Reise nach Havanna: Roman in drei Reisen
200Reise nach Havanna: Roman in drei Reisen
200Overview
Product Details
ISBN-13: | 9783860345191 |
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Publisher: | Edition diá |
Publication date: | 03/28/2013 |
Sold by: | Bookwire |
Format: | eBook |
Pages: | 200 |
File size: | 1 MB |
Language: | German |
About the Author
Read an Excerpt
Ich schreibe diesen Bericht, so schnell ich kann, und weiß trotzdem nicht, ob ich ihn zu Ende bringen werde. Sie weiß, wo ich bin, und sie kann jeden Augenblick kommen, um mich zu vernichten. Aber ich sage sie, wo ich doch vielleicht er sagen müsste, obwohl auch damit dieses Ding nicht so recht benannt ist. Ich merke schon, sie (oder er?) bringt mich von Anfang an durcheinander, verwirrt mich und versucht sogar zu verhindern, dass ich meine Aussage zu Papier bringe. Ich muss es aber tun; ich muss es tun, und zwar in möglichst verständlicher Form. Wenn ich diesen Bericht zu Ende schreibe, wenn jemand ihn liest, wenn irgendein Mensch mir Glauben schenkt, kann er mich vielleicht noch retten. Denn die Verantwortlichen in diesem Gefängnis werden keinen Finger für mich krumm machen, das weiß ich sehr genau. Als ich ihnen sagte, ich wolle ja nur, dass sie mich nicht allein lassen, dass sie gut abschließen und mich Tag und Nacht bewachen, da lachten sie mich aus. "Sie sind nicht so wichtig, wie Sie glauben, eine Sonderbewachung kommt nicht infrage", sagten sie mir. "Machen Sie sich nur keine Sorgen, Sie kommen hier sowieso nicht raus." "Ich will ja gar nicht raus", sagte ich zu ihnen. "Meine einzige Sorge ist, dass jemand hereinkommen könnte ..." "Hereinkommen? Hier kommt keiner aus freien Stücken rein, mein Herr, und jetzt geben Sie Ruhe, sonst ist Zapfenstreich für heute." Ich wollte auf meinem Wunsch beharren, doch noch ehe ich den Mund wieder aufgemacht hatte, sah ich in den Augen eines der Beamten Spott und Arroganz aufblitzen, so wie ein freier Mensch einen Verrückten ansieht, der eingesperrt ist. Und ich begriff, dass man mir kein Gehör schenken würde. Also ist schreiben das Einzige, was ich tun kann; erzählen, wie es wirklich war; alles rasch und genau niederschreiben, so genau, wie es meine Situation erlaubt, vielleicht will mir am Ende doch noch jemand glauben, und ich werde gerettet, obwohl das sehr schwierig sein wird. Seit meiner Ankunft in New York -- das ist schon mehr als sechs Jahre her -- habe ich als Security im Wendy's gearbeitet, am Broadway zwischen der 42. und 43. Straße. Da dieser Laden rund um die Uhr aufhat und ich die Spätschicht hatte, war bei der Arbeit immer viel los, und ich bekam mit den unterschiedlichsten Leuten zu tun. Dort lernte ich, ohne meine Pflichten zu vernachlässigen, jede Menge Frauen kennen, die hereinkamen, um etwas zu essen, oder die einfach nur auf der Straße vorbeigingen und denen ich, hinter der Scheibe, in meiner gebügelten Uniform und mit meinen goldenen Tressen, Zeichen machte. Natürlich waren nicht alle zu haben, aber die allermeisten schon. Es liegt mir wirklich fern zu prahlen, aber einmal zum Beispiel schaffte ich es in einer einzigen Schicht, gleich mit drei Frauen anzubändeln (die Kassiererin aus dem Wendy's, eine klasse Negerin, mit der ich es am selben Tag auf dem Steinfußboden der Damentoilette trieb, nicht mitgerechnet). Das Problem war das Schichtende: Alle drei warteten auf mich. Irgendwie, auf die Details kommt es jetzt nicht an, löste ich das Problem und zog mit der los, die mir am besten gefiel, obwohl es mir wirklich leidtat, die beiden anderen versetzen zu müssen.