Spreewaldrache: Kriminalroman

Spreewaldrache: Kriminalroman

by Christiane Dieckerhoff
Spreewaldrache: Kriminalroman

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by Christiane Dieckerhoff

eBook1. Auflage (1. Auflage)

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Overview

Tödliche Fehde im Spreewald

Ein junger Mann wird blutüberströmt auf einer kleinen Spreewald-Insel gefunden. Er überlebt nur knapp. Kurz darauf finden Anwohner einen toten Obdachlosen in einer Datsche. Kriminalobermeisterin Klaudia Wagner steht vor einem Rätsel. Die beiden Männer kannten sich nicht, trotzdem hängen die beiden Fälle offenbar zusammen. Ihre Nachforschungen bringen Erstaunliches ans Licht: Eine alte Fehde zwischen den Fährleuten von Lübbenau führte schon zwanzig Jahre zuvor zu einem tödlichen Unfall. Oder was es Mord? Klaudia Wagner ermittelt unter Hochdruck, denn der Streit zwischen den Kahnführer-Familien ist neu entfacht und fordert weitere Opfer ...

Liebe, Verrat, Mord: Auch im Spreewald tun sich menschliche Abgründe auf

 


Product Details

ISBN-13: 9783843717625
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 04/06/2018
Series: Ein-Fall-für-Klaudia-Wagner , #3
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 304
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Christiane Dieckerhoff, Jahrgang 1960, machte zunächst eine Berufsausbildung zur Kinderkrankenschwester, ist Mutter zweier erwachsener Kinder und lebt am Rande des Ruhrgebiets. Sie schreibt vor allem aktuelle und historische Krimis.

Christiane Dieckerhoff, Jahrgang 1960, machte zunächst eine Berufsausbildung zur Kinderkrankenschwester, ist Mutter zweier erwachsener Kinder und lebt am Rande des Ruhrgebiets. Sie schreibt vor allem aktuelle und historische Krimis.

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CHAPTER 1

Klaudia konnte sich eine Menge unter teambildenden Maßnahmen vorstellen: wandern, bowlen oder von ihr aus auch grillen. Doch das hier gehörte eindeutig nicht dazu. Sie knirschte mit den Zähnen, bis ihr rechtes Ohr klingelte. Wenn sie klug gewesen wäre, hätte sie sich krankgemeldet. Aber sie war nicht klug, nur pflichtbewusst und ein bisschen dämlich. Also war sie vor Tau und Tag am kleinen Hafen am Spreeschlösschen gewesen, um sich mit ihren verfrorenen Kollegen von Schiebschick durch den dichten Novembernebel staken zu lassen. Die Tour endete schließlich auf einer von Erlen gesäumten Lichtung am Rande des Hochwaldes, wo sie ihre Gastgeber Mario und Jana Schenker bereits erwarteten. Auf dem Anleger kläffte ein Hund, der aussah wie eine Mischung aus Dackel und Fuchs und auf den Namen Balduin hörte.

Beim Anblick des halben Schweins, das an einer ausgefahrenen Leiter vor einem Holzschuppen hing, wäre sie am liebsten wieder zu Schiebschick in den Kahn gestiegen, doch der hatte bereits abgelegt. Und den Kahn ihrer Gastgeber konnte sie schließlich schlecht nehmen. Oder vielleicht doch? In Gedanken stieg Klaudia in den schmalen Spreekahn, dessen Borte blau leuchtete. Weit würde sie damit nicht kommen. Sie konnte nicht staken. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich ein Lächeln in die Mundwinkel zu tackern.

Schenker hatte ihnen in einem Satz das Du angeboten und das Füttern des Hundes verboten und die Truppe dann in ihre Arbeitsplätze eingewiesen. Also stand Klaudia nun an diesem blank gescheuerten Holztisch und trug ein Haarnetz, das im Nacken juckte. Außerdem schützte eine knielange Plastikschürze Fleecejacke und Jeans, und ihre Finger steckten in zu großen Einmalhandschuhen.

Obwohl es ein sonniger Tag werden sollte, lag noch immer dichter Nebel über dem Fließ. Die Novemberkälte kroch durch die Sohlen ihrer Sneaker und wanderte Klaudias Waden hinauf, während sie eine Schüssel unter den Fleischwolf hielt, aus dem eine blassgraue Masse quoll.

»Tolle Idee«, flüsterte sie Petra zu, die die Kurbel drehte. »Hättest du das nicht verhindern können?«

Unauffällig schob Klaudia etwas von der Masse über den Schüsselrand. Mit sicherem Hundeblick hatte Balduin sie sofort als Schwachstelle erkannt und sich zu ihren Füßen niedergelassen.

»Ich hatte ja keine Ahnung.« Mit spitzen Fingern warf Petra weiteren Speck in den Fleischwolf.

Dampf waberte über die Lichtung und verlor sich im schütteren, gelben Laub der Erlen. In der Nähe des Schuppens hing ein eiserner Kessel über einer Feuergrube, in dem Schulterfleisch und Speck kochten.

Das wird die Wurst, hatte der Metzger gesagt. Die beiden Schenkers unterstützten die Kriminalbeamten des Lübbener Polizeireviers, die mit Kochen und dem Vorbereiten der Därme beschäftigt waren oder wie Klaudia und Petra aus fein gewürfeltem Schweinespeck Bindemasse für Blutwürste herstellten.

Der ideale Lebenszweck, schoss es Klaudia durch den Kopf. Die Liedzeile hatte sich in ihr festgesetzt wie der tranige Geruch von gekochtem Fleisch in ihrer Jacke. Mit einem konspirativen Schnaufen meldete sich der Hund zu ihren Füßen, und Klaudia beförderte einen weiteren Klecks passierten Specks über den Schüsselrand.

»Ob PH das im Führungsseminar an der FH POLgelernt hat?« Wie alle Kollegen kannte Klaudia nur die englisch ausgesprochene Abkürzung. Pi Aitsch. Der Vorname ihres Chefs war das Geheimnis des Lübbener Polizeireviers. Klaudia hob die Hand, um eine Haarsträhne unter das Haarnetz zu schieben. Gerade noch rechtzeitig fiel ihr ein, dass sie gerade den Hund gefüttert hatte, und so pustete sie die Haarsträhne zur Seite.

»Meinst du wirklich?« Die blassgraue Masse stockte.

Klaudia seufzte verstohlen. Petra war zwar eine Seele von Mensch und sie hatte auch einen ziemlich derben Sinn für Humor. Allerdings war Ironie an sie verschwendet. Natürlich glaubte Klaudia nicht, dass irgendein Dozent der Fachhochschule der Polizei ihrem Chef geraten hatte, mit seinem Team Wursten zu gehen. Aber seit er im Sommer ein Personalführungsseminar für leitende Beamte besucht hatte, gehörten zu seinem Vokabular Begriffe wie teambildende Maßnahmen und Mitarbeiterführung. Und dass sie nun hier auf der Lichtung standen, war eine direkte Folge davon.

»Eine Leiche wäre mir lieber gewesen.« Klaudia schaute zu den männlichen Kollegen. Während PHvoller Enthusiasmus in dem großen Topf rührte und dabei mit dem Metzger plauderte, gönnte Frank sich eine Zigarettenpause auf dem Anleger der Hütte. Seit dem 1. Oktober waren seine Zeiten als Geheimwaffe aus Königs Wusterhausen gezählt, und er gehörte offiziell zum Team der Kripo Lübben. Nachdem er und Klaudia im Frühjahr einen denkbar schlechten Start miteinander gehabt hatten, verstanden sie sich nach ihrem letzten Fall recht gut.

»Ist dir eine halbe Sau nicht tot genug?«, fragte Petra.

So viel zum Thema verschwendete Ironie, dachte Klaudia. »Was soll man da ermitteln?«, entgegnete sie. »Selbstmord und natürlicher Tod scheiden ja wohl aus.« »Willst du den Metzger verhaften?« Petra kicherte bei der Vorstellung.

»Und weshalb wollt ihr meinen Bruder verhaften?« Jana stellte ein Tablett mit gut gefüllten Schnapsgläsern auf die freie Fläche neben dem Fleischwolf. »Bedient euch.«

»Schön habt ihr's hier«, sagte Petra.

»Ja.« Jana schaute sich ebenfalls um. »Mario hat eine Menge Zeit und Geld reingesteckt, um alles wieder herzurichten.«

»Was war das hier? Eine Jagdhütte?« Klaudia musterte das lang gestreckte Holzgebäude, vor dem sie standen.

»Nein«, antwortete Jana. »Meine Familie hat hier bis zur Wende Kähne gebaut.« Sie griff in die Kitteltasche und holte ihr Handy raus. Ihr Daumen wanderte über das Display. Klaudia glaubte schon, dass sie ihr Bilder zeigen wollte, aber Jana steckte es mit einem ungeduldigen Seufzen zurück.

»Kein Netz?«

»Leider.« Für einen Moment wirkte Jana besorgt, aber dann straffte sie die Schultern.

»Ich kann dir meins geben.« Klaudias Smartphone brachte es immerhin auf zwei Balken. Wenn auch nur intermittierend.

»Nicht nötig.« Jana lächelte wieder. »Wollt ihr mal schauen?« Sie blickte von Klaudia zu Petra. »Wir vermieten auch. Alles komplett eingerichtet.«

»Später vielleicht.« Klaudia hatte wenig Lust, eine Ferienwohnung zu besichtigen. »Steckt bestimmt viel Herzblut drin«, fügte sie hinzu, um ihrer Ablehnung die Schärfe zu nehmen.

»Ja.« Jana Schenker sah zu ihrem Bruder, der mit einem langen Stecken im Wurstkessel rührte. »Er liebt diesen Ort. Ich glaube, er hätte auch gerne Kähne gebaut.« Sie lächelte versonnen. »Aber man kann halt nicht immer machen, was man gerne möchte.«

»Wem sagst du das.« Klaudia dachte an ihr warmes Bett.

»Nimm dir einen«, forderte Jana sie auf. »Hilft gegen die Kälte.«

Warum nicht, dachte Klaudia. Sauf ich mir den Tag halt schön. Sie zog die Handschuhe von den Fingern und nahm sich ein Schnapsglas. Misstrauisch schnupperte sie daran.

»Keine Angst.« Jana Schenker nahm ebenfalls ein Glas vom Tablett. »Wir vergiften euch jetzt nicht mit Gurkenschnaps.«

»Birne, oder?« Klaudia atmete den Duft nach sommerwarmer Birne ein. So kann man sich täuschen, dachte sie, weil sie Jana für Marios Frau gehalten hatte. Doch jetzt, wo sie wusste, dass sie Geschwister waren, fiel ihr auch die familiäre Ähnlichkeit auf. Beide Schenkers waren eher kräftig gebaut und hatten dünne, mehr dunkle als blonde Haare und rote Wangen, wie Menschen, die viel an der frischen Luft waren. »Das mit dem Verhaften war übrigens ein Scherz.« Sie prostete Jana zu.

»Wegen dem toten Schwein«, ergänzte Petra.

»Ich verstehe.« Jana reichte Petra, die nun ebenfalls die Handschuhe ausgezogen hatte, ein Schnapsglas. »Aber ihr müsst euch darüber keine Sorgen machen. Die Sau hatte ein wirklich gutes Leben und bis zum Schluss keinen Stress.« Jana erzählte noch eine ganze Menge mehr übers Schlachten, und dass die Schweine bis zur letzten Sekunde in ihrer vertrauten Umgebung seien und keine Ahnung hätten, was sie erwartete. Nicht so wie in den Großschlachtereien, fügte sie hinzu, wo die Schweine schon auf dem Transport Todesängste ausstehen würden.

»Das mag alles sein«, sagte Klaudia, als Jana kurz innehielt, um Luft zu holen. Aber, hatte sie hinzufügen wollen, das war nicht unser Thema. In einer ihrer Hirnwindungen lauerte auch noch ein Scherz, der Jana das Absurde der Situation erklärt hätte. In der Theorie war also alles ganz einfach, aber tatsächlich kam nichts davon über ihre Lippen, sondern sie fragte: »Ist dieser Verrat nicht viel schlimmer?«

In dem Moment, in dem der Gedanke ausgesprochen war, wusste sie, dass sie sich gerade keine Freunde machte. Petra schüttelte den Kopf, als sich ihre Blicke begegneten.

»Wie meinst du das?« Jana nahm das Tablett wieder auf und musterte Klaudia mit der geschulten Geduld einer Verkäuferin im Umgang mit zickigen Kundinnen.

Was sie dachte, stand ihr jedoch in Leuchtbuchstaben auf die Stirn geschrieben: Wieder so eine, die glauben will, dass Fleisch auf Bäumen wächst.

»Ich weiß nicht.« Klaudia kam sich ziemlich dämlich vor, doch jetzt war es für einen Rückzieher zu spät. »Aber ich frage mich schon, wie das sein muss«, sagte sie. »Ich meine, für beide Seiten.«

Klaudia sah den steinigen Weg und die hohen Mauern der Sackgasse, in die sie preschte, konnte aber nicht mehr bremsen. »Wie sich das anfühlt, ein Wesen, das dir blind vertraut, zu töten.« Fast flüsternd fuhr sie fort: »Oder wenn du im letzten Augenblick deines Lebens merkst, dass du dem falschen Menschen vertraut hast.« Sie starrte auf ihr Glas und merkte erst am Zittern ihrer Finger, dass sie über sich selbst sprach.

Petras Arm legte sich um ihre Schultern.

Entschuldigend schaute Klaudia zu Jana Schenker, doch die starrte aufs Fließ.

Klaudia drehte sich um und starrte ebenfalls auf das Boot, das aus dem Nebel glitt.

CHAPTER 2

Er war also wieder da. Sie hatte gewusst, dass er kommen würde, als sie seinen Namen in der Todesanzeige gelesen hatte. Sie hatte sich eingeredet, dass es ihr gleichgültig sei. Es war so lange her. Ihr Leben war weitergegangen. Und sie hatte geglaubt, es sei ein gutes Leben.

Doch mit jedem Tag, den die Beerdigung näher rückte, war die Unruhe in ihr gewachsen. Und dann hatte sie ihn gesehen. Einfach so aus dem Nichts war er aufgetaucht, und sein Anblick traf sie wie ein Faustschlag in den Magen. Alles war auf einmal wieder da. Unwillkürlich presste sie die Hand gegen den Mund und konnte doch den Blick nicht abwenden. Er hatte sich nur wenig verändert. Natürlich waren die Jahre auch an ihm nicht spurlos vorübergegangen. Doch sie hatten ihm nicht geschadet, im Gegenteil, sie hatten ihm so etwas wie Patina verliehen: Sein Gesicht und seine Augen sahen aus, als hätte er die letzten zwanzig Jahre in die Sonne geblickt. Seine Haare waren heller und kürzer als früher. Sehr viel kürzer. Und kräftiger war er auch geworden. Nicht im Sinne von dick, wie die anderen Männer seines Alters, sondern eher im Sinne von kraftvoll. Nur der Blick war gleich geblieben, auch wenn die Augen jetzt von einem Netz aus Falten umgeben waren. Sein frostblauer Blick, den nichts erschüttern konnte, strich teilnahmslos über sie hinweg. Er erkannte sie nicht, und dafür war sie dankbar. Er sollte sie nicht so sehen, trotzdem war sie versucht, die Hand nach ihm auszustrecken. Sie war selbst überrascht von ihrer Gier: Sie wollte ihn sehen, spüren, schmecken. Es sollte sein wie früher und die letzten zwanzig Jahre fortspülen. Egal wie viel er gesehen und erlebt hatte. Sie würde es auslöschen. Sie hatte so lange darauf gewartet. Jeden verfluchten Tag. Das begriff sie jetzt. Auch wenn das Leben weitergegangen war, hatte sie gewartet.

›Weitergegangen war‹: was für eine abgedroschene Phrase. Sie hatte kein Leben gehabt, das weitergehen konnte, sie hatte existiert, mehr nicht. Sie sah seine sehnigen Hände und fragte sich, wie viele Frauen diese Hände seit damals gestreichelt hatten? Wie viele Brustwarzen sich unter seinen Fingerspitzen aufgerichtet hatten? Wie vielen Mündern diese Hände ein begehrliches Stöhnen entlockt hatten? Seine Hände waren wie die Drogen, mit denen sie damals experimentiert hatte.

Sie wandte sich ab. Sie hatte so lange gewartet, jetzt kam es auch nicht mehr auf einen Tag an. Wärme stieg in ihr auf. Wie konnte es sein, dass ihr Herz noch immer atemlos schlug, wenn sie nur an ihn dachte? Er war nicht der erste und auch nicht der letzte Mann gewesen, mit dem sie geschlafen hatte, obwohl sie wünschte, es wäre so. Doch in diesem Moment erinnerte sich ihr Körper mit einer Macht an ihn, die sie taumeln ließ.

Frank hatte sie gelehrt, dass miteinander schlafen mehr war als schwitzen und keuchen, und dann war er fortgegangen, bevor sie es ihm sagen konnte. Einfach so verschwunden. Die Leute hatten geredet, doch das war ihr egal gewesen. Sie hatte sich in ihrem Schmerz vergraben und seinen Sohn geboren, den er nicht kannte. Noch nicht kannte.

Sie stolperte über ihren Schmerz, und auf einmal wusste sie, wo sie auf ihn warten würde.

CHAPTER 3

Der Bug des Polizeibootes stieß dumpf gegen den Anleger, dann drehte es bei. Balduin kläffte sich die Kehle aus dem Hals. Irgendwie wusste sein Hundehirn, dass diese Fremden keine Gäste waren.

»Beißt der?« Thang warf Demel das Tau zu.

»Ich schließ ihn ein.« Der Metzger griff nach dem Halsband und zerrte den Hund in den Schuppen. Sofort gesellte sich zu dem Kläffen das Geräusch von kratzenden Pfoten.

»Ihr kommt zu früh!«, rief PH, der immer noch im Kessel rührte. »Die Würste simmern noch.«

»Danke, aber ich habe schon gefrühstückt.« Thang hechtete mit einem eleganten Sprung über die Reling. Allerdings verzog er bei der Landung schmerzhaft das Gesicht. Ganz in Ordnung war sein Bein wohl doch noch nicht. Um seine Augen lagen Schatten, als würde er zu wenig schlafen. Was erstaunlich war, weil sich im Moment selbst die Rechten sehr ruhig verhielten und die Arbeit der Kripo Lübben im Wesentlichen aus Nichtstun bestand.

»Was ist los?« Klaudia trat zu Thang auf den Anleger. Unwillkürlich flüsterte sie. Schon als der Bug des Polizeibootes aus dem Nebel auftauchte, hatten sich ihre Nackenhaare aufgestellt. Und sie war sich sicher, dass auch PHs witziger Spruch eher eine Warnung an die Kollegen war, so nach dem Motto: Vorsicht, Bürger in Hörweite.

Und als jetzt auch noch Wibke an der Reling auftauchte, wusste Klaudia, dass die Saure-Gurken-Zeit vorbei war. Ich hätte mir etwas anders wünschen sollen, dachte sie, verdrängte den Gedanken jedoch sofort wieder. Nicht gedankenlos ausgesprochene Wünsche töteten, sondern Menschen. Die Spusikollegin trug eine kanariengelbe Regenjacke und hatte sich die Kapuze tief ins Gesicht gezogen.

»Wenn die Kripo schon mal einen Ausflug macht«, witzelte sie und sprang ebenfalls auf den Anleger. Doch ihre Stimme klang angestrengt. Wahrscheinlich gehörte ihre Bemerkung in die Kategorie Adrenalinscherze, die man – kaum ausgesprochen – am liebsten verschlucken würde. Balduins Kläffen verstummte, entweder hatte er aufgegeben oder einen Ausgang gefunden, und für einen Moment war nur das Prasseln des Feuers zu hören.

»Sind Sie Frau Schenker?« Thang trat zu Jana. Der schmale halbvietnamesische Kollege wirkte zierlich, wie er so vor der eher kräftig gebauten Frau stand, trotzdem wich sie einen Schritt zurück.

»Ist was mit Daniel?«, flüsterte sie. »Ich hab die ganze Zeit versucht, ihn zu erreichen.« Sie brach abrupt ab. Klaudia und Petra waren gleichzeitig bei ihr und stützten sie.

Sag was, versuchte Klaudia mit ihren Gedanken Thang zu erreichen. Und als hätte er sie gehört, räusperte er sich.

»Er wurde niedergeschlagen.«

»Niedergeschlagen?«, wiederholte Jana. »Aber warum denn?«

»Das wissen wir nicht.« Thang hob die Schultern und ließ sie entschuldigend fallen.

»Hat Daniel nichts gesagt?«, fragte Jana. »Wo ist er überhaupt? Geht's ihm gut?« Mit jeder Frage wurde ihre Stimme schriller. Der Hund jaulte jetzt wieder, als spürte er ihre Panik.

»Er ist im Krankenhaus in Cottbus.«

»In Cottbus? Aber warum denn?«

»Weil ...« So schonend wie möglich klärte Thang die besorgte Mutter über den Zustand ihres Sohnes auf.

»Aber er wird gesund, ja?«

»Er ist bewusstlos«, wiederholte Thang.

»Ich muss zu ihm.« Jana drehte sich im Kreis, lief dann zum Anleger.

»Wenn du willst, fahre ich dich gleich hin«, sagte Klaudia und registrierte Thangs dankbaren Blick. »Aber zuerst muss der Kollege dir noch ein paar Fragen stellen.«

»Ja, natürlich.« Jana nickte: ein eifriges Kind, das nichts falsch machen wollte.

»Wir haben einen Hinweis vom Staatsschutz bekommen, dass auf der Klingeweide eine Techno-Party stattfinden würde, die ein paar Rechte aufmischen wollten.«

»Das war er also ...«, flüsterte Jana. Den Rest des Satzes übertönte Marios laute Stimme.

»Auf der Klingeweide?«, fragte er.

Thang nickte.

»Aber Daniel ist kein Rechter«, warf Jana ein. »Er ist ein ruhiger Junge, kein Schläger. Er macht eine Banklehre.«

»Das mag sein«, wich Thang einer direkten Antwort aus.

(Continues…)


Excerpted from "Spreewaldrache"
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