Skrupellos: Manager auf dem Weg in das nächste Fiasko

10 Jahre nach der Finanzkrise und 25 Jahre nach dem Erscheinen von "Nieten in Nadelstreifen" sind Verantwortungsgefühl und Vorbildcharakter noch immer Mangelware. Die Skandale um Volkswagen, Deutsche Bank,  Ergo und Co. zeigen, dass sich trotz vollmundiger Versprechen nichts geändert hat. Dieses Buch zeigt: Fehlverhalten ist der Normalzustand. Schlimmer noch: Krisen haben ihren bedrohlichen Charakter verloren. Manager nutzen sie aktiv um interne Restrukturierungen zu rechtfertigen und Forderungen in der Politik und der Öffentlichkeit durchzusetzen: Stellenstreichungen, Sparpläne, Subventionen – bei gleichzeitiger Boniauszahlung.

1129637638
Skrupellos: Manager auf dem Weg in das nächste Fiasko

10 Jahre nach der Finanzkrise und 25 Jahre nach dem Erscheinen von "Nieten in Nadelstreifen" sind Verantwortungsgefühl und Vorbildcharakter noch immer Mangelware. Die Skandale um Volkswagen, Deutsche Bank,  Ergo und Co. zeigen, dass sich trotz vollmundiger Versprechen nichts geändert hat. Dieses Buch zeigt: Fehlverhalten ist der Normalzustand. Schlimmer noch: Krisen haben ihren bedrohlichen Charakter verloren. Manager nutzen sie aktiv um interne Restrukturierungen zu rechtfertigen und Forderungen in der Politik und der Öffentlichkeit durchzusetzen: Stellenstreichungen, Sparpläne, Subventionen – bei gleichzeitiger Boniauszahlung.

18.99 In Stock
Skrupellos: Manager auf dem Weg in das nächste Fiasko

Skrupellos: Manager auf dem Weg in das nächste Fiasko

by Nicolas Lieven
Skrupellos: Manager auf dem Weg in das nächste Fiasko

Skrupellos: Manager auf dem Weg in das nächste Fiasko

by Nicolas Lieven

eBook1. Auflage (1. Auflage)

$18.99 

Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers

LEND ME® See Details

Overview

10 Jahre nach der Finanzkrise und 25 Jahre nach dem Erscheinen von "Nieten in Nadelstreifen" sind Verantwortungsgefühl und Vorbildcharakter noch immer Mangelware. Die Skandale um Volkswagen, Deutsche Bank,  Ergo und Co. zeigen, dass sich trotz vollmundiger Versprechen nichts geändert hat. Dieses Buch zeigt: Fehlverhalten ist der Normalzustand. Schlimmer noch: Krisen haben ihren bedrohlichen Charakter verloren. Manager nutzen sie aktiv um interne Restrukturierungen zu rechtfertigen und Forderungen in der Politik und der Öffentlichkeit durchzusetzen: Stellenstreichungen, Sparpläne, Subventionen – bei gleichzeitiger Boniauszahlung.


Product Details

ISBN-13: 9783843718608
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 10/12/2018
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 336
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Nicolas Lieven (*1968) ist Wirtschafts- und Politikredakteur beim NDR. Davor hat er lange als Redakteur bei der Financial Times Deutschland und als Medientrainer gearbeitet. Seit rund 15 Jahren ist er Kolumnist bei Radio Eins (RBB).

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Zügellos statt kontrolliert

»Die Macht der Finanzmanager ist ungeheuer. Und sie hat nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers Millionen von Menschen ins Elend gestürzt. Und wir haben es geschehen lassen. Und wir haben bisher nichts Durchgreifendes zustande gebracht.«

Helmut Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler, auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2014

Der Stoff ist so spannend, dass sich selbst Hollywood damit befasste. Im Jahr 2015 kam The Big Short in die Kinos – mit Starbesetzung: Brad Pitt, Christian Bale, Ryan Gosling.

Frühjahr 2008. Noch deutet nichts auf den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers hin. Noch wird mit sogenannten Subprime-Krediten in den USA viel Geld verdient. Hypothekenbanken und Immobilienfinanzierer haben über Jahre hinweg jedem noch so bettelarmen Habenichts einen hohen Hauskredit zu scheinbar günstigen Konditionen aufgeschwatzt. Die Branche spricht von »Ninja-Krediten«: »no income, no jobs, no assets«. Übersetzt: kein Einkommen, keine Arbeit, kein Vermögen. Für einen Kredit in sechsstelliger Höhe reicht es aber trotzdem. Das alles passiert mit Wissen der US-Politik, die das Ganze sogar weiter forciert. Sie will den amerikanischen Traum des weißen Mittelstands aufrechterhalten. Jeder soll vom wirtschaftlichen Aufstieg profitieren können. Jeder soll Vermögen anhäufen können. Jeder soll sich sein Haus leisten können. Die beiden größten Hypothekenfinanzierer Fannie Mae und Freddie Mac haben praktisch den staatlichen Auftrag, die Geldschleusen zu öffnen, Häuser zu finanzieren und so bei den wichtigen Mittelklasse-Wählern für Ruhe zu sorgen. Es funktioniert – zumindest eine Zeit lang. Die amerikanische Wirtschaft ist stark, die Arbeitslosigkeit niedrig, die Zinsen ebenso. Kaum jemand äußert Zweifel daran, dass das immer so weitergeht. Ebenso viele glauben daran, dass die Zinsen weiter sinken werden. Auch deshalb erleben Darlehen mit variablem Zinssatz einen Boom.

Variabel heißt: Jeden Monat werden die Zinsen neu berechnet, angepasst unter anderem an die Leitzinsen der US-Notenbank, die aktuellen Kalkulationen der Finanzinstitute, die Nachfrage nach Immobilien und die Wirtschaftslage. Das ist gut in einer Zeit, in der die Zinsen tendenziell sinken und der Schuldner Monat für Monat weniger zahlen muss. Verheerend sind variable Zinsen allerdings für Kreditnehmer, sobald die Zinsen steigen. Denn dann verlangt die Bank Monat für Monat mehr Geld. Doch daran will vor Ausbruch der Finanzkrise keiner der gutgläubigen Verbraucher denken, zumal ja auch niemand auf die Risiken aufmerksam macht. Vielmehr bestärken geschulte Bankberater ihre arglosen Kunden. Selbst der damalige Chef der USNotenbank, Alan Greenspan, gießt weiteres Öl ins Feuer. Er selbst wird später sagen, 70 Prozent seiner Entscheidungen seien richtig gewesen. 30 Prozent hätten zur Krise beigetragen.

Der Mann mit der schwarzen Aktentasche und der dicken Hornbrille rechnet den Kreditnehmern mit festen Hypothekendarlehen vor, wie viele Zehntausend Dollar sie hätten sparen können, wenn sie nur keinen festverzinslichen Kredit gewählt hätten, sondern einen mit variablen Zinsen. Aber noch sei es ja nicht zu spät. Noch könne man umschichten, lautet die Botschaft. Es wirkt. Wer kann, flüchtet aus den vermeintlich teuren – wenn auch sicheren – Verträgen, rein in die variablen Darlehen, die günstige Raten und ein gut situiertes Leben versprechen. Und wer sein eigenes Haus bereits abbezahlt hat und keinen Kredit mehr benötigt, der beleiht seine Immobilie, um dann das viele frische Geld für sich an der Börse arbeiten zu lassen. So wird aus nutzlos dahinsiechenden Holz- und Betonheimen eine private Zentrale zum Gelddrucken, ein persönliches Finanzinstitut. Behaupten zumindest die Banken, und die müssen es ja wissen! Oder?

Je schlechter die Kreditwürdigkeit, desto günstiger der Preis

Eins wissen die Finanzinstitute jedenfalls haargenau: dass hinter diesen Krediten Menschen stecken, die weder das Know-how haben, um die Risiken abzuschätzen, noch die finanziellen Mittel, um einen Rückschlag wegzustecken. Überwiegend handelt es sich um Leute, die alles verlieren werden, sobald die bis dato positiven Wirtschafts-, Zahlungs- und Zinsbedingungen abzuschmieren beginnen. Es sind Menschen, die eigentlich nicht kreditwürdig sind und sich von großen Schildern an den Highways haben locken lassen. Und weil die Geldinstitute das alles wissen, bündeln sie ihre Wackelkandidaten in Pakete, die sie dann anderen Geldhäusern und Finanzjongleuren anbieten. Der Deal: »Hier ist ein geschnürtes Bündel von Schuldnern. Gib mir einen Teil der ausstehenden Kredite und mach mit dem Rest, was du willst.«

Auf dem Papier sind für die Banken und Investoren als Käufer der gebündelten Kredite bis zu 50 Prozent drin, sofern alle Kreditnehmer zahlen. Je nach Risiko und Einstiegspreis mitunter auch noch mehr. Kommt immer darauf an, wie arm die Schlucker sind, die hinter den Kreditpapieren stecken. Ob sie am Ende tatsächlich zahlen, ist an den Finanzmärkten erst einmal unwichtig. Wichtig ist, dass ein neuer Markt mit hohen Renditen entsteht. Es zählt die Aussicht, die Gewinnerwartung, die Hoffnung. Das ist es auch, was in den Büchern der Käufer steht: nicht der Kaufpreis, nicht das Risiko, sondern der erhoffte Ertrag. Für die Bilanz brillant, weil sich die Investition sofort positiv auswirkt – wenn auch nur auf dem Papier.

Und fast alle machen mit: Banken, Versicherungen, Fonds, Immobilienfinanzierer, sogar deutsche Finanzinstitute springen auf den Zug auf, so ziemlich als Letzte. Nach dem Motto »Dabei sein ist alles«, und der Herdentrieb verstärkt diese Entwicklung. Das gilt auch für deutsche Banken, selbst Landesbanken, angelockt von den hohen Renditen und den großen USInvestmenthäusern. Aber Letztere spielen schon da zum Teil mit gezinkten Karten. Denn während die großen US-Finanzplayer noch für die Subprime-Kredite werben, bringen sich einige wenige hinter den Kulissen heimlich, still und leise in Sicherheit. Sie werden am Ende der Krise als Gewinner dastehen, weil sie zwar über mehr als ein Jahrzehnt genauso skrupellos agiert, im Gegensatz zu den Losern aber rechtzeitig die Reißleine gezogen haben. Clevere Kerle, was?

Über Jahre hinweg bildet sich diese Hypothekenblase. Vereinzelt wird über ein Platzen spekuliert, über die Gefahren eines Zusammenbruchs. Doch die Gier ist größer. Die meisten ignorieren die Warnungen und verpassen den rechtzeitigen Ausstieg, nicht nur Lehman Brothers. Als die Blase platzt, ist die Katastrophe nicht mehr aufzuhalten. Zu viele haben mit geliehenem Geld investiert und müssen jetzt um jeden Preis verkaufen, um ihre Schulden zu bedienen. Dennoch platzen Tausende Kredite – Kredite, die längst von den Banken in Bündeln zusammengefasst und an den Finanzmärkten gehandelt wurden. Die spätere Bezeichnung »Schrottpapiere« spiegelt den verbliebenen Wert wider: praktisch null.

An der Börse verbrennen Billionen

Die Reaktionen sind drastisch. An den Finanzmärkten brechen weltweit die Börsen ein, vom Dow Jones in New York über den Deutschen Aktienindex in Frankfurt bis zum Nikkei in Tokio. In den kommenden Monaten verlieren die Indizes bis zu 30 Prozent. Hunderte Milliarden Dollar werden an der Börse verbrannt. Im September 2009 markiert die Finanz- und Wirtschaftskrise dann ihren Höhepunkt. Die Commerzbank veröffentlicht kurz darauf eine Studie mit den geschätzten Schäden und der Verteilung der Kosten (siehe Abbildung 1).

Das kapitalistische System steht vor dem Kollaps – weltweit. Denn die Ansteckungsgefahr ist immens, weil fast alle Banken miteinander vernetzt sind. Die Folge: Notenbanken und Regierungen greifen praktisch über Nacht ein und retten, meist mit Steuergeldern, die vor dem Zusammenbruch stehenden Banken. In Deutschland schnürt die Bundesregierung ein Rettungspaket über 480 Milliarden Euro, wie es heißt, zur »aktuellen Gefahrenabwehr«. Binnen zwei Jahren stellen dieEUStaaten fast 5 Billionen Euro bereit – in Ziffern: 5 000 000 000 000 Euro. In Deutschland steigt der Betrag auf über 600 Milliarden Euro; 260 Milliarden Euro davon werden tatsächlich in Anspruch genommen. Mit dieser Summe werden in der Bundesrepublik unter anderem die Commerzbank, die IKB Düsseldorf, die Hypo Real Estate, die West LB und die HSH Nordbank gestützt, gerettet oder noch eine Zeit lang am Leben gehalten.

Von den Bankmanagern ist in dieser Zeit wenig zu hören. Die Schuldfrage bleibt in der Regel an Einzelpersonen hängen, wenn überhaupt. Wohl auch deshalb, weil die Investmentabteilungen und Investmentbanker über Jahre hinweg für hohe Renditen gesorgt haben und Sonderstatus genießen. Bis heute fällt es Banken schwer, ihre Zockerabteilungen an die Leine zu nehmen oder auszugliedern, um zu verhindern, dass andere Bereiche mit in den Abgrund gezogen werden, wenn die nächste Krise kommt. Über Jahre hinweg ist unter anderem auch der Deutschen Bank diese Trennung nicht gelungen. Vielleicht auch deshalb, weil bis heute klare rechtliche Vorgaben fehlen, die eine Trennung vorschreiben, und zwar zwischen dem Privatkundengeschäft auf der einen und dem Investmentbanking auf der anderen Seite. Ziel müsste es sein, die privaten Einlagen zu schützen, wenn auf der Jagd nach Rendite ge- und verzockt wird. Doch dazu schweigt die Politik.

Und so droht bei einer erneuten Finanz- und Bankenkrise ein ähnliches Szenario wie 2008: Privatkunden laufen Gefahr, mit in den Abgrund gerissen zu werden. Und Banken haben alle Argumente in der Hand, um die Politik unter Druck zu setzen und zu erpressen. Dabei hatte die Politik vor fast zehn Jahren versprochen:

»Das wird es in Zukunft nicht mehr geben.«

Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Berliner Runde im ZDF am 19. 10. 2009

Ein Versprechen, das nach Ansicht von Bernhard Emunds, Professor für christliche Gesellschaftsethik und Sozialphilosophie an der Hochschule St. Georgen, nie erfüllt wurde. Sein Kommentar zum Statement der Kanzlerin: »Genau das ist nicht gekommen.« Aber es schert sich heute auch niemand darum. Die Konjunktur läuft, in Deutschland herrscht nahezu Vollbeschäftigung. Und doch gibt es noch immer dieses »Die-daoben-und-wir-hier-unten«-Gefühl: Die da oben machen weiterhin, was sie wollen. Wir hier unten können ja doch nichts ändern. Nur ein Gefühl? Zehn Jahre danach stellt sich nun also die Frage: Haben die damalige Wirtschafts-, Finanz- und Bankenkrise oder eine der folgenden Pleiten, Verfehlungen und Managementdebakel zu einem Umdenken geführt? Bei den politischen Entscheidern? Bei den Topmanagern? Innerhalb der beteiligten und nicht beteiligten Konzerne und Unternehmen? Bei den Verbrauchern? Wurde tatsächlich rückhaltlos aufgeklärt? Wurden wirklich geeignete Maßnahmen ergriffen, um erneute Krisen zu verhindern? Wurden die Schuldigen ausnahmslos benannt und bestraft? Haben die angekündigten Systemwechsel in der Tat stattgefunden? Werden die Bürger inzwischen besser vor Risiken an den Finanzmärkten geschützt?

Alles anders, alles besser?

Neue Krisen sind keine Frage des Ob, sondern des Wann. Weil zu viele vor dem, was sich zusammenbraut, die Augen verschließen. Denn auch wenn die Finanzjongleure gerne auf kompliziertere Rahmenbedingungen verweisen und auf strengere Bankenregeln – vergessen Sie's. Es ist nichts passiert, was nachhaltig vor schweren Krisen, folgenreichen Fehlentscheidungen oder Dilettantismus schützen könnte! Lediglich ein paar mehr Dokumente hier, größere Risikorücklagen da, eine andere Bilanzierung dort. Banken müssen heute zum Beispiel mehr eigenes Kapital vorhalten, um Krisen besser abfedern zu können. Doch das wird im Ernstfall nicht reichen. Denn nach wie vor gibt es zahlreiche sogenannte systemrelevante Banken. Also zu große Banken, zu vernetzt, zu wichtig, als dass man sie untergehen lassen könnte, ohne das Finanzsystem zu gefährden.

Das aber darf nicht sein. Wenn der Zusammenbruch einer Bank das ganze System ins Wanken bringen kann, ist das aus zweierlei Sicht untragbar: Das Institut erhält einen Freibrief für künftige Fehlleistungen, und das Wohl des Finanzsystems ist abhängig von Entscheidungen einzelner Unternehmen und deren Führungspersonal. »Systemrelevanz« darf kein Wert an sich sein. Jede Bank, jede Versicherung, jeder Konzern muss das Recht und die Möglichkeit haben unterzugehen.

Stattdessen ist ein Zusammenbruch von Deutscher Bank, Commerzbank oder gar J. P. Morgan und Citigroup weiterhin undenkbar. Sie sind »too big to fail« – zu groß, um sie pleitegehen zu lassen. Die Finanzströme sind heute so vernetzt wie nie zuvor, und die Politik hat Angst vor den Konsequenzen einer drohenden Pleite, vor langen Schlangen an den Bankschaltern, vor Panik in der Bevölkerung. Zudem ist bis heute nicht geklärt, wie im Fall der Fälle eine Pleite ablaufen soll. Zwar hat heute fast jedes große Institut ein sogenanntes »BankenTestament«, eine Art Notfallplan, um Banken bei einer Pleite unfallfrei abzuwickeln. Was aber passiert, wenn es Streit ums Erbe gibt? Darum, wie der Kuchen aufgeteilt werden soll, wer was erhält und vor allem wer wofür geradestehen muss? Das alles ist bis heute nicht geklärt. Ziemlich frustriert stellte die USBankenaufsicht den Instituten entsprechend schlechte Zeugnisse für die überprüften Testamente aus, zumal einige Banken in ihre Pläne auch noch ganz unverhohlen und ungefragt staatliche Hilfen einrechneten – ein weiteres Beispiel für fehlende verbindliche Vorgaben etwa zum Fundament, dem Eigenkapital, der Risikovorsorge. Schließlich können Bürger mit ihrem Letzten Willen auch nur das vererben, was da ist, und nicht das, was sie gerne von der Schwiegermutter noch hätten.

Tausende Seiten geduldiges Papier

Außer Aktionismus und öffentlicher Augenwischerei ist in den vergangenen Jahren wenig geschehen, allen Bekundungen zum Trotz. Ein Beispiel dafür ist eines der neueren Werke: MiFID II – Markets in Financial Instruments Directive. Übersetzt: Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente. Autor ist die europäische Aufsichtsbehörde ESMA. Rund sieben Jahre hat die Geburt der neuen Finanzrichtlinie gedauert. Allein das zeigt schon, wie an dem Paket gezerrt wurde. Ziele sind – wie immer – mehr Fairness, mehr Transparenz, mehr Vertrauen, mehr Sicherheit, mehr Anlegerschutz, mehr Interventionsmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden. Herausgekommen sind vor allem 7000 Seiten sehr geduldiges Papier. Nur zum Vergleich: Die Steuergesetzgebung für Unternehmen in Deutschland umfasst laut Weltbank 1700 Seiten, und die neueste Luther-Übersetzung der Bibel kommt auf gut 1500 Seiten.

Ein Beispiel aus MiFID II, das sich zwar gut anhört, aber wenig bringt: Gute Tipps von Analysten auf Aktien und andere Wertpapiere können Gold wert sein. Wie die Analysten zu ihren Einstufungen kommen, bleibt in der Regel deren Geheimnis. Daran wird sich auch künftig nichts ändern. Was sich ändert, ist der Preis dafür. Denn bislang haben Analysten ihr Urteil an Profianleger meist gratis weitergegeben. Mit MiFIDII sollen diese Tipps nun Geld kosten. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass der Analyst Aktien nur deshalb empfiehlt, weil er dafür hohe Provisionen kassiert. In der Vergangenheit gab es zum Beispiel für Anlagen in Schiffsfonds bis zu 14 Prozent Provision, also beispielsweise 14000 Euro Provision für 100000 Euro Geldanlage. Für viele Anleger mündete das Abenteuer in die Containerschifffahrt in einem Totalverlust. Dem Banker war's egal, der hatte seine Provision längst kassiert. Künftig soll es also schon Geld für den Tipp geben. Ob sich damit die Provisionsgier bändigen lässt?

Keine Frage, die Ziele sind durchaus sinnvoll: mehr Unabhängigkeit, mehr Transparenz, mehr Nachvollziehbarkeit. Doch ob das mit MiFID IIerreicht werden kann, ist fraglich. Denn wieder einmal gibt es Berge von Ausnahmeregelungen, Karenzzeiten und Schlupflöcher. Und dann wären da noch die 7000 Seiten Papier. Und jede Menge Daten, die gespeichert, ausgewertet und überwacht werden sollen. Aber wer kann das leisten? Verstehen? Umsetzen? MiFID II? Ein »lächerliches Monster«, kommentierte ein britischer Analyst.

Ein weiteres Problem von MiFID II ist, dass die Unternehmen praktisch komplett aus der Haftung genommen werden. Denn mit den Beratungsprotokollen dokumentiert das Unternehmen, dass es den Kunden vollständig und umfassend über sämtliche Risiken, Kosten und Eventualitäten aufgeklärt hat. Als besonders begehrt gilt dabei die Unterschrift des Kunden. Denn die ist gesetzlich zwar nicht vorgesehen, wird aber von den Beratern zunehmend verlangt, um sich gegen Forderungen abzusichern. Und so entsteht am Ende Verbraucherschutz zugunsten der Wirtschaft. »Kein Mensch kann innerhalb von ein paar Stunden über all das gesprochen haben. MiFID II geht völlig an den Realitäten vorbei«, kritisiert Andreas Enke, Vorstand der Geneon Vermögensmanagement AG. »Ich hatte jetzt einen Termin mit einem Kunden zur Vermögensverwaltung. 90 Minuten haben wir über Formulare gesprochen, 30 Minuten über Geld. 23 Unterschriften. Das kann doch nicht sein.« Enkes Fazit: »Hat sich etwas geändert? Nein. Es hat sich geändert, dass der Kunde die Bank nicht mehr wird verklagen können, weil die Formulare perfekt geworden sind.«

(Continues…)


Excerpted from "Skrupellos"
by .
Copyright © 2018 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin.
Excerpted by permission of Ullstein Buchverlage.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

Table of Contents

Über das Buch/ Über den Autor,
Titel,
Impressum,
Dank,
Nichts wird besser,
Zügellos statt kontrolliert,
Je schlechter die Kreditwürdigkeit, desto günstiger der Preis,
An der Börse verbrennen Billionen,
Alles anders, alles besser?,
Tausende Seiten geduldiges Papier,
Die großen Player sind zurück: too big to jail,
Heuschrecken im Casino,
Bock zum Gärtner: neues Personal im Finanzministerium,
Europäische Zentralbank: Geld im Überfluss,
Schlimmer als vor zehn Jahren,
Bescheiden statt gierig,
Einkommen: knapp 22 Millionen Euro,
Politik vs. Managereinkommen: halbherzig, zahnlos, willenlos,
Bonus: gute Idee für die Gier,
Auch 2018 wieder die Deutsche Bank,
Commerzbank: vom Staat gerettet, trotzdem abkassiert,
Weg und doch lange da: das Vermächtnis der HSH Nordbank,
Sal. Oppenheim: Ende einer Historie,
Air Berlin: Absichern gegen den Absturz,
Airbus: Stellen weg und abkassieren,
VW: Vollgas zum Bonus,
Schweiz: auch kein Vorbild,
Vermeintlich armer Schlucker: Schlecker im Nobel-Porsche,
Es geht nicht um Geld, das ausgegeben werden kann,
Aufrichtig statt unehrlich,
Der Fall Steinhoff: ohne Skrupel,
Medien- und Krisentraining: der richtige Augenaufschlag,
Sei glatt, nicht angreifbar!,
Medientraining verwerflich?,
Ehrlich unehrlich,
Gefakte Prozesse: moralisch zweifelhaft,
Das skrupellose Spiel der Wirtschaft mit Emotionen, Ängsten, Sorgen,
Husarenstück Air Berlin,
Ehrlichkeit und Studien – zwei Welten,
Schiedsgerichte und Gefälligkeitsgutachten,
Verantwortungsvoll statt machthungrig,
Vollkasko für Dilettantismus,
Mehr Verantwortung – allein durch Diversity,
Sind Frauen die besseren Männer?,
Der Mix ist gut fürs Geschäft,
Ernüchternde Zahlen,
Der Chef als emotionaler Krüppel,
Offen statt hinterhältig,
Handelspartner, Handelskonkurrent, Handelsgegner,
Was zählt, ist einzig der schnelle Erfolg,
Entwicklung stoppen, Schuld eingestehen?,
Ein-Mann-Vergehen oder Systemversagen?,
Das System dominiert,
Herr Kaiser macht auf Einzelfall,
Legal, illegal, scheißegal,
Gemeinschaftlich statt egoistisch,
Was wäre, wenn … alle ihre Steuern zahlten?,
1 000 000 000 000 Euro futsch – durch Steuertricks,
Der Trick der ganz Großen,
Heißt überführt auch nachgezahlt?,
USA setzen Maßstäbe bei der Besteuerung,
Dank Trump: Die Zeit für Steuerforderungen ist günstig,
Malta: nicht nur für Urlauber ein schönes Pflaster,
Rechnungen, Gebühren, Markenrechte,
Deutschland: nur gucken, nicht anfassen – und schon gar nicht wehtun,
Entscheidender Faktor: Steuern dominieren den Wettbewerb,
Keine erfolgreiche Maßnahme ohne Druck,
Transparenz in der EU: Bremsklotz Berlin,
Und dann wären da noch die Steuerflüchtlinge,
Ein weiterer Fall: die Panama-Papers,
Fair statt berechnend,
Spielball Politik,
Lobbyismus: lieber gleich im Ministerium statt im Bundestag,
Wir Bürger wollen es einfach,
Politiker hoffen auf gut dotierte Jobs,
Karenzzeitregelungen ohne Wert,
Marktkonforme Demokratie,
Abgeltungssteuer: Die Lobby lässt grüßen,
Finanztransaktionssteuer: keine Chance,
Grauer Kapitalmarkt: blauäugige Sparer – blauäugige Politik,
Prüfverfahren: mit Sicherheit keine Sicherheit,
Gerecht statt unfair,
Der Trick mit den Statistiken,
Befristungen trotz Fachkräftemangel,
Gleiche Arbeit – gleicher Lohn,
Mindestlohn ist kein Mindestlohn,
Flexible Ausbeutung: mobile Beschäftigte,
Digitalisierung: ein echter Jobmotor?,
Arbeitskosten vermeiden: Beispiel Ryanair,
An später denken – wer kann,
Rente ohne Sicherheit,
Gruselig, Grusi, Grundsicherung,
Riester ist gut – für die Versicherer,
Lebensversicherungen: kein Modell der Zukunft,
Respektvoll statt verächtlich,
Was heißt eigentlich Respekt?,
Respektloser Datenhandel: der Fall Facebook,
Vergleichsportale: angefixt und abgezockt,
Greenwashing: Verbraucher lieben Label,
Nur die Masse macht's,
Einsichtig statt stur,
Das Jahrzehnt der verpassten Chancen,
Krise oder lieber Neuanfang?,
Die Suche nach dem Impuls: Manager besser von außen?,
Anschluss verpasst?,
Privatisierungen und öffentlich-private Partnerschaften,
Umsichtig statt rücksichtslos,
Fluchtursachen: der Beitrag der Wirtschaft,
EPA: unfairer Freihandel,
Ressourcen: aufgeteilt unter den Mächtigen,
Unser Essen aus dem Chemielabor,
Glyphosat: ein Milliardendeal,
Palmöl geht immer,
Marktmacht schlägt Moral,
Rohstoffe: Kinderarbeit für unsere E-Autos,
Konzerne zucken nur mit den Schultern,
Jemand zahlt den Preis: Zwangsarbeiter, Häftlinge, billige Arbeitskräfte,
Häftlingsarbeit im Auftrag deutscher Konzerne,
Nachhaltigkeit: Alle wollen, alle sprechen, kaum einer investiert,
Größte Müllhalde der Erde: der Pazifik,
Es wird wieder passieren,
Erneut auf Krisenkurs,
Bis die Blase platzt,
Aufgeblähte Finanzmärkte,
Horrende Schuldenberge – ungleiche Verteilung,
Kein Auffangnetz in der Krise,
Krise auch am Immobilienhorizont – international,
Wie niedrige Zinsen die Lage am Hypothekenmarkt verschärfen,
Immobilienkrise 4.0: Vorboten in den USA,
Gier als Nährboden für Krisen: Mach Geld einfach selbst,
Ein Fazit,
Anmerkungen,
Feedback an den Verlag,
Empfehlungen,

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews