![Nikolaus, der Mann aus Myra: Warum er wollte, dass der Johannistag in den Juni fällt, und andere Kleinigkeiten (nebst einem wiedergefundenen und abermals verloren gegangenen Brief des Evangelisten Lukas)](http://img.images-bn.com/static/redesign/srcs/images/grey-box.png?v11.9.4)
Nikolaus, der Mann aus Myra: Warum er wollte, dass der Johannistag in den Juni fällt, und andere Kleinigkeiten (nebst einem wiedergefundenen und abermals verloren gegangenen Brief des Evangelisten Lukas)
300![Nikolaus, der Mann aus Myra: Warum er wollte, dass der Johannistag in den Juni fällt, und andere Kleinigkeiten (nebst einem wiedergefundenen und abermals verloren gegangenen Brief des Evangelisten Lukas)](http://img.images-bn.com/static/redesign/srcs/images/grey-box.png?v11.9.4)
Nikolaus, der Mann aus Myra: Warum er wollte, dass der Johannistag in den Juni fällt, und andere Kleinigkeiten (nebst einem wiedergefundenen und abermals verloren gegangenen Brief des Evangelisten Lukas)
300eBook1., Aufl. (1., Aufl.)
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Overview
Product Details
ISBN-13: | 9783952356265 |
---|---|
Publisher: | Universal Frame |
Publication date: | 09/24/2008 |
Sold by: | Libreka GmbH |
Format: | eBook |
Pages: | 300 |
File size: | 693 KB |
Age Range: | 14 - 18 Years |
Language: | German |
Read an Excerpt
1 Epifan war fischen. Wenn er mal gebraucht wurde, fiel er durch Abwesenheit auf. Dabei hätte er jetzt dabei helfen können, das Essen aus der Küche vor die Gäste zu stellen, die an dem langen Tisch unter Olivenbäumen sassen und nach Bedienung riefen. Statt seiner balancierte Nik einen Teller durch das Küchenloch ins Freie und stolperte über die Wiese bis kurz vor den Tisch – unter dem Rufen der Gäste, die das Kind anspornten und eine Belohnung aussetzten, wenn es ihm gelänge, einem Hungrigen den Teller hochzureichen, ohne den Inhalt zu verschütten. Da sah der Junge den Hund Zefir, wie er zuerst die Nase hob und wie dann der schmale Kopf der Nase zu folgen schien und wie der Hals immer länger wurde, während der Hundebauch in der warmen Lehmkuhle liegen blieb – solange bis Zefir hoffen durfte, dass der Teller für ihn und nicht für den Tisch mit den Menschen bestimmt war. Er jagte hoch. Nik lief auf den Hund zu, unbeirrt von den Rufen hinter sich, und schaffte es noch im Fallen, den Inhalt des Tellers vor Zefir zu kippen. 'Niko, Niii-ko-laus! Zefir, verfluchte Hyäne! Nik, nicht für ihn, für die da. Das Essen ist für die bestimmt, nicht für das Hundchen. Das hat schon gegessen, Liebes. Es ist zum Verzweifeln. Hört mal alle her! Geht in die Küche, holt euch euer Essen selbst!' Hanna wischte sich die Hände an einem Tuch ab und ging verschwitzt zwischen den Männern hindurch, die aufge-sprungen waren und zur Küche drängten. Die Küche war eine Höhle neben dem Haus. Als Kamin diente eine senkrechte Felsspalte in der Decke am Höhlenende. Dort stand der Herd und daneben, zwei Fuss über der Erde, eine Steintafel, auf dem die Portionen lagen. Die Laune der Gäste hob sich. Sie mussten sich zwar ihr Essen selbst abholen, aber bestand nicht die Aussicht darauf, die Portionen durch einen flinken Griff anzureichern? Hanna blies eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie blinzelte zu ihrem Sohn hinüber. Dann streckte sie sich, weil sie den ganzen Vormittag, über die Tafel gebeugt, das Essen für elf Personen vorbereitet hatte, und riskierte einen Blick zum Fluss, der im Sonnenschein blitzte. Die alte Landstrasse nach Xanthos ging in den Blitzen unter. Hanna konnte kaum erkennen, ob jemand herauf- oder heruntergeritten kam und womöglich in ihrer Herberge eine Rast einlegen wollte. Sie vergewisserte sich, dass Nik noch in der Nähe war. Er lag immer noch auf dem Bauch und schaute Zefir beim Schlingen zu. Hanna durfte die Gäste nicht zu lange unbeaufsichtigt lassen. Sie trollte sich zur Höhle und kam gerade rechtzeitig, um einem Gast die Kelle aus der Hand zu winden. 'Halt, halthalthalt, den Wein schenke ich selber aus. Geht auf eure Plätze zurück, den Rest erledige ich schon.' Epifan hatte eine Landwirtschaft geerbt und fünf Jahre darauf geschuftet. Dann endlich war das Geld zusammengekratzt, um ein Fischerboot zu kaufen, das er sich mit drei anderen teilen musste. Allerdings besass er die Hälfte des Bootes, weil er die Hälfte des Preises berappt hatte. Er glaubte, dass man mit dem Fischfang mehr Geld verdienen könne als mit dem kargen Boden, der gegen die fetten Böden der Latifundienbesitzer nicht konkurrieren konnte und gerade mal dazu ausreichte, den Bedarf der eigenen Familie zu decken und eine kleine Rücklage zu bilden. Nach dem Kauf des Bootes blieb kein Geld mehr übrig, um Saatgut und dringende Reparaturen zu bezahlen. Einige Zeit lebte die Familie nur von den Fischen und die Landwirtschaft verkam. Damals hatte Hanna den Gedanken, aus ihrem Haus eine Herberge zu machen, ein Hotel für kleine Leute, die in Patara keine Unterkunft fanden (weil die Preise in der Stadt zu hoch waren) und sich deshalb aufs Land verirrten und an der alten Landstrasse nach Xanthos unterschlüpfen würden. Hanna hoffte, dass die Gäste, die vor zwei Stunden aus Xan-thos gekommen waren, bald wieder verschwinden möchten. Für den Nachmittag erwartete sie nämlich Verwandtenbesuch, denn Epifan hatte Geburtstag. Sein Name bedeutet 'Erschei-nung'. Obwohl man über Namen keine Witze reissen soll, hiess es doch gelegentlich: 'Aaah, da erscheint er ja', wenn er sich mal blicken liess. Dann konnte er sein Gesicht zu einem Lachen ausdehnen und seine Hände schwenken – seht, da bin ich –, dass sein Erscheinen zu einem Ereignis wurde, vor allem für die Kinder. Der Faulpelz liess sich in irgendeiner blauen Lagune vom Fischerboot schaukeln, während Hanna ganz alleine für die Gäste sorgen musste, diesmal für Gäste, die nicht bezahlen, sondern Nippesfiguren, Orakelsprüche oder anderen Kram mitbringen würden. Trotzdem freute sie sich auf die Gesellschaft und die Unterhaltung, auch wenn sie wieder in die Küche musste, um wenigstens den Anfang zu machen; bei dem Rest würden ihr die Schwägerinnen helfen. Männer kümmern sich nur um den Wein, beim Kochen und Servieren stellen sie sich dümmer an als sie sind. Wenigstens die beiden ältesten Kinder gingen ihr manchmal zur Hand. Dazu müssten sie nur erst hier sein! Aber es ging alles besser als erwartet. Hanna sass nun schon eine Weile am langen Tisch unterm Schatten der Olivenbäume. Sie hatte den Gästen nur gesagt, wo was zu finden sei, und den Männern der Familie erlaubt, selbst den Wein zu schöpfen, so dass sich ihre Aufgabe darauf beschränkte, nach den Kindern zu sehen oder Ratschläge in der Küche zu erteilen. Die meisten hatten sogar ihr Essen mitgebracht und bereiteten es selber zu. Niemand fragte nach Epifan, obwohl sie seinetwegen gekommen waren. Sie hatten sich längst an seine Abwesenheit gewöhnt, und sein Geburtstag diente nur als Vorwand, unter Vertrauten zu feiern. Allmählich versammelten sich alle am langen Tisch, auf dem die Teller, die Brote und die vollen Schüsseln standen, und sie alle sprachen behäbig durcheinander, über die Politik, die Zeit und das Land, während die kleinen Kinder auf den Schössen ihrer Onkel und Tanten hingen und sich träge aus den Schüsseln füttern liessen. Nach der Mahlzeit schliefen die Kleinen, die grossen Kinder liefen ins Gelände und hörten die Ermahnungen der Erwachsenen nur noch mit einem Ohr. Dann tratschten die Alten über Familienangelegenheiten. Hanna hatte mit dem Strunzen nicht angefangen. Ange-fangen hatte die schmächtige Schwägerin, die man die Kuh nannte (wenn sie nicht anwesend war). Sie begann damit, ihre Kinder schönzureden, wie sie aufs Wort gehorchten, dass man als Mutter nur zufrieden sein könne, und wie sie einem bei der Arbeit hülfen. Wo doch alle wussten, dass es solche Kinder nicht gibt. Hanna ärgerte sich, weil sie das Gerede als Spitze gegen ihre Kinder auffasste, die mit Ausnahme von Nik den ganzen Vormittag unsichtbar geblieben waren. Eine andere Frau, die jemand aus der Verwandtschaft mitgebracht hatte und die kaum einer richtig kannte, strunzte mit der schieren Zahl ihrer Kinder, wie zahlreich sie doch seien, als ob zahlreich eine Eigenschaft wäre, die jedem einzelnen Kind zukommt. Alle nickten mit dem Kopf. Sie vertrügen sich so gut, sie täten sich nie etwas gegenseitig und hielten gegen die bösen Kinder zusammen. Man nickte. Eine dritte fing damit an, dass die Götter ihr lediglich ein Kind geschenkt hätten, dafür sei das Kind aber mit einer Portion Schlauheit gesegnet, die normalerweise für viele ausreichen muss. Die Männer nickten, als wäre ihnen die-ses Kind schon aufgefallen, als spräche man bereits in der Stadt von seinen Geistesgaben, dabei waren die Männer nur zu faul, etwas zu sagen, und auch zu feige. Eine vierte Frau wollte nicht dahinter zurückstehen und meinte, dass ihr die Schlauheit der eigenen Kinder schon peinlich sei, weil sie überall hervorstächen, und sie jedesmal eine Erklärung dafür abgeben müsse. Die Männer nickten. Eine andere Frau, die dicke Eulalia, sagte nur, ihre Kinder nähmen es mit jedem anderen Kind auf, sie sagte aber nicht, in welcher Eigenschaft und Fertigkeit. Die Männer nickten, als wäre es selbstverständlich, dass Eulalias Kinder es mit jedem aufnähmen. Sie besitze Kinder, sagte eine fünfte oder sechste Frau, die ausnahmslos alle schon mit zehn Monaten hätten laufen können, ohne sich festzuhalten. Das liege in der Familie. Die nächste sagte, ihre Kinder hätten schon früh zu sprechen angefangen und dafür schon sehr früh aufgehört, in die Windeln zu machen. Einige Männer hatten ihr Nicken eingestellt, sie dösten vor sich hin.