Schwarze Bucht: Neuseeland-Krimi

Neuseeland sehen und sterben

Im malerischen Städtchen Dunedin, ganz im Süden der Südinsel Neuseelands, verbringt Inspektor Parnell seinen Urlaub. Vor allem die Pinguin-Kolonien bieten ein faszinierendes Schauspiel für Touristen. Als im Nachbarzimmer seines Bed & Breakfast eine Leiche gefunden wird, ist es für Parnell jedoch mit der Ruhe vorbei. Neben der Leiche liegen nicht nur schwarze Pinguin-Federn, sondern Parnell gerät selbst unter Mordverdacht. Durch einen alkoholbedingten Filmriss kann er sich an nichts mehr erinnern. Wie soll er seine Unschuld beweisen? 

"K.C. Crowe zeichnet einen packenden Thriller vor der Kulisse Neuseelands." Bild am Sonntag

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Schwarze Bucht: Neuseeland-Krimi

Neuseeland sehen und sterben

Im malerischen Städtchen Dunedin, ganz im Süden der Südinsel Neuseelands, verbringt Inspektor Parnell seinen Urlaub. Vor allem die Pinguin-Kolonien bieten ein faszinierendes Schauspiel für Touristen. Als im Nachbarzimmer seines Bed & Breakfast eine Leiche gefunden wird, ist es für Parnell jedoch mit der Ruhe vorbei. Neben der Leiche liegen nicht nur schwarze Pinguin-Federn, sondern Parnell gerät selbst unter Mordverdacht. Durch einen alkoholbedingten Filmriss kann er sich an nichts mehr erinnern. Wie soll er seine Unschuld beweisen? 

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Schwarze Bucht: Neuseeland-Krimi

Schwarze Bucht: Neuseeland-Krimi

by K. C. Crowe
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Schwarze Bucht: Neuseeland-Krimi

by K. C. Crowe

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Neuseeland sehen und sterben

Im malerischen Städtchen Dunedin, ganz im Süden der Südinsel Neuseelands, verbringt Inspektor Parnell seinen Urlaub. Vor allem die Pinguin-Kolonien bieten ein faszinierendes Schauspiel für Touristen. Als im Nachbarzimmer seines Bed & Breakfast eine Leiche gefunden wird, ist es für Parnell jedoch mit der Ruhe vorbei. Neben der Leiche liegen nicht nur schwarze Pinguin-Federn, sondern Parnell gerät selbst unter Mordverdacht. Durch einen alkoholbedingten Filmriss kann er sich an nichts mehr erinnern. Wie soll er seine Unschuld beweisen? 

"K.C. Crowe zeichnet einen packenden Thriller vor der Kulisse Neuseelands." Bild am Sonntag


Product Details

ISBN-13: 9783843717076
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 07/06/2018
Series: Neuseeland sehen und sterben , #2
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 250
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

K. C. Crowe ist das Pseudonym eines erfolgreichen Kriminalschriftstellers. Der Autor lebt in Europa und schreibt neben Kriminalromanen Artikel für renommierte Zeitungen und Magazine. Neuseeland kennt er selbst durch mehrmonatige Reisen. Die faszinierende Landschaft und ihre Bewohner inspirierten ihn zu diesem Krimi.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Dunedin, verdammt. Langsam schichteten sich die Erinnerungsfetzen in seinem Hirn auf. Sie ergaben keinen Sinn. Er blinzelte, die verklebten Augen schmerzten. Ein warmer Lichtstrahl erleuchtete einen Streifen des abgetretenen Holzbodens.

Als ob sich die Himmelspforte einen Spalt weit öffnete, schoss es Parnell in den schmerzenden Kopf. Die Stiche im Hirn hämmerten wie die Nadel einer Nähmaschine.

Dunedin, verdammt. Whiskey, zu viel Whiskey. Zu viel schlechter Whiskey. Langsam suchten Parnells Sinnesorgane zueinander, fanden sich, umschlangen sich, tauschten Informationen aus.

Bilder, Gerüche, Geräusche, Erinnerungen. Er rekonstruierte, er musste. Auch wenn ihm dabei jedes Mal ein schmerzhafter Pfeil in die Windungen des Gehirns schoss.

Er stöhnte. Das Bett knackste. Wieder blinzelte er. Er drehte sich nach links, starrte auf die graue Wand.

Kugelschreibergekritzel. Messerritzereien. Liebesbotschaften. Schwänze. Titten. Peggy war hier. No fun. Just married.

»Glückwunsch«, krächzte Parnell, die trockenen Lippen lösten sich. Die Unterlippe riss auf. Mit der Zungenspitze betastete Parnell den Riss im Fleisch. Er schmeckte Blut, er schluckte, das Blut befeuchtete den ausgetrockneten Rachen.

»Verdammt«, krächzte Parnell erneut. »Dieser verfluchte Whiskey.«

Dabei hatte alles mit Bier angefangen. Parnell hasste Bier. Bier war wie ein verdammtes Kinderpflaster mit bunten Schmetterlingen drauf, wenn man von Kugeln durchlöchert am Verbluten war. Aber im Zug nach Dunedin hatte es keinen harten Stoff gegeben. Parnell versuchte, die Erinnerungsfetzen in die richtige Reihenfolge zu bringen. Der Anfang war einfach. Weg aus Auckland! Das war sein einziges, örtlich undefiniertes Ziel gewesen. Weg aus dieser verhasst-geliebten Scheißstadt, seiner Scheißstadt.

Weg von allem. Von der Erinnerung. Von der Liebe, vom Schmerz. Weg von Sister Gold. Dem kalten Stück, das er mit seiner Liebe gewärmt hatte, an deren zarter Haut er sich zu wärmen versucht hatte. Verdammtes Strohfeuer. Kaltes Stück Seele im Frauenpelz.

Elizabeth, oh, Elizabeth.

Dunedin. Auf die Stadt im Süden war seine Wahl gefallen. Weiter weg ging nicht. Zumindest nicht, wenn man einen verdammten Flieger vermeiden wollte. Und das wollte Parnell unbedingt. Er hatte keine Lust auf die Welt da oben, weiter oben am Globus. Er wollte ihr abhandenkommen, der Welt. Wo, wenn nicht im rauen Süden? Jetzt, am Ende des Sommers, wenn hier unten die Tage dunkler wurden, die Temperaturen fielen, die Winde auflebten, die Winde, welche die kalte Luft vom Ende der Welt herüberbliesen, vom Eis der Antarktis, vom kalten, dunklen, weißen Pol.

Vier Wochen Urlaub. Vier Wochen ohne Büro, ohne Einsatz, ohne Einsatzwagen, ohne warmem Blut auf brühend heißem Asphalt.

Die Reise von Auckland mit dem Bus über die Nordinsel, mit der Fähre über die Cook Strait, dann endlich, der romantische Teil, mit dem Zug die Ostküste der Südinsel entlang bis hinunter nach Dunedin. Das alles dauerte zwei Tage. Er hatte sich die Zugfahrt anders vorgestellt. Wie er sich immer alles anders vorstellte, anders, als es dann tatsächlich stattfand.

Verdammte Vorstellung einer Kitschversion des Lebens.

Das Pfeifen der Lok, der Rauch, der vom Fahrtwind wie loses, schwarzes Mädchenhaar über die Waggons hinweg nach hinten gezogen wird.

Er hatte sich eine romantische Orient-Express-Zugfahrt à la Agatha Christie vorgestellt. Das Zischen, das Rattern der Waggonräder, das Schnaufen der Lok wie das Schnauben von Pferden.

Speisewaggontische mit blendend weißen Tischtüchern überzogen. Kellner in Frack und Windsorknoten. Whiskey, reichlich guter, alter, teurer Whiskey.

Nix da. Nada. Parnell hatte sich in einem modernen Science-Fiction-Zug wiedergefunden. Kein Rattern. Der Zug schlich. Er schien zu schweben. In Kampfjettempo. Die Aussicht: Dschungel, Buchten, Meer, Sand, Dschungel. Grün, Blau, Gelb, Grün. Kein Whiskey. Bier. Gekühlt.

Das Bett knackste erneut. Parnell war wieder im Hier und Jetzt. Für Sekundenbruchteile hatte der Schwenk in die jüngste Vergangenheit sogar das erbarmungslose Pochen im Hirn verdrängt. Er drehte sich stöhnend auf den Rücken. Die Matratze über ihm wölbte sich bauchförmig nach unten.

Er war nicht allein. Er hatte das billigste Zimmer gebucht. Warum für komatösen Schlaf Geld ausgeben, wenn einem dieses Geld mehr Whiskey ermöglichte? Er hatte sich für eine Backpacker-Herberge im Süden der Stadt entschieden. Zwanzig Minuten Fußmarsch bis zum Zentrum. Dafür ein paar Neuseeland-Dollar günstiger. Achtbettzimmer. Egal.

Es war still im Zimmer. Aber vielleicht übertönte auch nur der Lärm, der durch den hellen Türspalt ins Innere drang, die Geräusche um ihn herum.

Erneut befühlte Parnell mit der Zungenspitze die Unterlippe, das Blut war weg, aufgesaugt, den Rachen hinabgeflossen, die Speiseröhre hinab und im Magen gelandet. Sein gesamtes Inneres war ausgetrocknet, als würde sich eine Wüste durch ihn hindurchfressen. Keine Oase, nirgends. Kein rettender Brunnen.

»Nie wieder, nie wieder, nie wieder«, krächzte der Inspektor. Er wusste, dass die Sucht ihm diesen Gedanken erlaubte, weil sie wusste, die Sucht, dass er vergehen würde, der Gedanke. Mit dem Vergehen der Kopfschmerzen.

Die Sucht kannte ihn, sie beherrschte ihn, er war ihr ausgeliefert.

Parnell drehte sich geräuschvoll auf die Seite. Er vernahm die Stimmen von draußen, doch seine Ohren konnten keine Worte, keine Sätze, keinen Sinn entschlüsseln. Er tastete im Dunkeln nach einer Wasserflasche. Schon als Kind konnte er nachts nicht einschlafen ohne Wasserflasche. Kaltes Wasser in Plastikflasche. Griffbereit, wenn ihn nachts die Albträume aufschrecken ließen, ihm alle Flüssigkeit aus seinem kleinen Jungenkörper saugten.

Wenn er die Flasche vergessen hatte, so war er gezwungen gewesen, das Bettchen zu verlassen, die schützende Burg, hinauszutapsen ins Dunkel, durch das Dunkel des Flurs, nur erhellt von einem schmalen Lichtspalt. Das Rauschen, die Stimmen, unverständliche Worte des leisen Fernsehers, der Sessel von hinten, der Arm auf der Lehne, die Stimme des Nachtmenschen, der dort saß, die Aufforderung, hereinzukommen, näherzukommen. Der Whiskey, der mit jedem Kinderschrittchen stärker roch. Der Rest verdrängt. So gut es geht. Doch nicht vergessen.

Das Wasser am Bett schützte vor dem nächtlichen Schrecken. Nur selten vergaß er auch jetzt noch, als Erwachsener, das Wasser bereitzustellen, auch wenn er es nachts kaum einmal anrührte. Er vergaß es nur, wenn er sturzbetrunken ins Bett fiel. Am nächsten Morgen sich an die Stunden der Nacht nicht mehr erinnernd.

Parnell fuhr mit der Hand ins Innere seiner Stiefel, holte seine Armbanduhr hervor, er drückte auf einen der Knöpfe, das Licht des Displays erhellte den Radius um den Kopf seines Bettes.

Nein, nichts, kein Wasser.

Gerade wollte er sich wieder zurück ins Bett drehen, auf dem Rücken liegend nach der Uhrzeit sehen, da schwenkte das Licht der Uhr auf sein T-Shirt. Der Kragen war weiß, das Weiß reichte hinunter bis zur Brust, dort wurde es von einem schwarzen Fleck abgelöst.

Der Inspektor hielt das Licht auf den Fleck gerichtet, mit der anderen Hand zog er am Reißverschluss des Schlafsacks, öffnete ihn, auch seine weiße Unterhose war dunkel eingefärbt, er fasste sich an den Bauch, rieb darüber, zog die Beine näher, sah das Dunkel auf den Schenkeln.

Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte er keinen Schmerz im Kopf, keinen Kater, nichts, er war mit einem Mal stocknüchtern, er spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren seines Körpers drang, wie er ihm über die Schläfe lief, von den Haarspitzen ins Gesicht tropfte, sich am Kinn sammelte, unter dem Druck von immer mehr Tropfen sich löste und auf das T-Shirt tropfte.

Auch seine Oberschenkel schwitzten, er streifte mit einer Hand den Schweiß ab, hielt sie ans Gesicht, leuchtete mit dem Uhrenlicht darauf, die Hand hatte sich dunkelrot gefärbt. Er führte die Hand an die Nase, er tupfte mit der Zungenspitze auf die Handinnenfläche, Nase und Zunge bestätigten sich gegenseitig ihre Informationen.

Das war Blut.

Sein T-Shirt, seine Unterhose, seine Schenkel waren voller Blut.

Parnell sprang aus dem Bett, er richtete sich auf. Er blickte direkt in das Gesicht eines Mannes.

Dickes Gesicht, Dreitagebart, ruhiger Atem. Der Mann schlief friedlich.

Der Inspektor befühlte jede Stelle seines Körpers. War er zusammengeschlagen worden?

Parnell war kein aggressiver Trinker. Noch nie gewesen. Das war gut. Einerseits. Andererseits war es gefährlich. Er wurde als Besoffener nicht als potenzielle Gefahr angesehen. Wer als Besoffener keine potenzielle Gefahr darstellte, wurde schnell zum Opfer.

Er spürte keinen Schmerz außer dem Stechen im Kopf, das langsam wiederkehrte.

Er befühlte seinen Kopf. Nein, da war nichts. Das Blut konnte nicht von ihm sein. Er blickte erneut auf die Uhr. Es war ein paar Minuten nach sechs Uhr morgens. Er schaute ins Licht des Türspalts.

Verdammte Wandertouristen! Er hasste Menschen, die freiwillig morgens noch vor Sonnenaufgang aufstanden. Er musste ins Bad, ins Licht, zum Wasser. Er griff nach seinem Koffer, einem alten Lederkoffer seines Vaters, der zwischen den Rucksäcken der anderen Zimmerbewohner stand. Er öffnete ihn, zog ein Handtuch hervor, ein sauberes T-Shirt, mintgrün, eine Jeans, auch seine Waschtasche.

Er ging zur Tür, wollte sie gerade aufstoßen, da verdunkelte der Schatten eines Menschen kurz das Licht. Parnell hatte die Silhouette des Menschen nur für den Bruchteil einer Sekunde gesehen und doch gleich erkannt, dass es sich dabei nicht um einen Wandertouristen handelte. Der Mann hatte eine Polizeiuniform getragen, ein Polizisten-Walkie-Talkie in der Hand.

Der Mann hatte ins Walkie-Talkie gesprochen. Kein Grummeln, klare Worte. Sie ließen Parnell erstarren.

»Nein, ich wiederhole, keine Leiche. Es gibt keine Leiche. Aber das ganze Zimmer ist voller Blut. Das Bettlaken, der Schlafsack auf dem Bett, der Holzboden, die Wand, alles.«

Parnell ging wie von einer automatischen Hand geleitet ein paar Schritte ins dunkle Zimmer zurück. Er stolperte, fiel über seinen noch offenen Koffer. Der Mann im oberen Bett pustete den Schlafatem aus. Schnell stand der Inspektor wieder, er tastete sich am Bett vorbei, im hinteren Teil des Zimmers hatte er die Konturen weiterer Betten erspäht, auch einen Vorhang an der Wand. Er schob den schweren Stoff beiseite.

Draußen blinkten Blaulichter in der Nacht. Ein Dutzend. Mindestens. Am Horizont, hinter den letzten Dächern der Stadt, färbte der neue Tag das Schwarz der Nacht bereits in glänzendes Morgenweiß.

CHAPTER 2

Das kalte Wasser weichte das Blut auf und wusch es von der Haut. Das Blut schlängelte sich in den Abfluss. Parnell lehnte den Kopf gegen die schmutzig weißen Fliesen in der Dusche. Er musste das Blut nachts gespuckt haben, so musste es gewesen sein. Es passierte ihm immer wieder. Er verdrängte es, er war schon seit Jahren nicht mehr beim Arzt gewesen.

Als sein Hausarzt vor Jahren umgezogen war, hatte er das sein lassen, das mit den Ärzten.

Er mochte keine Ärzte. Diese Bevormundung. Er mochte Apotheker. Ärzte waren wie Lehrer, wie Eltern. Lehrerblicke, Elternblicke. Apotheker waren wie verdammte Maschinen. Was darf es sein? Etwas gegen Kopfschmerzen? Geld auf die Theke. Schmerzmittel. Kein vorwurfsvoller Blick. Auf Wiedersehen. Und Tschüss.

Er ging, das nasse Handtuch um die Hüften geschlungen, zurück ins Zimmer. Verstohlen blickte er ans Ende des Flurs. Ein komisches Gefühl überkam ihn. Obwohl es irrsinnig war, wollte er nicht verdächtig wirken. Er kannte das von den vielen Verhören, die er in seiner Karriere als Inspektor geführt hatte. Jeder war nervös. Die Unschuldigen waren meist nervöser als die Schuldigen. Da durfte man als Ermittler nichts durcheinanderbringen. Nervosität nicht mit Schuld verwechseln, Angst nicht mit vermeintlicher Täterschaft kombinieren.

Die Unschuldigen zittern vor Angst, die Täter sind kalt.

Wie war er gestern Nacht nach Hause gekommen? Er wusste, dass er sich darüber nicht den Kopf zerbrechen musste. Es würde nichts nützen. Es nützte nie etwas. Alte Filmrollen ließen sich flicken, alkoholbedingte Filmrisse nicht.

No chance. Das klappte nie.

Man folgte in Gedanken dem zurückliegenden Tagesablauf, man folgt den Erinnerungen, bis sie plötzlich am Eingang eines dunklen Tunnels endeten. Und so sehr man versuchte, in diesen Tunnel zu gelangen, es klappte nicht. Irgendeine Kraft hielt einen fest, zog einen zurück.

Die verdammte Zugfahrt war noch da. Komplett. Warum konnte nicht auch die beschissene Zugfahrt im Dunkel des Tunnels verschwunden sein? Als Parnell nach vier Speight's Gold Medal Ale immer noch nur leicht benebelt war, ließ er es bleiben, versuchte zu schlafen, lief nach der Ankunft ziellos Richtung Zentrum dieser Stadt im Süden der Südinsel, die er nicht kannte, in der er noch nie war, die er nur ausgewählt hatte, weil sie ihm das Ende der Welt schien.

In einem Supermarkt in der Nähe des Octagon hatte er sich eine Flasche gekauft. Heaven Hill. Sein Lieblingswhiskey. Aus Louisville, Kentucky. USA. Sechsundzwanzig Dollar. Für einen Import gar nicht mal so teuer. Geschmacklich überragend für den Preis.

Der erste Schluck sofort. Auf der Toilette einer Cafeteria. Den zweiten auch. Noch einen dritten, einen großen.

In einem Burger King hatte er sich einen großen Becher mit Plastikdeckel geholt, den Rest des Flascheninhalts hineingelehrt. Einen Strohhalm hineingesteckt.

Liebeszorn konnte so erbärmlich sein, Männer zu erbärmlichen Kreaturen verformen.

Inspektor Frank Parnell, 1573 Kilometer von seiner Heimatstadt Auckland entfernt. Auf einer Parkbank, in einer fremden Stadt, Whiskey aus einem Burger-King-Becher.

Der Strohhalm war das Problem gewesen. Ganz sicher. Durch den Strohhalm gelangte nur Flüssigkeit und Alkohol in den Magen. Kein Sauerstoff. Das haute rein.

Er erinnerte sich, dass er vom Park zurück zum Burger King gegangen war. Er erinnerte sich, dass ihn ein Security-Mann aus der Schlange an der Theke gefischt hatte. Ihn aufgefordert hatte, den Laden zu verlassen und die verdammte Zigarette auszudrücken.

Er erinnerte sich nicht mehr, ob er protestiert hatte oder nicht. Er vermutete, nicht.

Er erinnerte sich noch, durch die Innenstadt gelaufen zu sein, sich nach einer billigen Backpacker-Herberge erkundigt und ein Taxi gerufen zu haben, hier, im Black Penguin, gelandet zu sein.

Billigstes Zimmer, Bezahlung im Voraus, kalte Dusche, ein Stück Ausnüchterung, aber nicht zu viel, neues T-Shirt, alte Jeans, ein schnelles Bierchen unten am Empfang.

Er hatte den Rezeptionisten ja schlecht nach einer Flasche Schnaps fragen können. Pete, der Eigentümer der Herberge, hatte ein Bierchen mitgetrunken, sie hatten vor der Tür gemeinsam eine geraucht, die Stadt hatte bereits in der Dämmerung gelegen, alles hatte gelb geleuchtet.

Dann war er wieder losgezogen.

Pete hatte ihm das Anchor Heart empfohlen. Siebzehn Bier vom Fass. Die besten Fish and Chips der Stadt. Eine gute Auswahl an irischem und neuseeländischem Whiskey. Die Biere vom Fass interessierten Parnell nicht, auch nicht die Fish and Chips, er hasste Fish and Chips, vielleicht weil ihm das überbackene neuseeländische Nationalgericht tatsächlich zu fettig war, vielleicht weil er der Allgegenwärtigkeit des simplen Gerichts einfach überdrüssig war.

Er hatte ein Taxi zurück in die Innenstadt genommen und nach einigem Herumirren in der Fußgängerzone die Kneipe im letzten Eck einer kleinen, feuchten, dunklen Seitengasse gefunden.

Drei Treppen in ein Kellergeschoss hinab, krächzende Holztür. Tannengrün gestrichen. Bröckelnde Farbe. Messinglöwe mit Klopfring im Maul.

Pete hatte Parnells Geschmack voll und ganz getroffen. Unwiderstehliche Geruchsmischung aus Männerschweiß, Zigarettenrauch, abgestandenem Alkohol, Pisse, fettigen Vorhängen, staubigen Billardtischbezügen.

Er hatte sich an die Theke gesetzt. Beschlossen, aufs Essen zu verzichten. Keine besten Fish and Chips der Stadt. Gleich Whiskey. Den Hunger wegtrinken.

Dann kam der Tunnel.

Irgendwo mussten sie doch sein. Er leuchtete mit der Armbanduhr noch einmal alles ab. Durchwühlte den Koffer, hob den Schlafsack, das Kissen, die Matratze, leuchtete unters Bett.

Verdammte Scheiße.

Sie waren weg. Waren sie ihm gestohlen worden? Hatte er sie im Anchor liegen lassen? Was war im Anchor noch geschehen? Hatte er ein Taxi nach Hause genommen? Lagen sein Portemonnaie und sein Handy in einem gottverdammten Taxi?

Er zog sich das T-Shirt über, die Jeans an und ging wieder auf den Flur hinaus, schloss die Tür leise. Entschlossen schritt er zum Ende des Flurs. Die Zimmertür ganz hinten rechts stand offen und war doch verschlossen. Gelbes Polizeisicherheitsband versperrte den Weg. Zwei Polizisten standen Wache.

»Morgen, Jungs«, sagte Parnell, spähte über ihre Schultern und fuhr erschrocken zurück. Die Funkdurchsage des Polizisten, die er vorhin mitbekommen hatte, war nicht übertrieben gewesen.

(Continues…)


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