieren, um meine eigene Wohnung halten zu können. So war ich in die Situation geraten, in der ich mich jetzt befand ...

Molly nahm einen Schluck von ihrem Wasser. »Nun sag schon, was ist letzte Nacht passiert?«, fragte sie und riss mich damit aus meinen Erinnerungen.

Ich schaute mich kurz in meiner schäbigen Küche um. Die Tapete löste sich von der feuchten Stelle in einer Ecke des Zimmers, das braune Linoleum rollte sich an den Kanten hoch, und durchs Küchenfenster fiel kaum Licht. Überall stapelten sich Flugblätter, Zeitungen und offene Rechnungen.

Ich atmete aus, dann holte ich tief Luft.

»Ich brauchte Zeit, um nachzudenken, also bin ich die 5th Avenue entlanggegangen, bis ich mich vor dem Empire State Building wiederfand. Weißt du ...« Ich stockte. »Bis gestern Abend bin ich nie auf der Spitze dieses Gebäudes gewesen. Ich stand da, schaute zu den Lichtern an der Spitze hoch, und da hörte ich jemanden meinen Namen rufen. Ich konnte es kaum glauben, aber da stand Madison, ein Mädchen, das mit mir zusammen das College besucht hat. Sie verkaufte draußen Eintrittskarten und steckte mir eine Freikarte zu. Während ich auf dem Weg nach oben in den sechsundachtzigsten Stock war, kamen mir plötzlich die Tränen. Irgendetwas in mir veränderte sich«, versuchte ich zu erklären.

»Wie meinst du das?«

Ich drängte die erneut aufkommenden Tränen zurück und schluckte gegen die Enge in meiner Kehle. »Der Ausblick war umwerfend. In all den Jahren, die ich schon hier in New York lebe, habe ich noch nichts Vergleichbares gesehen. Ich schaute über die Stadt ... auf die Millionen Lichter, die vor dem Nachthimmel funkelten, und es war einfach atemberaubend. Und es mag sein, dass dies der schönste Ort auf der ganzen Welt ist, Mol ... aber ...« Ich wappnete mich, während ich redete. »Aber ich bin nicht glücklich.«

Beinah zeitgleich beugte Molly sich vor und nahm meine Hände in ihre.

»Ach Alice«, sagte sie leise, »wie kann ich dir helfen?«

Ihr Gesichtsausdruck verriet mir, dass sie nicht die leiseste Ahnung hatte, wie ich mich fühlte. Natürlich hatte das Leben in New York seine Vorzüge, aber irgendetwas sagte mir, dass ich nicht hierhergehörte. Ich passte nicht hierher – und das schon von Anfang an nicht. Bereits in der Schule war ich das blasse englische Mädchen mit den Sommersprossen und dem komischen Akzent gewesen, das immer und überall auffiel.

Mum redete nie darüber, warum wir nach New York gezogen waren, und im Laufe der Jahre wurde es auch immer schwieriger, sie darauf anzusprechen.

Meine Stimme zitterte. »Ich glaube nicht, dass du irgendetwas tun kannst ... Ich muss ewig dort oben gestanden und auf die Stadt herabgeblickt haben, völlig in Gedanken versunken. Und dann brandete rings um mich her plötzlich Beifall auf. Ich drehte mich um und sah ein Pärchen, umringt von etlichen Leuten. Der Mann hatte sich auf ein Knie herabgelassen und blickte zu der Frau auf, die eine burgunderrote Schachtel in den Händen hielt. Man konnte sehen, wie sehr er sie liebte, und dann bat er sie, ihn zu heiraten! Was für ein Heiratsantrag, Molly! Das war so romantisch, rosa Herzen, Blumen, wie im Märchen, aber ... ich dachte nur: Und was ist mit mir?«

»Du siehst ganz passabel aus«, lächelte sie mir halbherzig zu, um die Stimmung ein wenig aufzulockern. »Ich kenne massenweise Männer, die ihren rechten Arm hergeben würden, um sich mit dir zu verabreden ... allerdings solltest du dir vielleicht doch erst diesen Achtzigerjahre-Rockstar-Look abschminken.«

»Ich fühle mich einsam, Mol, hocke hier fast mittellos in dieser schäbigen Wohnung, nehme jeden Job an, um über die Runden zu kommen. Das Leben hat doch sicher noch mehr zu bieten, meinst du nicht?«

Im Laufe der Zeit hatte ich begonnen, diese Wohnung zu verabscheuen. Allein in der letzten Woche war ich jede Nacht im Schlaf gestört worden. Musik hämmerte durch die papierdünne Decke aus der Wohnung über mir, der Discosound brachte den Lampenschirm zum Schwingen. Oft verbrachte ich meine Nächte damit, fluchend mit dem Besenstiel gegen die Decke zu hämmern. Wenn das nicht half, vergrub ich meinen Kopf unter Kissen in dem Versuch, den Lärm auszusperren.

»Mir war gar nicht klar, wie schlimm deine Situation geworden ist«, sagte Molly, immer noch aufmerksam. »Ich schau mal, ob beim Sender eine Stelle frei ist.« »Es ist zu spät«, erwiderte ich leise, »es ist zu spät.« Ich ließ beide Hände auf die Tischplatte sinken und seufzte.

Molly nickte kaum merklich, verarbeitete, was ich gesagt hatte, und einen Moment saßen wir schweigend da.

»Eines Tages lernst du den richtigen Mann kennen«, sagte sie schließlich.

Ich rang mir ein Lächeln ab. »Das ist noch nicht alles.« Schon seit einiger Zeit ging mir etwas durch den Kopf, etwas, das mir zu schaffen machte, so wie eine juckende Stelle, an der man ständig kratzen musste. Bisher hatte ich es jedoch noch nicht ausgesprochen.

(Continues…)


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