Fremdgehen - Ein Handbuch für Frauen

Fremdgehen - Ein Handbuch für Frauen

by Michèle Binswanger
Fremdgehen - Ein Handbuch für Frauen

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by Michèle Binswanger

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Overview

Frauen gehen anders fremd als Männer: manchmal, um aus der Beziehung auszubrechen. Manchmal, um drinzubleiben. Aus Lust und Leichtsinn. Und manchmal einfach nur, um zu sehen, ob sie überhaupt noch leben. Die Journalistin Michèle Binswanger hat mit zahlreichen Frauen übers Fremdgehen und ihre intimen Erfahrungen gesprochen — und über ihre Motive, Strategien und Gefühle. Paartherapeuten und Psychologen erklären aus wissenschaftlicher Sicht das Wesen der Liebe und Sexualität, woraus die Autorin ein wichtiges Fazit zieht: Nicht Untreue zerstört unser Beziehungsleben, sondern falsch verstandene Treue. Dieses wichtige Buch richtet sich an Frauen, die fremdgehen wollen oder fremdgegangen sind und sich fragen, wie es danach weitergeht, und an Männer, die herausfinden möchten, ob ihre Frauen einen Seitensprung gewagt haben oder mit dem Gedanken spielen. Es gibt kaum jemanden, der in seinem Leben nicht einmal jemanden betrogen hat oder selbst betrogen wurde. Und deshalb geht dieses Buch jeden an.


Product Details

ISBN-13: 9783843716321
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 08/11/2017
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 240
File size: 1 MB
Language: German

About the Author

Michèle Binswanger ist Journalistin und Autorin. 2009 schrieb sie beim Tages-Anzeiger den erfolgreichen "Mamablog" und wurde dafür 2010 vom Branchenmagazin "Schweizer Journalist" zur Journalistin des Jahres gewählt. 2011 erschien ihr Buch "Machomamas. Warum Mütter im Job mehr wollen sollen" (Nagel & Kimche), das sie mit Nicole Althaus schrieb. Heute ist sie für den Tages-Anzeiger im Ressort Hintergrund und Analyse tätig und schreibt dort ebenfalls einen Blog.

Michèle Binswanger ist Journalistin und Autorin. 2009 schrieb sie für den Schweizer Tages-Anzeiger den erfolgreichen »Mamablog« und wurde dafür 2010 vom Branchenmagazin »Schweizer Journalist« zur Journalistin des Jahres gewählt. 2011 erschien ihr Buch Machomamas. Warum Mütter im Job mehr wollen sollen. Heute ist sie für den 'Tages-Anzeiger' tätig und schreibt dort ebenfalls einen Blog.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Die verschiedenen Beziehungsmodelle

Fremdgehen ist die konventionellste Art, sich über Konventionen zu erheben.

Vladimir Nabokov

In Büchern und Artikeln übers Fremdgehen wird oft mit großem Aufwand dargelegt, warum der Mensch keine monogame Spezies ist. Eine echte monogame Spezies hätte Sex, wie es der Idealvorstellung des Vatikans entspricht: regelmäßig, sachlich, schweigend und nur zu Reproduktionszwecken. Es gibt unter den näheren Verwandten des Menschen nur eine wirklich monogam lebende Art, den Gibbonaffen, der in Südostasien in Baumkronen lebt und uns auch sonst nicht besonders ähnelt. Ganz anders unsere Cousins Schimpansen und Bonoboaffen, beide bekannt für ihre vielfältige und promiskuitive Sexualität, wobei uns in sexueller Hinsicht die Bonobos – von der Literatur gerne als Hippies unter den Affen bezeichnet – am ähnlichsten sind. Sie nutzen Sex für alles Mögliche: zur Entspannung, um Konflikte innerhalb der Gruppe oder angespannte Situationen mit anderen Gruppen zu lösen. Auch ihr Verhalten beim Sex ähnelt dem unseren. Sie blicken sich in die Augen, berühren einander zärtlich und geben sich Zungenküsse. Nur lange, monogame Partnerschaften bilden sie nicht.

Für Verfechter der Monogamie ist unsere tierische Natur kein Argument gegen die exklusive Beziehungsform. Denn wir sind ja nicht bloß Affen. Wir haben auch ein außerordentliches Gehirn, einen Verstand, der es uns ermöglicht, Städte zu bauen und iPhones zu bedienen und Kriege zu führen. Und uns moralisch, also sozialverträglich zu verhalten. Dieser Verstand erlaubt uns auch die Beherrschung unserer Triebe und unterscheidet uns vom Affen, so ihr Argument. Tatsächlich ist es eine Frage der Moral, ob man sich in die Ordnung fügt oder sie stört, ob man sich an Versprechen hält oder sie bricht, ob man Erwartungen erfüllt oder nicht. Wer gegen die Moral verstößt und damit willentlich andere verletzt, ist ein Schweinehund. Oder eine Schlampe. Aber die Monogamie-Verfechter machen es sich mit ihrer Annahme, der Verstand alleine vermöge uns zu steuern, zu einfach. Erstens benutzen Fremdgeher sehr wohl ihren Verstand, wenn sie sich davon überzeugen, dass niemand von ihrem Fehltritt erfährt und damit auch niemand verletzt wird. Und zweitens unterschätzen sie die Macht unserer tierischen Natur, wenn es um Sex geht. Was unsere Fähigkeit zur Selbstkontrolle angeht, sind wir in vielen Hinsichten nicht weiter über das Tierreich erhaben als ein Wellenreiter über den Ozean. Unsere kognitiven Fähigkeiten sind sehr effektiv, wenn es darum geht, Verhaltensweisen einzufordern oder zu rechtfertigen. Aber sie versagen regelmäßig dabei, unsere Leidenschaften im Zaum zu halten. Eine der mächtigsten Energiequellen überhaupt ist der menschliche Wille, angefeuert von Verlangen.

Der Mensch ist also nicht von Natur aus monogam. Populationsgenetische Untersuchungen des Schweizerischen Nationalfonds haben ergeben, dass erste monogame Beziehungsformen erst mit der Erfindung der Landwirtschaft vor rund 20.000 Jahren aufkamen. Ebenfalls bekannt ist, dass unsere Vorfahren nicht nur mit ihresgleichen verkehrten, sondern auch mit anderen Hominidenarten. Die regelmäßigen Romanzen zwischen Homo sapiens und Neandertaler haben sich sogar in unserem Erbgut niedergeschlagen, das bis zu vier Prozent NeandertalerDNS enthält. Doch der Mensch ist auch nicht einfach polygam. Man spricht vielmehr von gemischten Paarungs-Strategien. Gemeint ist, dass wir im Verlauf der Jahrhunderte und je nach Kultur verschiedene Beziehungsmodelle kultivierten – manche Gesellschaften lebten streng monogam, andere polygam – also ein Mann mit mehreren Frauen –, manche polyandrisch – also eine Frau mit mehreren Männern – oder promiskuitiv, das heißt, wenn beide mehrfache und parallele Beziehungen pflegen. Die jeweils gelebten Beziehungsformen kommen mit eigenen moralischen Grundsätzen und Beurteilungen aus. Anthropologen haben ausgerechnet, dass in der vorindustriellen Zeit nur rund 16 Prozent der Gesellschaften streng monogame Beziehungsmodelle bevorzugten, also die exklusive und langfristige Bindung mit einem Partner. In ein paar vereinzelten Gesellschaften pflegten Frauen Beziehungen mit mehreren Männern. In den verbleibenden80 Prozent lebten die Menschen promiskuitiv. Zwar gingen sie Ehen ein oder bildeten längere, stabile Partnerschaften mit monogamem Anspruch, aber der gelegentliche Seitensprung war so verbreitet wie toleriert, und zwar nicht nur bei den Männern, sondern auch bei den Frauen.

In den heutigen westlichen Gesellschaften pflegen wir vorgeblich geschlossene, monogame Beziehungen. Das ist zumindest die Idealvorstellung, auch wenn die Erfolgsquote nicht besonders groß zu sein scheint. Die Männer haben im Laufe der Geschichte bewiesen, dass sie sich mit dem monogamen Modell besonders schwertun. Mark Twain brachte die Tragikomik in seinen Tagebüchern auf folgende Formel: »Ihrem Temperament entsprechend, und dieses ist das wahrhaft göttliche Gesetz, sind viele Männer Ziegen und können nicht anders als fremdgehen, wenn sich ihnen eine Gelegenheit bietet. Allerdings gibt es einige wenige, die ihrem Temperament entsprechend in der Lage sind, ihre Reinheit zu bewahren und die Gelegenheit vorüberziehen zu lassen, wenn die Frau nicht besonders attraktiv ist.«

Viele Filme und literarische Genres widmen sich dem männlichen Konflikt zwischen biologisch gesteuertem Geschlechtstier und sozial verantwortungsvollem Wesen. Für Ersteres ist jede Frau eine potentielle Schlampe, was für Letzteren ein eigentlicher Affront ist, wie überhaupt jedes Scheitern vor der Macht seiner Triebe.

Den Grund für den ewigen Konflikt trägt der Mann zwischen den Beinen. Männer brüsten sich gern, dass all die tollen Erfindungen von der Dampfmaschine bis zum Smartphone auf ihr Konto gehen, und dass diese kognitiven Glanzstunden des Menschengeschlechts im Grunde nur der sublimierten Energie ihres Geschlechtstriebs geschuldet sind. Angesichts der Karriere, die unsere Spezies hingelegt hat, kann man ermessen, wie gewaltig dieser Geschlechtstrieb sein muss. Der Penis ist des Mannes bester Freund und Kumpel und – manchmal auch sein ärgster Feind. Er verfolgt seine eigenen Interessen und führt nicht selten ein Eigenleben, schläft, wenn der Mann ihn wach braucht, wacht, wenn er schläft, und oft betätigt er sich als Souffleur für schlechte Ideen. Der Komiker Bill Burr drückt es so aus: »Als Mann gehörst du zur großen Bruderschaft der Eier. Deine Eier sprechen zu dir. Und als Mann kannst du lange dagegen ankämpfen. Aber ab und zu musst du ihnen zuhören.« Deshalb lässt sich das Verhältnis zwischen Mann und seinem Geschlechtsteil am besten als eines der gegenseitigen Abhängigkeit beschreiben. Zwischen Mann und Schwererziehbarem.

Für den Komiker Louis CK grenzt die schiere Vehemenz des männlichen Triebs an Folter, weil Männer konstant in den unmöglichsten Situationen von pornographischen Vorstellungen heimgesucht würden. Man fragt eine Bibliothekarin nach einem Buch über Abraham Lincoln und schon kniet sie vor einem und will den Samen wie eine Hostie entgegennehmen. Der Komiker macht sich über Frauen lustig, die in Sachen sexueller Triebe mitreden wollen. Etwa wenn sie behaupten, auch manchmal ganz schön geil durch die Welt zu wandeln. Der Unterschied liegt im Zwang, sagt Louis CK: »Frauen sind Touristen im Feld sexueller Perversionen, wir Männer werden hier gefangen gehalten. Frauen sind Jane Fonda auf einem Panzer. Wir sind John McCain in der Hütte. Es ist ein Alptraum.« Diese Behauptung mag nicht auf alle Männer gleichermaßen zutreffen, ist aber in der Tendenz sicher richtig.

Nicht nur der allgegenwärtige Trieb macht dem Mann in Sachen Monogamie zu schaffen. Hinzu kommt noch der genuine Reiz des Neuen, das eine ganz besondere Anziehungskraft auf uns Menschen ausübt. In der Literatur als Coolidge Effekt bekannt, ist das Phänomen bei einer Vielzahl von Säugetieren zu beobachten. Bei Ratten sieht das folgendermaßen aus: Setzt man einem Männchen ein Weibchen vor die Nase, dann bespringt dieses seine neue Gespielin zunächst enthusiastisch, bis nach einer Weile das sexuelle Interesse erlahmt. Wird das Weibchen durch ein neues ersetzt, kommt der alte Elan beim Männchen zurück. Der Name dieses Phänomens rührt von einer Anekdote über den amerikanischen Präsidenten Calvin Coolidge, der mit seiner Frau in den zwanziger Jahren eine Hühnerfarm besuchte. Während der Tour erkundigte sich die First Lady, wie es gelinge, so viele Eier mit so wenigen Hähnen zu produzieren. Der Bauer erklärte ihr stolz, dass seine Hähne Dutzende Male am Tag den Akt zu vollziehen in der Lage seien. »Vielleicht könnten Sie das dem Präsidenten gegenüber auch erwähnen«, meinte Frau Coolidge. Darauf erkundigte sich der Präsident, ob der Hahn denn immer mit derselben Henne kopuliere. Der Farmer antwortete: »Keineswegs, er wechselt von einer zur anderen.« Worauf der Präsident meinte: »Vielleicht erwähnen Sie auch das gegenüber der First Lady.«

Der dominante Trieb und der ewige Reiz des Neuen sind Gründe genug, um früher oder später Mitglied im größten männlichen Club in der Geschichte der Menschheit zu werden: dem Club der Fremdgeher. Prominente Mitglieder finden sich darin, ihre Namen und Geschichten geben seit Jahrhunderten Stoff her für Dramen aller Art. Es kommen immer neue dazu: Bill Clinton, Strauss-Kahn, Silvio Berlusconi, Tiger Woods. Sie alle ließen sich beim Seitensprung erwischen und mussten unerfreuliche Konsequenzen ertragen. Besonders, weil sie für ihre Fehltritte nicht nur vor ihren Partnerinnen, sondern auch vor der Öffentlichkeit geradestehen mussten. Es ist schlimm genug, wenn man wie im Fall von Tiger Woods, von der Mutter seiner Kinder mit dem Golfschläger aus dem Haus gejagt wird, mit dem Auto flüchtet und dann einen Unfall verursacht. Und wenn man alles abstreitet, sich danach aber beinahe täglich angebliche Liebhaberinnen öffentlich melden und die Geschichten ihrer sexuellen Abenteuer mit dem Fremdgeher in der Presse genüsslich ausgeschlachtet werden. Oder wenn man, wie Bill Clinton, drei Monate aus dem Schlafzimmer des Weißen Hauses verbannt wird, während der politische Gegner es sich zum persönlichen Ziel macht, den Seitensprung zu beweisen. So sehr, dass er die Indizienkette bis zu den Spermaspuren auf dem Kleid der Nebenbuhlerin verfolgt und dieses Kleid schließlich als Beweismittel vor Gericht den Geschworenen präsentiert – und man vor der Weltöffentlichkeit der Lüge überführt wird. Schlimmer als die Schuldgefühle ist für jeden Fremdgeher nur die Angst vor dem Auffliegen.

Angesichts der Vehemenz seiner Triebe zeigt der Mann in der Regel viel Verständnis für das moralische Versagen seiner Mitbruderschaft. Immerhin sind sie die Bruderschaft der Eier – solange nicht die eigene Frau involviert ist. Sex ist ein einfaches physisches Bedürfnis, ausgelöst durch den Anblick attraktiver Körper, meistens weiblichen Geschlechts. Wobei wie überall auch das verfügbare Kapital den Ausschlag gibt: Das Ausmaß männlicher Tugend korreliert mit der Charakterstärke des betreffenden Individuums – die sich wiederum aus der Anzahl der Gelegenheiten ergibt, die der Mann gefahrlos in Anspruch nehmen könnte.

Und die Frauen? In den großen Seitensprung-Dramen ist ihnen in der Regel die Rolle der betrogenen Ehefrau zugedacht. Sie leiden still, mit abgewandten Gesichtern und zusammengekniffenen Lippen – oder aber sie rächen sich und machen dem Fremdgeher das Leben zur Hölle. Manche stellen ihre Männer publikumswirksam auf die Straße oder fassen teuflische Rachepläne, um ihn für sein moralisches Versagen bis in alle Ewigkeiten zu bestrafen. Etwa indem sie ihm alles wegnehmen, was ihm etwas bedeutet: Familie, Kinder, Geld, Besitz. Im Teilen sind wir nicht besonders gut, vor allem dann nicht, wenn Liebe im Spiel ist. Liebe ist kompliziert.

Was sicher ist: Auch Frauen fällt monogames Verhalten nicht ganz natürlich zu – auch wenn ihnen jahrhundertelang eine angeborene Neigung zur Sittlichkeit attestiert wurde. Auch Frauen reizt die Grenzüberschreitung. Sie peitscht nicht das Testosteron an; deshalb sind sie vorsichtiger und gehen weniger Risiken ein. Aber ein Trieb ist genauso mächtig: Liebe, in all ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Wer sich verliebt, erfährt eine Art Rausch, sagt die amerikanische Anthropologin Helen Fisher. Für den Verliebten hat die Welt nur noch ein Zentrum: den Geliebten, der aus allen anderen herausleuchtet und damit zum Mittelpunkt seines Denkens und Sehnens und Fühlens wird. Der Verliebte macht sich vom Geliebten abhängig, sucht den Rausch und nimmt Enttäuschung in Kauf. Er kann nicht anders. Romantische Liebe ist ein Trieb, genauso stark wie der Sextrieb, mit dem sie zusammenhängt. Romantische Liebe motiviert zwei Menschen dazu, sich emotional so eng aneinander zu binden, dass sie sich nahe genug kommen, um auch komplizierte Projekte zusammen anzugehen, zum Beispiel gemeinsam Nachwuchs aufzuziehen. Diese rauschhafte Liebe möchte exklusive Zweisamkeit und sie möchte ewig währen. Was sehr unrealistisch ist, denn die Liebe wandelt sich, sie kann sich setzen und Wurzeln schlagen und sich vom Sextrieb entfernen. Doch dieser Trieb bleibt. Und zwar ziemlich mächtig.

In der Evolutionspsychologie wird gern das Bild der tendenziell passiven und lustlosen, aber eifersüchtigen Frau gezeichnet. Der Mann gilt als ewiger Jäger und Sklave seiner Natur, der seine unbegrenzten Spermavorräte möglichst weit in der Welt verteilen will, die Frau als reserviertes und berechnendes Geschlecht mit begrenzten reproduktiven Ressourcen und eher lahmem Sextrieb. Er scheffelt Geld, um Frauen mit teuren Autos und wertvollen Uhren zu beeindrucken und zu einem schnellen Abenteuer zu motivieren. Hat er eine gefunden, die ihm für Nachwuchs geeignet scheint, bindet er sie an sich und stellt eifersüchtig sicher, dass sie sich nicht anderweitig vergnügt. Die Frau hingegen fährt gemäß dieser Theorie eine doppelte Strategie: Sie sucht zwecks Nachkommenschaft einen vielversprechenden Genpool mit einem dicken Bankkonto, den sie in einer monogamen Beziehung an sich zu binden sucht. Hat sie ihr Ziel erreicht und einen Mann gefunden, der die Miete zahlt, ihr hilft, die Windeln zu wechseln und den Abfall rausbringt, willigt sie künftig ein, dem ehelichen Beischlaf stattzugeben, so oft es eben nötig ist. Daneben hat sie die eine oder andere Affäre mit einem jungen Lederjacken-Typ, insbesondere um die Zeit des Eisprungs mit dem unbewussten, aber evolutionär begründeten Plan, dem Langweiler von Ehemann ein Kuckuckskind der Lederjacke unterzujubeln. Eine evolutionäre Strategie, die man Diversifikation nennen könnte, wenn sie denn zutreffen würde. Es ist die Vulgär-Version von Darwins Evolutionstheorie, die bis heute in den Kommentarspalten des Internets wieder und wieder erzählt wird. Doch das macht sie nicht wahrer. Denn wenn die sexuelle Natur der Frauen derart passiv und zurückhaltend wäre: Mit wem betrügen all diese Fremdgeher eigentlich ihre Frauen? Wer sind alle die leichten Mädchen, die sich Sex ungetrübt von moralischen Skrupeln nehmen, wann und wo sie wollen? Die im Club nicht die Nummer ihres Verehrers ins Handy tippen wollen, sondern die Nummer gleich dort schieben? Von diesen Frauen gibt es viele. Aber es ist auch in der Gegenwart nicht angesagt, allzu offen zu diesem Lebenswandel zu stehen – nicht nur ihren Partnern, sondern auch nicht den anderen Frauen gegenüber.

Die distinguierte Schlampe, also die Frau, die ihre Sexualität lustvoll und ohne Scham lebt, ist eine ambivalente Figur. In der Realität wird sie verurteilt, doch Literaten und Künstler hat sie schon immer fasziniert. Catherine Deneuve hat ihr im französischen Klassiker Belle de Jour ein Denkmal gesetzt. Mit ihrem perfekt symmetrischen Gesicht unter den beängstigend blonden Haaren, mit ihrer heimlichen Leidenschaft, sich in einem Bordell erniedrigen zu lassen, verkörpert sie die Frau, von der Männer mit 16 träumen und an die sie sich noch mit 60erinnern. Doch im echten Leben werden distinguierte Schlampen weniger enthusiastisch gefeiert – im Gegenteil. Weibliche Sexualität ist auch heute noch ein gesellschaftliches Minenfeld. Traditionell gehört ihr Körper nicht den Frauen selbst, sondern jemand anderem, meistens ihrem Mann. Das war aber nicht immer so.

Bevor Landwirtschaft und Monogamie erfunden wurden, lebten die Menschen in engen sozialen Gemeinschaften als Jäger und Sammler. Weil das Überleben des Einzelnen von der Gruppe abhing, war zu teilen obligatorisch: Beute und Schutz wurden ebenso geteilt wie die Sexualpartner, denn die Gemeinschaft war wichtiger als das Individuum. Alle waren eng verbandelt und pflegten parallel verschiedene sexuelle Beziehungen; monogame Partnerschaften gab es nicht. Und die Frauen spielten eine wichtige und anerkannte Rolle in der Gemeinschaft. Die Ökonomisierung der weiblichen Sexualität begann, als mit der Landwirtschaft das Konzept des Eigentums Einzug hielt. Das erlaubte die Akkumulation von Reichtum, dadurch wurde die Erbfolge wichtiger und damit die Kontrolle darüber, ob die Kinder, denen man das alles weitergeben würde, auch wirklich die eigenen waren. Die Frauen wurden zur Kinderaufzucht beordert, was ihnen mehr Sicherheit gab. Aber sie zahlten einen hohen Preis: Sie mussten ab jetzt gute Ehefrauen und brave Mädchen sein. Ihre Rolle wurde in Abhängigkeit zum Mann definiert, als Teil seines Besitzes, den er sich verdienen und verteidigen musste. Auch deshalb musste er sicherstellen, dass die Kinder, für die er so schuftete, auch seine eigenen waren. Die Frauen hatten sich damit zu arrangieren, dass Männer sich sexuelle Freiheiten nahmen, aber weibliche Untreue scharf geahndet wurde. Wer sich dabei erwischen ließ, verlor nicht selten alles: Ansehen, Stellung, soziale Sicherheit und manchmal auch das Leben.

(Continues…)



Excerpted from "Fremdgehen - Ein Handbuch für Frauen"
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Copyright © 2017 Michèle Binswanger.
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Table of Contents

Über das Buch/ Über die Autorin,
Titel,
Impressum,
Widmung,
Vorwort,
Prolog,
Die verschiedenen Beziehungsmodelle,
Das Dilemma der Frauen,
Nymphomanie – Die Erfindung einer Krankheiten,
Der geplante Seitensprung,
Von Wahrheit und Lüge,
Multiple Affären,
Die Kunst des Fremdgehens,
Die offene Beziehung,
Der kleine Unterschied,
Die neue Frauenbewegung,
Die Liebhaberin,
Die Entlarvung,
Die Moral,
Epilog,
Bibliographie,
Danksagung,
Feedback an den Verlag,
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