Vermählung: Jane Austen neu erzählt

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Overview

Mrs. Bennets Leben dreht sich nur um das Eine: Wie kann sie es bloß schaffen, dass ihre Töchter endlich den Richtigen finden? Zumindest für Jane, die Älteste, gibt es Hoffnung: Chip Bingley, der attraktive Arzt, der noch vor Kurzem als Bachelor in der Fernsehshow "Vermählung" vergeblich nach der großen Liebe suchte, zieht in die Kleinstadt. Und gleich beim ersten Zusammentreffen knistert es zwischen Chip und Jane. Doch was ist mit Liz Bennet? Chips Freund, der ungehobelte Neurochirurg Fitzwilliam Darcy ist definitiv keine Option! Dennoch scheinen die beiden nicht voneinander lassen zu können …

"Curtis Sittenfelds ‚Vermählung‘ ist eine unterhaltsame Nacherzählung des Klassikers, die Austen in Sachen Witz und Schlagfertigkeit in Nichts nachsteht. (…) Mit viel Humor und geistreichen Dialogen erforscht Sittenfeld diese privilegierte Familie voller Vorurteile und zeigt, was es heißt, reich, weiß und somit desillusioniert im heutigen Amerika zu sein."
Berliner Zeitung

"Niemand schreibt mit Austens besonderer Sensibilität - und niemand würde es wirklich versuchen wollen: Sie war perfekt für ihre Zeit. Aber Sittenfeld ist die ideale Autorin, um ihr Werk zu adaptieren. Ihr besonderer Reiz liegt nicht nur in ihrem klaren, sauberen Schreibstil, sondern auch in ihrer allgemeinen Belustigung über die Welt, ihren prägnanten Beobachtungen über menschliche Verhaltensweisen, Charakterzüge und Beweggründe."
New York Times

"Eine perfektere Kombination als Curtis Sittenfeld und Jane Austen muss man erst mal finden! Sittenfeld macht die bereits unwiderstehliche Geschichte noch faszinierender und bezaubernder."
Elle

"Das Buch des Sommers."
The Times

"Selbst der eingeschworenste Austen-Fan wird sich von diesem Buch verführen lassen."
The Oprah Magazine

"Eine herausragend frische Adaption!"
Publisher’s Weekly


Product Details

ISBN-13: 9783959676748
Publisher: HarperCollins Publishers
Publication date: 06/12/2017
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 600
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

About The Author
New-York-Times-Bestsellerautorin Curtis Sittenfeld arbeitete als Journalistin für die Washington Post und das People Magazine. 2005 schrieb sie ihren ersten Roman »Eine Klasse für sich«, der von der New York Times zu den zehn besten Büchern des Jahres gewählt wurde. »Vermählung«, ihr fünftes Buch, eroberte sofort die amerikanischen Bestsellerlisten. Sittenfelds Romane wurden bereits in fünfundzwanzig Sprachen übersetzt.

Hometown:

Washington, D.C.

Date of Birth:

August 23, 1975

Place of Birth:

Cincinnati, Ohio

Education:

B.A., Stanford University, 1997; M.F.A., University of Iowa (Iowa Writers¿ Workshop), 2001

Read an Excerpt

Vermahlung


By Curtis Sittenfeld

HarperCollins Germany GmbH

Copyright © 2017 HarperCollins
All rights reserved.
ISBN: 978-3-95967-674-8


CHAPTER 1

Lange vor seiner Ankunft war in Cincinnati allgemein bekannt, dass Chip Bingley auf der Suche nach einer Ehefrau war. Zwei Jahre zuvor hatte Chip – Spross der Pennsylvania-Bingleys, die im zwanzigsten Jahrhundert ein Vermögen mit Installationszubehör gemacht hatten, und Absolvent des Dartmouth College und der Harvard Medical School – anscheinend etwas widerwillig bei der quotenstarken Reality-TV-Show Vermählung mitgemacht. Im Herbst 2011 hatten fünfundzwanzig Single-Frauen acht Wochen lang zusammen in einer Villa in Rancho Cucamonga in Kalifornien gewohnt und um Chips Herz gewetteifert. Sie waren mit ihm zum Black-Jack in Las Vegas und zu Weinverkostungen im Napa Valley gereist, hatten sich gezankt und gegenseitig schlechtgemacht, in seiner Gegenwart wie in seiner Abwesenheit. Am Ende einer jeden Folge erhielt jede Frau von ihm entweder einen Kuss auf die Lippen, was bedeutete, dass sie im Wettbewerb bleiben durfte, oder einen Wangenkuss, der hieß, dass sie umgehend nach Hause verschwinden musste. In der letzten Folge waren nur noch zwei Frauen übrig: die dreiundzwanzigjährige Kara, ehedem College-Cheerleader mit großen Augen und blonden Locken, mittlerweile Lehrerin in Jackson, Mississippi, und die achtundzwanzigjährige Marcy, eine doppelzüngige, aber äußerst reizvolle Dentalhygienikerin aus Morristown in New Jersey. Chip weinte herzergreifend und weigerte sich, einer von ihnen einen Antrag zu machen. Sie seien beide etwas Besonderes, beteuerte er, umwerfend, klug und gebildet, doch empfinde er bei keiner von ihnen das, was er "eine seelische Verbundenheit" nannte. Dank der Vorgaben der Medienbehörde bestand Marcys darauffolgende Tirade hauptsächlich aus schrillem Piepen, das die Kraftausdrücke übertönte, doch ihre Rage war dennoch nicht zu verkennen.

"Es hat nichts mit dieser albernen Sendung zu tun, dass ich ihm unsere Mädchen vorstellen möchte", sagte Mrs. Bennet eines Morgens Ende Juni beim Frühstück zu ihrem Mann. Die Bennets wohnten in der Grandin Road, im Hyde-Park-Viertel von Cincinnati, wo sie ein großes Haus mit acht Schlafzimmern besaßen. "Die habe ich mir überhaupt noch nie angesehen. Aber er war auf der Harvard Medical School!" "Ja, das erwähntest du bereits", sagte Mr. Bennet.

"Nach allem, was wir durchgemacht haben, hätte ich nichts gegen einen Arzt in der Familie", erklärte Mrs. Bennet. "Nenn es selbstsüchtig, wenn du willst, ich würde es eher als clever bezeichnen."

"Selbstsüchtig?", wiederholte Mr. Bennet. "Du?" Fünf Wochen zuvor hatte sich Mr. Bennet einer Bypass-Operation unterziehen müssen, und nach einer längeren Genesungsphase hatte er erst in den letzten Tagen zu seinem typischen Sarkasmus zurückgefunden.

"Chip Bingley wollte nicht mal zu Vermählung. Seine Schwester hat ihn dafür vorgeschlagen", sagte Mrs. Bennet.

"Demnach ist eine Reality-Show dem Friedensnobelpreis gar nicht unähnlich", folgerte Mr. Bennet. "Für beides muss man vorgeschlagen werden."

"Ich frage mich, ob Chip eine Wohnung mietet oder etwas gekauft hat", sagte Mrs. Bennet. "Das könnte uns verraten, wie lange er in Cincinnati bleiben will."

Mr. Bennet legte seinen Toast auf dem Teller ab. "Bedenkt man, dass der Mann uns wildfremd ist, scheinst du über Gebühr an seinem Leben interessiert."

"Ich würde wohl kaum von 'wildfremd' reden! Er arbeitet in der Notaufnahme des Christ Hospital, was bedeutet, dass Dick Lucas ihn kennen muss. Chip ist sehr wortgewandt, nicht wie diese entsetzlich vulgären jungen Leute, die man sonst im Fernsehen sieht. Und sehr gut aussehen tut er auch."

"Ich dachte, du hättest die Sendung nie gesehen?" "Nur mal ein paar Minuten, als die Mädchen sie geguckt haben." Mrs. Bennet sah ihren Mann verärgert an. "Und streite nicht mit mir. Das ist schlecht für dein Herz. So oder so hätte Chip im Fernsehen Karriere machen können, aber er wollte lieber Arzt bleiben. Und man merkt ihm an, dass er aus einer netten Familie kommt. Fred, ich glaube ehrlich, dass er ausgerechnet jetzt herzieht, wo Jane und Liz zu Hause sind, ist unser Silberstreif am Horizont." Die älteste und die zweitälteste der fünf Bennet-Schwestern hatten die letzten zwanzig Jahre in New York gelebt. Nun waren sie wegen der gesundheitlichen Probleme ihres Vaters kurzerhand – zumindest vorübergehend – nach Cincinnati zurückgekehrt.

"Meine Liebe", sagte Mr. Bennet, "selbst wenn eine Sockenpuppe mit einem Treuhandfonds und einem Harvard-Abschluss in Medizin herziehen würde, würdest du es für Bestimmung halten, dass sie eines unserer Mädchen heiratet."

"Mach dich ruhig über mich lustig, aber die Uhr tickt. Nein, Jane sieht man nicht an, dass sie im November vierzig wird, aber jeder Mann, der ihr Alter kennt, wird sich gut überlegen, was das bedeutet. Und Liz ist nicht viel jünger."

"Es gibt reichlich Männer, die keine Kinder wollen." Mr. Bennet trank einen Schluck Kaffee. "Ich bin mir bis heute nicht sicher, ob ich welche will."

"Eine Frau in den Vierzigern kann sehr wohl Kinder bekommen", sagte Mrs. Bennet. "Allerdings ist es nicht so einfach, wie es die Medien uns vorgaukeln. Phillys' und Bobs Tochter hat alles Mögliche machen lassen, und am Ende wurde es dann doch nur die kleine Ying aus Shanghai." Beim Aufstehen blickte Mrs. Bennet auf ihre goldene Uhr mit dem ovalen Ziffernblatt. "Ich rufe Helen Lucas an und frage, ob sie etwas arrangieren kann, damit wir Chip kennenlernen."

CHAPTER 2

Mrs. Bennet sprach jeden Abend das Tischgebet, denn sie mochte die anglikanischen Gebete sehr. Doch an diesem Tag war ihr kaum das Amen über die Lippen gekommen, als sie höchst begeistert verkündete: "Die Lucas' haben uns am vierten Juli zum Grillen eingeladen!"

"Wann am vierten Juli?", fragte Lydia, die mit dreiundzwanzig die jüngste Bennet-Schwester war. "Kitty und ich haben nämlich schon was vor."

Die dreißigjährige Mary sagte: "Kein Feuerwerk fängt an, bevor es dunkel ist."

"Wir sind vorher zu einer Party in Mount Adams eingeladen", erklärte Kitty. Mit ihren sechsundzwanzig Jahren war sie Lydia sowohl altersmäßig als auch vom Temperament her am nächsten, doch anders, als es unter Geschwistern sonst üblich war, trottete sie ihrer jüngeren Schwester ständig hinterher und ließ sich von ihr auf manche Abwege führen.

"Aber ich habe euch noch nicht verraten, wer bei dem Grillabend sein wird." Mrs. Bennet saß strahlend am Ende des langen Küchentisches. "Chip Bingley!"

"Die Heulsuse aus Vermählung?", fragte Lydia, und Kitty kicherte, als Lydia hinzufügte: "Ich habe noch

keine Frau erlebt, die so geflennt hat wie er beim Staffelfinale."

"Welche Heulsuse und auf welcher Vermählung?", fragte Jane.

"Ach Jane!", sagte Liz. "So unschuldig und unverdorben. Du hast doch wohl von der Reality-Show Vermählung gehört, oder nicht?"

Jane blinzelte. "Ja, ich glaube schon."

"Er war vor ein paar Jahren dabei, also der Junggeselle, hinter dem fünfundzwanzig Frauen herhechelten."

"Ich glaube nicht, dass sich eine von euch vorstellen kann, was für ein Albtraum es für einen Mann ist, allein unter so vielen Frauen zu sein", sagte Mr. Bennet. "Ich weine auch oft, und ihr seid bloß sechs."

"Vermählung ist frauenverachtend", sagte Mary, und Lydia kommentierte umgehend: "Natürlich denkst du das."

"Aber in jeder zweiten Staffel ist es eine Frau, die von fünfundzwanzig Kerlen umworben wird", sagte Kitty. "Das ist Gleichberechtigung."

"Die Frauen erniedrigen sich auf eine Weise, wie es die Männer nie tun würden", erwiderte Mary. "Weil sie so verzweifelt sind."

"Chip Bingley war an der Harvard Medical School", sagte Mrs. Bennet. "Er ist keiner von diesen vulgären Hollywood-Typen."

"Mom, nur weil er ein vulgärer Hollywood-Typ ist, interessiert sich überhaupt jemand in Cincinnati für ihn", korrigierte Liz.

Jane sah ihre Schwester an. "Hast du gewusst, dass er hier ist?"

"Du etwa nicht?"

"Welche von uns soll er sich denn aussuchen, Mom?", fragte Lydia.

"Er ist alt, stimmt's? Also schätze ich mal, es soll Jane sein."

"Vielen Dank, Lydia", sagte Jane.

"Er ist sechsunddreißig", antwortete Mrs. Bennet. "Damit würde er zu Jane oder Liz passen."

"Warum nicht zu Mary?", fragte Kitty.

"Er scheint mir nicht Marys Typ zu sein", sagte Mrs. Bennet.

"Weil sie lesbisch ist", erklärte Lydia. "Und er ist keine Frau."

Mary funkelte Lydia wütend an. "Erstens bin ich nicht lesbisch. Und selbst wenn ich es wäre, fände ich das immer noch besser, als eine Soziopathin zu sein."

Lydia grinste hämisch. "Du musst dich nicht für eins von beidem entscheiden."

"Habt ihr das gehört?" Mary wandte sich zu ihrer Mutter am einen Tischende, dann zu ihrem Vater am anderen. "Mit Lydia stimmt echt etwas nicht."

"Mit euch allen stimmt alles", widersprach Mrs. Bennet. "Was ist das für ein Gemüse, Jane? Es schmeckt ungewöhnlich."

"Das ist Spinat", antwortete Jane. "Ich habe ihn gedünstet."

"Genau genommen", sagte Mr. Bennet, "stimmt mit jeder von euch etwas nicht. Ihr seid erwachsen und solltet nicht mehr zu Hause wohnen."

"Wir sind hergekommen, damit wir uns um dich kümmern können, Daddy", sagte Jane.

"Mir geht es wieder gut. Fahr zurück nach New York. Du auch, Lizzy. Als die Einzige, die keinen Cent von mir annehmen will und die zufällig einen richtigen Job hat, solltest du deinen Schwestern ein Beispiel sein. Stattdessen ziehen sie dich mit runter."

"Jane und Lizzy wissen, wie wichtig mein großer Lunch ist", sagte Mrs. Bennet. "Deshalb sind sie noch hier." Gemeint war das jährliche Wohltätigkeitsessen der Cincinnati Women's League, das in diesem Jahr am zweiten Donnerstag im September stattfinden sollte. Mrs. Bennet war seit ihren Zwanzigern Mitglied in der Women's League und zum ersten Mal für die Organisation zuständig. Entsprechend oft erinnerte sie ihre Familie daran, dass der enorme Druck und die Verantwortung ihr unglücklicherweise keine Zeit ließen, sich um die Genesung ihres Mannes zu kümmern. "Also, das Grillen bei den Lucas' ist ab vier", fuhr Mrs. Bennet fort. "Lydia und Kitty, ihr habt reichlich Zeit, mit uns zu kommen und trotzdem vor dem Feuerwerk noch zu eurer Party zu gehen. Helen Lucas lädt auch einige andere junge Leute aus dem Krankenhaus ein, nicht nur Chip Bingley, und es wäre doch ein Jammer, wenn ihr die verpassen würdet."

"Mom, anders als unsere Schwestern sind Kitty und ich durchaus in der Lage, selbst Männer kennenzulernen", sagte Lydia.

Mrs. Bennet sah zu ihrem Mann. "Sollte eines unserer Mädchen einen Arzt heiraten, käme mir das sehr entgegen, ja", sagte sie zu ihm. "Allerdings dürfte es auch ganz in deinem Sinne sein, Fred, sie auf die Art aus dem Haus zu bekommen."

CHAPTER 3

Mr. Bennet hatte sich beruflich nie sonderlich engagiert. Vielmehr ernährte er seine Familie von einem großen, aber zusehends schwindenden Erbe, weshalb seine Bemerkungen zur Untätigkeit seiner Töchter als ziemlich vermessen betrachtet werden durften. Unrecht hatte er jedoch nicht. Jedem Außenstehenden wäre es zu verzeihen, sollte er sich fragen, was die Bennet-Schwestern nur tagein, tagaus, jahrein, jahraus mit sich anfingen. Sie waren nicht ungebildet. Ganz und gar nicht. Im Alter zwischen drei und achtzehn Jahren hatten alle Schwestern die Seven Hills School besucht, eine anspruchsvolle gemischte Schule mit freundlicher Atmosphäre, an der sie in jungen Jahren Lieder wie "Fifty Nifty United States" auswendig gelernt und mit anderen Schülern zusammen – Teamarbeit war oberstes Gebot an der Seven Hills – riesige Stegosaurier oder Triceratops aus Pappmaché gefertigt hatten. In späteren Jahren lasen sie Die Odyssee, halfen bei der Ausrichtung des jährlichen Erntedankfests und nahmen an Sommerreisen nach Frankreich und China teil. Nebenher spielten sie alle ihre ganze Schulzeit über Fußball und Basketball. Insgesamt kostete diese breit gefächerte Schulbildung achthunderttausend Dollar. Anschließend hatten alle fünf Mädchen private Colleges besucht, bevor sie dann ihre, wie man es euphemistisch bezeichnen könnte, wenig lukrativen Karrieren einschlugen. Im Falle einiger Schwestern wäre die Bezeichnung "nicht lukrative NichtKarriere" allerdings treffender. Kitty und Lydia hatten noch nie länger als einige Monate am Stück gearbeitet, und das als planlose Nannys oder Verkäuferinnen bei Abercrombie & Fitch oder Banana Republic im Einkaufszentrum Rookwood Pavilion. Genauso hatten sie zwar durchaus schon unter anderen Dächern als dem ihrer Eltern gewohnt, aber auch das nur für kurze Zeit. Diese Testläufe in Quasi-Unabhängigkeit mündeten verlässlich in dramatische Zerwürfnisse mit ehedem engen Freundinnen, Mietvertragsbrüchen und einer beleidigten bis empörten Heimkehr in die Tudor-Villa, in die sie ihre Habseligkeiten in Wäschekörben und Müllsäcken zurückschleppten. Hauptsächlich beschäftigten sich die jüngeren Bennet-Schwestern mit Lunch im Green Dog Café oder bei Teller's, mit Textnachrichten oder Videos auf ihren Smartphones und mit Sport. Vor ungefähr einem Jahr hatten Kitty und Lydia CrossFit für sich entdeckt, jenes Kraft- und Ausdauertraining mit Gewichten, Kugelhanteln, Battle-Ropes und obskuren Kürzeln, das außerdem den Verzicht auf die meisten Nahrungsmittel außer Fleisch verlangte. Damit einher ging eine herablassende Haltung gegenüber den schwachen und unaufgeklärten Massen, die immer noch glaubten, dass Joggen als Sport ausreiche und ein Bagel ein akzeptables Frühstück sei. Natürlich zählten alle Bennets außer Kitty und Lydia zu diesen Massen.

Mary war derweil mit ihrem dritten Online-Masterabschluss befasst, diesmal in Psychologie; sie hatte bereits Master-Titel in Strafjustiz und Betriebswirtschaft. Als unscheinbarste der Schwestern betrachtete Mary ihre Entscheidung, weiter bei ihren Eltern zu wohnen, als Zeugnis für ihre Hingabe an ein geistiges Leben frei von materiellen Zwängen – und für ihre Abneigung gegen Verschwendung, denn ohne sie als einzige Bewohnerin stünde ihr Kinderzimmer ja leer.

Jane und Liz hatten immer Jobs gehabt, doch selbst ihnen hatte das Sicherheitsnetz, das die Eltern ihnen boten, stets erlaubt, ihre persönlichen Interessen über das finanzielle Auskommen zu stellen. Jane war Yoga-Lehrerin, was ihr in einer Stadt wie Cincinnati zweifellos ermöglichen würde, ihre Miete zu bezahlen, nicht hingegen in Manhattan und ganz gewiss nicht an der Upper West Side, die sie die letzten fünfzehn Jahre ihr Zuhause genannt hatte. Liz hatte zwar ihre Zwanziger und Dreißiger ebenfalls in New York verbracht, aber bis zu ihrem kürzlichen Umzug nach Cobble Hill in Brooklyn eher in schäbigen Wohnungen in den Außenbezirken gelebt. Die einzige Ausnahme war das Apartment an der Zweiundsiebzigsten Ecke Amsterdam gewesen, das sie sich in den späten 1990ern mit ihrer Schwester geteilt hatte, nachdem Liz nur ein Jahr nach Jane ihren Abschluss am Barnard College gemacht hatte. Obwohl die beiden Schwestern sich als Mitbewohnerinnen gut verstanden, endete das Zusammenleben, als Jane sich mit einem sympathischen Hedge-FondsAnalysten namens Teddy verlobte. Mrs. Bennets Unbehagen, weil Jane und Teddy vor der Heirat zusammenwohnten, wurde von Teddys Abschluss an der Cornell und seinem lukrativen Job gelindert. Leider wurde Teddy alsbald bewusst, dass er sich zu anderen Männern hingezogen fühlte, was letztlich gegen eine dauerhafte Beziehung mit Jane sprach. Jane und er hatten sich freundschaftlich getrennt, und einoder zweimal im Jahr trafen sich Liz und Jane noch mit Teddy und dessen wahrhaft attraktivem Partner Patrick zum Brunch.

Liz hatte bisher ausschließlich bei Zeitschriften gearbeitet. Direkt vom College weg war sie für die Faktenprüfung von einer Wochenzeitschrift engagiert worden, die für ihre pointierten Artikel zu Politik und Kultur berühmt war. Von dort aus war sie zur Mascara gewechselt, einer monatlich erscheinenden Frauenzeitschrift, die Liz schon abonniert hatte, seit sie vierzehn war, da ihr sowohl die klaren feministischen Ansätze des Magazins gefielen, als auch die unverhohlene Begeisterung für Schuhe und Kosmetika, die es zum Ausdruck brachte. Liz fing als Redaktionsassistentin an, stieg zur Redakteurin auf und schließlich zur Ressortleiterin. Mit einunddreißig jedoch wurde ihr klar, dass ihre Leidenschaft das Schreiben von Geschichten war, nicht das Redigieren, und so wurde Liz zur Autorin bei der Mascara, und das war sie auch heute noch. Auch wenn das Schreiben tendenziell weniger einbrachte als die Redaktion, fand Liz, dass sie einen Traumjob hatte. Sie reiste viel und interviewte kultivierte und manchmal berühmte Leute. Trotzdem zeigte sich ihre Familie wenig beeindruckt von ihrem Erfolg. Selbst nach all den Jahren gab ihr Vater immer noch vor, sich den Namen der Zeitschrift nicht merken zu können. "Wie steht es bei der Nail Polish?", fragte er oder: "Irgendwas Neues bei der Lipstick?" Mary wurde nicht müde zu behaupten, die Mascara würde repressive Schönheitsnormen vertreten, die das Gros der Frauen ausschlossen. Und Lydia und Kitty hatten zwar kein Problem mit repressiven Schönheitsnormen oder dem Ausschluss größerer Gruppen von was auch immer, interessierten sich aber dennoch nicht für die Zeitschrift. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie grundsätzlich nicht für Zeitschriften oder Bücher zu gewinnen waren und sich ihre Lektüre auf die Displays ihrer Smartphones beschränkte.


(Continues...)

Excerpted from Vermahlung by Curtis Sittenfeld. Copyright © 2017 HarperCollins. Excerpted by permission of HarperCollins Germany GmbH.
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