Federball: Roman

Populismus, Datenmissbrauch und Fake News – was tun, wenn die Welt plötzlich in Flammen steht?
Nat hat seine besten Jahre als Spion hinter sich. Gerade ist er nach London zu seiner Frau zurückgekehrt, da wird ihm ein letzter Auftrag erteilt, denn Moskau wird zunehmend zu einer Bedrohung. Zur Erholung spielt Nat Badminton, seit Neuestem gegen Ed, einen jungen Mann, der den Brexit hasst, Trump hasst, auch seine Arbeit in einer seelenlos gewordenen Medienagentur. Ausgerechnet Ed fordert Nat auch außerhalb des Spielfelds heraus und zwingt ihn, seine Haltung gegenüber dem eigenen Land in Frage zu stellen. Und eine Entscheidung zu treffen, die für alle Konsequenzen hat.
"Niemand sonst benennt – schonungslos gegenüber Politikern und unglaublich faszinierend für seine Leser – die offenen und gut gehüteten Geheimnisse unsere Zeit so klar wie John le Carré." The Guardian
"Kein Autor vermag es wie le Carré, das höfliche Gespräch zweier Menschen, die an einem Tisch sitzen, in ein hochgefährliches Spiel zu verwandeln." The Daily Telegraph

Große TV-Doku "Der Taubentunnel" ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+

"1133299382"
Federball: Roman

Populismus, Datenmissbrauch und Fake News – was tun, wenn die Welt plötzlich in Flammen steht?
Nat hat seine besten Jahre als Spion hinter sich. Gerade ist er nach London zu seiner Frau zurückgekehrt, da wird ihm ein letzter Auftrag erteilt, denn Moskau wird zunehmend zu einer Bedrohung. Zur Erholung spielt Nat Badminton, seit Neuestem gegen Ed, einen jungen Mann, der den Brexit hasst, Trump hasst, auch seine Arbeit in einer seelenlos gewordenen Medienagentur. Ausgerechnet Ed fordert Nat auch außerhalb des Spielfelds heraus und zwingt ihn, seine Haltung gegenüber dem eigenen Land in Frage zu stellen. Und eine Entscheidung zu treffen, die für alle Konsequenzen hat.
"Niemand sonst benennt – schonungslos gegenüber Politikern und unglaublich faszinierend für seine Leser – die offenen und gut gehüteten Geheimnisse unsere Zeit so klar wie John le Carré." The Guardian
"Kein Autor vermag es wie le Carré, das höfliche Gespräch zweier Menschen, die an einem Tisch sitzen, in ein hochgefährliches Spiel zu verwandeln." The Daily Telegraph

Große TV-Doku "Der Taubentunnel" ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+

11.99 In Stock
Federball: Roman

Federball: Roman

Federball: Roman

Federball: Roman

eBookGerman-language Edition (German-language Edition)

$11.99 

Available on Compatible NOOK devices, the free NOOK App and in My Digital Library.
WANT A NOOK?  Explore Now

Related collections and offers

LEND ME® See Details

Overview

Populismus, Datenmissbrauch und Fake News – was tun, wenn die Welt plötzlich in Flammen steht?
Nat hat seine besten Jahre als Spion hinter sich. Gerade ist er nach London zu seiner Frau zurückgekehrt, da wird ihm ein letzter Auftrag erteilt, denn Moskau wird zunehmend zu einer Bedrohung. Zur Erholung spielt Nat Badminton, seit Neuestem gegen Ed, einen jungen Mann, der den Brexit hasst, Trump hasst, auch seine Arbeit in einer seelenlos gewordenen Medienagentur. Ausgerechnet Ed fordert Nat auch außerhalb des Spielfelds heraus und zwingt ihn, seine Haltung gegenüber dem eigenen Land in Frage zu stellen. Und eine Entscheidung zu treffen, die für alle Konsequenzen hat.
"Niemand sonst benennt – schonungslos gegenüber Politikern und unglaublich faszinierend für seine Leser – die offenen und gut gehüteten Geheimnisse unsere Zeit so klar wie John le Carré." The Guardian
"Kein Autor vermag es wie le Carré, das höfliche Gespräch zweier Menschen, die an einem Tisch sitzen, in ein hochgefährliches Spiel zu verwandeln." The Daily Telegraph

Große TV-Doku "Der Taubentunnel" ab 20. Oktober 2023 auf Apple TV+


Product Details

ISBN-13: 9783843721905
Publisher: Ullstein Ebooks
Publication date: 10/22/2019
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 352
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

About The Author
John le Carré, 1931 geboren, studierte in Bern und Oxford. Er unterrichtete in Eton, bevor er während des Kalten Krieges für den britischen Geheimdienst arbeitete. 2011 wurde er mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. Seit nunmehr über fünfzig Jahren ist das Schreiben sein Beruf. Er lebt in London und Cornwall.

John le Carré, 1931 geboren, schrieb über sechs Jahrzehnte lang Romane, die unsere Epoche ausloten. Als Sohn eines Hochstaplers verbrachte er seine Kindheit zwischen Internat und Londoner Unterwelt. Mit 16 ging er an die Universität Bern (Schweiz), später dann nach Oxford. Nach einer kurzen Zeit als Lehrkraft in Eton schloss er sich dem britischen Geheimdienst an. Während seiner Dienstzeit veröffentlichte er 1961 seinen Erstlingsroman  Schatten von Gestern. Der Spion, der aus der Kälte kam, sein dritter Roman, brachte ihm weltweite Anerkennung ein, die sich durch den Erfolg seiner Trilogie Dame, König, As, Spion, Eine Art Held und Agent in eigener Sache festigte. Nach dem Ende des Kalten Krieges weitete le Carré sein Themenspektrum auf eine internationale Landschaft aus, die den Waffenhandel ebenso umfasste wie den Kampf gegen den Terrorismus. Seine Autobiografie  Taubentunnel erschien 2016, Das Vermächtnis der Spione, der abschließende Roman um George Smiley, 2017. John le Carré verstarb am 12. Dezember 2020. Posthum erschien sein Roman Silverview.


Peter Torberg, geboren 1958 in Dortmund, studierte in Münster und in Milwaukee, Wisconsin. Zu den von ihm übersetzten Autoren gehören u.a. Paul Auster, William Golding, David Peace, Daniel Woodrell und Oscar Wilde.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Unsere Begegnung war nicht arrangiert worden. Weder von mir noch von Ed noch von einem der unsichtbaren Mitspieler, nach deren Pfeife Ed angeblich tanzte. Man hatte mich nicht ins Visier genommen. Ed war nicht angestiftet worden. Wir wurden weder heimlich noch offen observiert. Er forderte mich sportlich heraus. Ich nahm die Herausforderung an. Wir spielten gegeneinander. Es bestand kein Plan, keine Verschwörung, keine Absprache mit irgendjemandem. Es gibt Ereignisse in meinem Leben – nur wenige dieser Tage, zugegeben –, die nur Raum für eine einzige Version lassen. Unsere Begegnung ist von dieser Sorte. Und was ich darüber sage, hat sich bei all den Gelegenheiten, bei denen ich mich wiederholen musste, nicht verändert.

Es ist Samstagabend. Ich sitze im Athleticus Club in Battersea (ich bin hier Vereinsvorsitzender, ein im Grunde bedeutungsloser Titel) auf einem gepolsterten Liegestuhl. Der Vereinsraum ist riesig und hat eine hohe Balkendecke, er ist Teil einer umgebauten Brauerei, mit einem Swimmingpool am einen Ende, einer Bar am anderen und einem Gang dazwischen, der zu den getrennten Umkleideräumen und den Duschen führt.

Ich sitze mit dem Rücken zur Bar und schaue in Richtung Pool. Hinter der Bar liegt der Zugang zum Vereinsraum, davor der Eingangsbereich, davor wiederum die Tür zur Straße. Ich war also nicht in der Lage, zu sehen, wer den Raum betrat oder wer sich davor herumtrieb, die Ankündigungen studierte, ein Spielfeld buchte oder seinen Namen auf die Turnierliste setzte. Um die Bar herum herrscht lebhaftes Treiben. Junge Frauen und ihre Verehrer planschen im Pool und plaudern.

Ich trage meine Badmintonbekleidung: Shorts, Sweatshirt und ein neues Paar knöchelschonender Sportschuhe. Die habe ich mir im Kampf gegen leichte Schmerzen im linken Knöchel gekauft, die mich seit einer Wanderung durch die estnischen Wälder im Monat zuvor plagen. Nach mehreren ausgedehnten, unmittelbar aufeinanderfolgenden Einsätzen im Ausland genieße ich eine wohlverdiente Auszeit in der Heimat. Über meinem Berufsleben liegt ein Schatten, den ich zu verdrängen versuche, so gut es geht. Ich rechne damit, am Montag rausgeworfen zu werden. Nun, dann soll es so sein, versuche ich mir einzureden. Ich werde siebenundvierzig, ich hatte eine gute Zeit, so lauteten die Bedingungen von Anfang an, also hör schon auf zu jammern.

Umso tröstlicher zu wissen, dass ich trotz meines fortgeschrittenen Alters und eines lästigen Knöchels weiterhin allein regierender Vereinsmeister bin, nachdem ich erst am vergangenen Samstag den Einzeltitel gegen einen talentierten jüngeren Gegner verteidigt habe. Die Einzeltitel werden gemeinhin als exklusives Vorrecht energiegeladener Spieler in ihren Zwanzigern angesehen, doch bislang habe ich mich behaupten können. Heute habe ich mich der Vereinstradition gemäß als neu gekrönter Meister in einem Freundschaftsmatch mit dem Champion unseres gegnerischen Vereins auf der anderen Seite des Flusses in Chelsea gemessen und mich gegen ihn durchgesetzt. Und nun sitzt dieser ehrgeizige und faire junge Rechtsanwalt aus Indien im Nachglanz unseres Kampfes mit einem Glas Bier in der Hand neben mir. Bis zu den letzten Aufschlägen stand ich ziemlich unter Druck, doch dann wendete sich dank meiner Erfahrung und ein wenig Glücks das Blatt doch noch zu meinen Gunsten. Vielleicht erklären diese Umstände, warum ich in dem Augenblick, als Ed mich herausforderte, Nachsicht walten ließ und ich den – wenn auch nur flüchtigen – Eindruck hatte, dass es ein Leben nach dem Rauswurf gab.

Mein geschlagener Gegner und ich unterhalten uns freundlich. Es ging – ich erinnere mich daran, als sei es gestern gewesen – um unsere Väter. Beide waren sie begeisterte Badmintonspieler gewesen, wie sich herausstellte. Seiner war Zweiter bei den indischen Meisterschaften geworden, meiner durfte sich eine glückliche Saison lang Meister der Britischen Armee in Singapur nennen. Während wir in beschwingter Stimmung Anekdoten austauschen, bemerke ich Alice, unsere karibische Empfangsdame und Buchhalterin, wie sie in Begleitung eines sehr großen und noch recht schlaksigen jungen Mannes auf mich zukommt. Alice ist sechzig, hat ihre Launen, ist korpulent und stets leicht außer Atem. Wir beide gehören dem Verein am längsten an, ich als Spieler, sie als Mädchen für alles. Wo immer ich auch auf der Welt im Einsatz war, haben wir es kein einziges Jahr versäumt, uns gegenseitig Weihnachtskarten zu schicken. Meine waren gewagt, ihre religiös. Wenn ich sage, dass die beiden auf mich zukommen, dann meine ich damit, dass sie sich erst von hinten nähern müssen, um sich dann umzudrehen, was sie lustigerweise synchron tun.

»Mister Sir Nat, Sir«, verkündet Alice mit feierlicher Miene. Meist bin ich Lord Nat für sie, doch heute Abend gehe ich nur als gewöhnlicher Ritter durch. »Dieser attraktive und höfliche junge Mann möchte gerne ganz persönlich mit Ihnen reden. Er wollte Sie im Augenblick Ihres Triumphs nur nicht stören. Das ist Ed. Ed, darf ich Ihnen Nat vorstellen.«

In meiner Erinnerung steht Ed, dieser über eins neunzig große, schlaksige junge Mann mit Brille, der eine gewisse Einsamkeit ausstrahlt, eine ganze Weile peinlich berührt lächelnd ein paar Schritte hinter Alice. Ich weiß noch, wie ihn zwei konkurrierende Lichtquellen trafen: die orange Lichtleiste von der Bar, die ihm einen himmlischen Glanz verleiht, und hinter ihm die Deckenstrahler des Swimmingpools, die ihn in eine übergroße Silhouette gießen.

Er tritt vor und seine Konturen werden scharf. Ein großer, unbeholfener Schritt, linker Fuß, rechter Fuß, Halt. Alice macht sich davon. Ich warte, dass er etwas sagt. Setze ein geduldiges Lächeln auf. Mindestens eins fünfundneunzig, dunkle, verwuschelte Haare, große braune wissbegierige Augen, die durch die Brille etwas Ätherisches haben, und die Art von knielanger weißer Sporthose, wie man sie meist bei Jachtbesitzern oder Söhnen aus reichem Bostoner Hause findet. Um die fünfundzwanzig, aber mit diesen Zügen des ewigen Studenten, vielleicht auch etwas jünger oder älter.

»Sir?«, sagt er schließlich, wenn auch nicht sonderlich respektvoll.

»Nat, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, korrigiere ich ihn mit einem weiteren Lächeln.

Er nimmt es in sich auf. Nat. Denkt darüber nach. Zieht seine Höckernase kraus.

»Also, ich heiße Ed«, sagt er, aus Rücksicht auf mich Alice' Auskunft wiederholend. In dem England, in das ich erst kürzlich zurückgekehrt bin, hat niemand mehr einen Nachnamen.

»Nun, hallo, Ed«, erwidere ich fröhlich. »Was kann ich für Sie tun?«

Wieder eine Pause, in der er nachdenkt. Dann platzt er damit heraus:

»Ich möchte gegen Sie spielen, okay? Sie sind der Meister. Das Problem ist nur, ich bin dem Verein gerade erst beigetreten. Letzte Woche. Ja. Ich habe meinen Namen eingetragen und all das, aber der Rangliste nach dauert das verfluchte Monate« – und die Wörter befreien sich aus ihrer Gefangenschaft. Dann gibt es wieder eine Pause, er schaut uns beide an, erst meinen freundlichen Gegner, dann wieder mich.

»Hören Sie«, fährt Ed fort, versucht, mich zu überzeugen, dabei habe ich nicht mal widersprochen. »Ich kenne mich mit den Regeln hier nicht aus, okay?« – die Stimme hebt sich vor Entrüstung. »Kann ich ja nichts dafür. Also habe ich Alice gefragt. Und sie meinte, fragen Sie ihn doch selbst, er beißt nicht. Also frage ich Sie.« Und für den Fall, dass es weiterer Erklärungen bedarf: »Ich hab Sie spielen sehen, okay? Und ich hab schon ein paar Leute geschlagen, die Sie auch geschlagen haben. Und ein oder zwei, die Sie geschlagen haben. Ich bin mir ziemlich sicher, wir könnten uns einen Kampf liefern. Einen ordentlichen. Ja. Einen ziemlich ordentlichen, ehrlich gesagt.«

Und die Stimme an sich, von der ich nun eine recht gute Probe erhalten habe? Bei dem altehrwürdigen britischen Brauch, unsere Landsleute aufgrund ihrer Sprechweise auf der sozialen Leiter einzuordnen, bin ich allerhöchstens ein schlechter Mitspieler, da ich zu lange im Ausland gewesen bin. Doch ich schätze, in den Ohren meiner Tochter Stephanie, einer eingeschworenen Gleichmacherin, dürfte Eds Aussprache als ganz okay durchgehen, soll heißen, es gibt keine direkten Hinweise auf eine Privatschulerziehung.

»Darf ich fragen, wo Sie spielen, Ed?«, möchte ich wissen, was unter uns Badmintonspielern eine Standardfrage ist.

»Überall. Wo immer ich einen passenden Gegner finden kann. Ja.« Und dann im Nachsatz: »Dann habe ich gehört, dass Sie hier Mitglied sind. In manchen Vereinen, da zahlt man und spielt dann. Hier nicht. Hier muss man erst Mitglied werden. Reiner Beschiss, meiner Meinung nach. Also bin ich Mitglied geworden. Kostet ein verfluchtes Vermögen, aber sei's drum.«

»Tut mir leid, dass Sie so viel haben blechen müssen, Ed«, erwidere ich freundlich und schiebe das unnötige ›Beschiss‹ auf seine Nervosität. »Aber wenn Sie gegen mich spielen wollen, dann geht das in Ordnung«, füge ich hinzu; mir fällt auf, dass die Gespräche an der Bar verstummen und sich die ersten Köpfe umdrehen. »Wir sollten mal einen Termin ausmachen. Ich freue mich darauf.«

Doch das reicht Ed noch nicht.

»Also, wann wäre es Ihnen denn recht, was meinen Sie? Jetzt mal ganz konkret. Nicht irgendwann «, sagt er unvermittelt und kassiert vereinzeltes Gelächter von der Bar, was ihn irritiert, wie ich seinem finsteren Blick entnehme.

»Nun, die nächsten ein, zwei Wochen klappt es nicht, Ed«, erwidere ich wahrheitsgemäß. »Ich habe mich um eine wichtige Angelegenheit zu kümmern. Einen lange überfälligen Urlaub mit der Familie, um genau zu sein«, füge ich hinzu, hoffe auf ein Lächeln, ernte aber nur einen starren Blick.

»Und wann sind Sie dann wieder zurück?«

»Samstag in einer Woche, wenn wir uns nichts gebrochen haben. Wir gehen Ski fahren.«

»Wo denn?«

»In Frankreich. Bei Megève. Fahren Sie auch Ski?«

»Hab ich schon mal gemacht. In Bayern allerdings. Wie wär's mit dem Sonntag danach?«

»Ich fürchte, es geht nur unter der Woche, Ed«, erwidere ich fest, denn die Familienwochenenden sind, nun da Prue und ich sie frei gestalten können, unantastbar; heute ist eine seltene Ausnahme.

»Also unter der Woche, ab dem Montag in einer Woche, richtig? Welcher Tag? Suchen Sie sich einen aus. Ihre Wahl. Mir ist es gleich.«

»Ein Montag würde mir wahrscheinlich am besten passen«, schlage ich vor, denn an den Montagabenden bietet Prue ihre wöchentliche Pro-bono-Rechtsberatung an.

»Also Montag, in vierzehn Tagen. 18 Uhr? 19? Wann?«

»Nun, sagen Sie mir, was Ihnen am besten passt«, meine ich. »Meine Pläne hängen da noch ein wenig in der Luft« – ich könnte zum Beispiel auch bis dahin schon draußen auf der Straße sitzen.

»Manchmal werde ich montags länger festgehalten«, sagt Ed, und es klingt wie ein Vorwurf. »Wie wär's mit 20 Uhr? Passt Ihnen 20 Uhr?«

»20 Uhr passt mir bestens.«

»Court eins, okay, wenn ich ihn kriege? Alice meint, sie geben die Felder nicht gern für Einzel her, aber bei Ihnen ist das was anderes.«

»Jedes Spielfeld ist mir recht, Ed«, versichere ich ihm unter noch lauterem Gelächter und verhaltenem Applaus von der Bar, wohl als Anerkennung für seine Hartnäckigkeit.

Wir tauschen Handynummern aus, was mich immer in Verlegenheit bringt. Ich gebe ihm meine Privatnummer und schlage vor, dass er mir eine SMS schickt, falls etwas dazwischenkommt. Er bittet mich ebenfalls darum.

»Und hey, Nat?« – mit plötzlich erheblich sanfterer Stimme.

»Was denn?«

»Haben Sie nur ja einen wirklich guten Familienurlaub, okay?« Und für den Fall, dass ich es mir nicht gemerkt habe: »Also Montag in zwei Wochen. 20 Uhr. Hier.«

Alle lachen oder klatschen, Ed macht sich mit der Andeutung eines Winkens mit dem ganzen rechten Arm in Richtung Umkleide davon.

»Kennt jemand ihn?«, frage ich.

Kopfschütteln. Tut uns leid, Mann.

»Hat ihn schon mal jemand spielen sehen?«

Leider wieder nein.

Ich begleite meinen gegnerischen Besucher in den Eingangsbereich und stecke auf dem Weg zurück zur Umkleide meinen Kopf durch die Tür der Verwaltung. Alice ist in ihren Computer vertieft.

»Ed, und wie weiter?«, frage ich sie.

»Shannon«, antwortet sie, ohne den Kopf zu heben. »Edward Stanley. Einzelmitgliedschaft. Einzugsermächtigung, Anwohner.«

»Beruf?«

»Mr Shannon ist Rechercheur von Beruf. Wen er recherchiert, hat er nicht gesagt. Was er recherchiert, hat er nicht gesagt.«

»Anschrift?«

»Hoxton, gehört zu Hackney. Da, wo meine zwei Schwestern wohnen und meine Cousine Amy.«

»Alter?«

»Mr Shannon ist nicht berechtigt für eine Juniormitgliedschaft. Um wie viel er nicht berechtigt ist, hat er nicht gesagt. Ich weiß nur, das ist ein ziemlich unersättlicher Kerl, radelt quer durch ganz London, nur um den Meister des Südens herauszufordern. Er hat von Ihnen gehört, jetzt ist er gekommen, um Sie zu kriegen, so sicher, wie David Goliath gekriegt hat.«

»Hat er das so gesagt?«

»Was er nicht gesagt hat, habe ich in meinem eigenen Kopf vermutet. Sie sind schon zu lange der Meister hier für Ihr Alter, Nat, genau wie Goliath. Wollen Sie etwas über seine Eltern wissen? Wie hoch die Hypothek? Wie lange im Gefängnis?«

»Gute Nacht, Alice. Und danke.«

»Ich wünsche Ihnen auch eine gute Nacht, Nat. Und richten Sie Ihrer Prue liebe Grüße aus. Und machen Sie sich keine Sorgen wegen dem jungen Mann. Sie werden ihn schon aus dem Weg räumen, genau wie all die anderen Grünschnäbel.«

CHAPTER 2

Würde es sich hier um einen offiziellen Bericht zu seiner Klaridentität handeln, dann würde ich mit Eds vollem Namen anfangen, seinen Eltern, dem Geburtsdatum und -ort, Beruf, seiner Religionszugehörigkeit, ethnischen Herkunft, sexuellen Orientierung und mit all den anderen wichtigen Daten, die in Alice' Computer fehlen. So aber fange ich mit meinen eigenen an.

Ich wurde auf den Namen Anatoly getauft, der später zu Nathaniel anglisiert und dann zu Nat verkürzt wurde. Ich bin eins achtundsiebzig, glatt rasiert, habe buschiges, immer grauer werdendes Haar, bin verheiratet mit Prudence, Partnerin in einer alteingesessenen, tendenziell barmherzigen Anwaltskanzlei in der City of London für Rechtsfragen allgemeiner, vor allem aber kostenloser Art.

Ich bin schlank gebaut, Prue sagt lieber drahtig dazu. Ich liebe jede Art von Sport. Neben Badminton jogge ich, ich laufe und trainiere einmal in der Woche in einer Sporthalle, zu der die Öffentlichkeit keinen Zutritt hat. Ich verfüge über einen rauen Charme und die offene Persönlichkeit eines Mannes von Welt. In Erscheinungsbild und Benehmen entspreche ich dem Urbild des Briten und bin spontan in der Lage, eine flüssige und überzeugende Debatte zu führen. Ich passe mich den Umständen an und habe keine unüberwindlichen moralischen Skrupel. Ich kann aufbrausend sein und bin keineswegs gegen weiblichen Charme gefeit. Ich bin von Natur aus eher nicht für Schreibtischarbeit oder ein sesshaftes Leben geeignet, was die Untertreibung des Jahrhunderts ist. Ich kann halsstarrig sein und reagiere meiner Natur gemäß nicht auf Maßregelungen. Das kann so positiv wie negativ sein.

Ich zitiere aus den jüngsten vertraulichen Berichten meines Arbeitgebers zu meinen Leistungen und meiner allgemeinen Einstellung in den vergangenen fünfundzwanzig Jahren. Sie möchten sicherlich auch gern wissen, dass man im Ernstfall darauf vertrauen kann, dass ich die nötige Abgebrühtheit zeige, doch ist nicht angegeben, wer darauf vertraut und in welchem Umfang. Im Gegensatz dazu habe ich eine gewisse Leichtigkeit an mir und verfüge über eine freundliche Natur, die Vertrauen vermittelt.

Nüchtern betrachtet bin ich britischer Staatsangehöriger gemischter Herkunft, ein in Paris geborenes Einzelkind; mein verstorbener Vater war zum Zeitpunkt meiner Zeugung ein mittelloser Major der Scots Guards, im Einsatz beim NATO-Hauptquartier in Fontainebleau, meine Mutter die Tochter eines unbedeutenden weißrussischen Adligen, der in Paris residierte. Weißrussisch soll heißen, dass es auf der Seite ihres Vaters einen ordentlichen Schuss deutsches Blut gab, was sie je nach Laune entweder betonte oder leugnete. Der Geschichte zufolge lernte sich das Paar bei einem Empfang kennen, der von den Überbleibseln der selbst ernannten russischen Exilregierung gegeben wurde, und zwar in der Zeit, als meine Mutter sich noch Kunststudentin nannte und mein Vater fast vierzig war. Am Morgen danach waren sie verlobt; zumindest erzählte es meine Mutter so, und angesichts ihrer Lebensumstände in anderen Bereichen habe ich kaum Grund, ihre Behauptung anzuzweifeln. Nach seinem Abschied vom Militär – zwangsweise und schleunigst umgesetzt, da mein Vater zu dem Zeitpunkt bereits eine Frau und weitere Verpflichtungen hatte –, bezogen die Frischvermählten im Pariser Vorort Neuilly ein hübsches weißes Haus, zur Verfügung gestellt von den Eltern meiner Mutter. Bald wurde ich dort geboren, was meine Mutter in die Lage versetzte, sich einem neuen Zeitvertreib zu widmen.

(Continues…)


Excerpted from "Federball"
by .
Copyright © 2019 David Cornwell.
Excerpted by permission of Ullstein Buchverlage.
All rights reserved. No part of this excerpt may be reproduced or reprinted without permission in writing from the publisher.
Excerpts are provided by Dial-A-Book Inc. solely for the personal use of visitors to this web site.

From the B&N Reads Blog

Customer Reviews