Für immer in meinem Herzen: Liebesroman

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eBook1. Auflage (1. Auflage)

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Overview

Als die angehende Ärztin Reese Powell ihn zum ersten Mal sieht, ist sie fasziniert. Denn Caleb Stoltz ist groß, blond und sehr sexy. Ohne darüber nachzudenken, steht Reese ihm nach dem Unfall seines Neffen bei. Mit Caleb kann sie reden wie mit sonst niemandem. Statt wie ihre Eltern Forderungen zu stellen, weckt er ihre Lebensfreude neu und zeigt echtes Interesse an ihr als Mensch. Doch Caleb macht nur für die Genesung seines Neffen einen Ausflug in die moderne Welt, bevor er zurückkehrt in seine Amish-Gemeinde. Damit ihre Liebe eine Chance hat, muss Reese kämpfen.

»In ruhigem Erzählstil, flüssig lesbare, gute Unterhaltung.«
EKZ Bibliotheksservice

»Eine unvergessliche Geschichte über Liebe, Verlust, Familie und Freundschaft, die lange nach dem Umblättern der letzten Seite im Leser nachklingt.«
Booklist über »Was mein Herz dir sagen will«

»Klug, kreativ und genial, hier hat sich Susan Wiggs selbst übertroffen. Ich habe das Buch verschlungen und so schnell umgeblättert, dass ich mich am Papier geschnitten habe.«
SPIEGEL-Bestsellerautorin Debbie Macomber über »Dich im Herzen«


Product Details

ISBN-13: 9783955768997
Publisher: MIRA Taschenbuch
Publication date: 03/01/2019
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 400
File size: 4 MB
Language: German

About the Author

About The Author
Susan Wiggs hat an der Harvard Universität studiert und ist mit gleicher Leidenschaft Autorin, Mutter und Ehefrau. Ihre Hobbys sind Lesen, Reisen und Stricken. Sie lebt mit ihrem Mann, ihrer Tochter und dem Hund auf einer Insel im nordwestlichen Pazifik.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Silbern blitzte der Jet am Morgenhimmel. Caleb Stoltz schob seinen Hut auf dem Kopf zurück und schaute dem Flugzeug hinterher. Vor dem makellosen Blau des Sommerhimmels glitzerte der Rumpf wie ein seltenes Juwel – kostbar und außer Reichweite.

»Hey, sieh nur, Onkel Caleb. Flugzeugspuren«, sagte Jonah und zeigte auf die beiden weißen Streifen, die dem Weg des Flugzeugs am Himmel folgten.

Caleb grinste seinen Neffen an und reichte ihm den halb vollen Milcheimer aus dem Milchhaus. »Die nennt man Kondensstreifen. Verschütte die Milch nicht«, ermahnte er ihn. »Ich komme gleich zum Frühstück hinein.«

Mit dem Eimer in der Hand ging der Junge auf das weiße Holzhaus zu. Seine staubigen nackten Füße hinterließen flache Abdrücke auf der trockenen Erde. Jonahs dünne Beine, gebräunt von einem Sommer im Wasser der Crystal Falls oben am Bach, ragten beinahe wie Fremdkörper aus seiner lumpigen schwarzen Hose, die ihm vor Kurzem noch gepasst hatte. Jetzt, mit elf, wuchs der Junge wie Mais im Sommer. Caleb würde Hannah überreden müssen, ihm vor dem Schulanfang in ein paar Wochen eine neue Hose zu nähen. Wenn die Kinder nicht ständig wachsen würden, hätte er kein Gefühl für den Verlauf der Zeit.

Auf einer Farm zählten die Jahreszeiten, nicht die Jahre.

Caleb spülte schnell den Milchschuppen aus. Der Wasserstrahl zischte auf dem Betonboden und ließ feine Tröpfchen auf seine Arbeitsschuhe regnen. Dann stellte er das Wasser ab, wickelte den Schlauch auf und verließ den Schuppen, wobei er noch einmal zu den wolkigen Kondensstreifen hinaufschaute, die sich langsam auflösten. Der Jet war lange fort, auf dem Weg nach New York oder Bangkok oder an einen anderen Ort, den Caleb niemals besuchen würde. Er betrachtete die Flugbahn und fragte sich, warum es Bahn genannt wurde, wenn es doch keine sichtbaren Schienen gab, nichts, das den Weg markierte, außer unsichtbarer Luft. Erst nachdem das Flugzeug vorbeigeflogen war, konnte man seine Route erahnen.

Wenn Rebecca bei ihm gewesen wäre, hätte sie die Augenbrauen zusammengezogen und ihn für seine müßigen Gedanken gescholten. Daraufhin hätte er sie herausgefordert zu beweisen, dass Gedanken überhaupt müßig sein konnten, und sie hätte verständnislos die Stirn in Falten gelegt. »Ich schwöre es, Caleb Stoltz«, hätte sie gesagt und das Thema gewechselt. Wie es eben ihre Art war.

Ah, Rebecca. Sie war die Herausforderung eines jeden Tages. Das Problem lastete schon viel zu lang auf seinem Gewissen. Es war an der Zeit, sich dem Unausweichlichen zu stellen. Sie hatten so etwas wie eine Übereinkunft. Rebecca glaubte, dass sie in naher Zukunft ihre Uhr von ihm bekäme, das traditionelle Verlobungsgeschenk, und sie würde Caleb im Gegenzug ein besticktes Tuch schenken, um ihre Zustimmung zu signalisieren. Auch wenn sie nicht begierig darauf war, Calebs Nichte und Neffen aufzuziehen und sich um seinen Vater zu kümmern, war sie doch gewillt, ihre Pflicht zu tun.

Caleb musste sich die Wahrheit eingestehen, die er tief in seinem Inneren verspürte, seitdem die Kirchenältesten ihm mitgeteilt hatten, dass er und Rebecca Zook heiraten sollten. Und über diese Wahrheit zu reden, würde unangenehm werden. Er verspürte durchaus Zuneigung für Rebecca, aber nicht die tiefe Liebe, die einen Mann und eine Frau ein Leben lang verbinden würde. Er war sich nicht einmal sicher, ob es so eine Liebe überhaupt gab.

Es wäre nicht fair, sie hinzuhalten.

Für einen Moment blieb er im Garten stehen und betrachtete die Farm, nahm den Anblick des breiten Tals in sich auf, das am Fuße der Pocono Hills lag. Die Felder waren eine bunte Patchworkdecke aus Mais, Weizen, Alfalfa und Sorghumhirse, die sich, so weit das Auge reichte, über eine hügelige Landschaft erstreckte. In der Ferne waren Eli Kemp und seine Söhne dabei, Weizen zu ernten. Ihre Sicheln schwangen im Rhythmus eines Liedes, das sie sangen, und der Klang schallte in der Stille des Morgens über das Tal. Wie fleißige Soldatenameisen bewegten sie sich die Reihen entlang, die gebogenen Klingen fällten die Halme, die ordentlich zu einer Seite fielen. Elis Frau folgte ihnen und band die Garben zusammen.

Das ist Middle Grove, dachte Caleb. Glaube, Arbeit und Familie, zusammengenäht vom Faden ihrer gemeinsamen Hingabe. Andere Farmer im Distrikt mochten die süße Luft einatmen und ein stummes Gebet sprechen. Danke für diesen Tag, o Herr. Aber nicht Caleb. Schon sehr, sehr lange nicht mehr.

Von der Nachbarfarm durchbrach das Dröhnen eines hydraulischen Motors die Ruhe des Morgens. Das mechanische Keuchen übertönte den Gesang der Kemps. Die Hauber machten sich bereit, heute das Silo zu füllen. Der von einem Dieselmotor angetriebene Schredder würde den Mais zerhacken, damit er in den Getreidespeicher geblasen werden konnte.

Caleb würde hinübergehen, nachdem er mit Rebecca gesprochen hatte. In der Zwischenzeit sorgte er dafür, beschäftigt zu bleiben. Er mochte es, etwas zu tun zu haben. Das hielt ihn davon ab, zu sehr über die Dinge nachzudenken. Die Sonne stand am Himmel, es gab Arbeiten zu erledigen, und diese Arbeiten gingen schneller von der Hand, wenn die Nachbarn alle mit anpackten.

Er nahm den breitkrempigen Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann ging er ins Haus. Trotz der offenen Fenster war es in der Küche erstickend heiß. Die Tür des alten, gusseisernen Ofens öffnete sich mit einem metallischen Quietschen, als Calebs Nichte Hannah ihn weiter anheizte, um Kaffee zu kochen. Rauch und der Geruch nach verbranntem Toast hüllte den Raum in einen grauen Dunst.

»Hannah hat wieder das Toast anbrennen lassen«, verkündete Jonah unnötigerweise.

Seine Schwester, sechzehn und so unbegreiflich wie eine außerirdische Lebensform aus einem Science-Fiction-Roman, stemmte die Hände in die Hüften. »Ich hätte gar nichts anbrennen lassen, wenn du nicht die Milch verschüttet hättest.« Sie warf einen bösen Blick auf die bläulich-weiße Pfütze auf dem ausgetretenen Linoleumboden.

»Nun, ich hätte die Milch nicht verschüttet, wenn du mich nicht Brutzbaby genannt hättest.«

»Aber das bist du doch«, gab sie zurück. »Ständig schmollst du.«

»Ha. Bald wirst du heiraten und ein echtes Baby bekommen, dann weißt du, wie das ist.«

»Hey, hey.« Caleb hob die Hand und bat um Ruhe. »Es ist noch nicht einmal sieben Uhr, und ihr beide kabbelt euch schon.«

»Aber sie hat mich ...«

»Es reicht, Jonah.« Caleb hatte die Stimme nicht erhoben, aber der scharfe Tonfall bot der Frechheit seines Neffen Einhalt. Die Geschwister stritten sich oft, doch sie hatten auch eine tiefe Verbindung zueinander, durch die sie sich sehr nahestanden. Nach einer schrecklichen Katastrophe zu Waisen geworden, teilten sie ein Gefühl der Verletzlichkeit, das sie enger als andere Geschwister zusammenrücken ließ. »Habt ihr etwas gegessen?«

»Er hat sich aus seinen Cornflakes wieder einen Weintraubenmatsch gemacht«, sagte Hannah. »Das ist widerlich.« Jonahs seltsame Angewohnheit, Weintraubengelee in seine Cornflakes zu geben, ekelte sie.

»Immer noch besser als verbranntes ...« Jonah fing Calebs Blick auf und schloss den Mund.

»Geh rüber zu den Haubers«, sagte Caleb zu ihm. »Sag ihnen, dass ich bald komme.«

»Okay.« Jonah setzte sich seinen Hut auf und ging zur Tür.

»Pass in der Nähe der Maschinen auf, hörst du?«, rief Caleb ihm nach, denn der Schredder hatte scharfe Klingen und unten im Silo lief ein großer Bohrer.

»Keine Sorge, ich helfe schon aus, seit ich so klein wie ein Grashüpfer war«, entgegnete Jonah mit einem selbstbewussten Grinsen, das Calebs Gereiztheit wie immer sofort verschwinden ließ. »Oh! Beinahe hätte ich meinen Glückspenny vergessen.« Er flitzte in sein Zimmer und kehrte mit dem Glücksbringer zurück. Es handelte sich um eine Münze, die in der Pennypresse in der alten Wassermühle in Blakeslee flach gedrückt worden war. Ein Andenken an Jonahs einzigen Ausflug außerhalb von Middle Grove. Er steckte die Münze in seine Tasche und öffnete dann die Fliegengittertür.

»Wir sehen uns zum Mittagessen«, sagte Caleb.

»Okay.«

»Und knall die Tür nicht ...«

Die Tür fiel krachend ins Schloss.

» ... so zu«, beendete Caleb kopfschüttelnd den Satz.

Hannah wischte die Milch auf, während Caleb sich an der Küchenspüle wusch. Durch das Fenster über dem Becken sah er Jonah flink wie ein Kaninchen über das Feld zu den Silos laufen. Jubilee, die Collie-Mischlingshündin, die dem Jungen überallhin folgte, rannte an seiner Seite. Mit einem Mal sprang Jonah hoch in die Luft und landete mit den Händen auf der Erde in einem Handstand. Das war eine Spezialität des Jungen, ein Ausdruck der überwältigenden Freude seines jungen, geschmeidigen Körpers. Und vielleicht seine Art, diesen perfekten Sommermorgen zu feiern.

In der Küche hing ein unangenehmes Schweigen so dick wie der Rauch in der Luft. In letzter Zeit wusste Caleb nicht mehr, was er zu seiner übellaunigen Nichte sagen sollte. Sie war so jung gewesen, als er unter dem finsteren Schatten des Missmuts der Älteren Middle Grove verlassen hatte. Damals war er entschlossen gewesen, ein Leben außerhalb der Gemeinde zu finden. Aber er war zurückgekehrt, heimgeholt von einer schrecklichen Tragödie. Damals hatte sich Hannah bereits in eine dünne, nervöse Zwölfjährige verwandelt, die von Albträumen über ihre ermordeten Eltern heimgesucht wurde.

Jetzt war seine Nichte eine Fremde, das einzige Mädchen in einem Haushalt voller Männer, ohne eine weibliche Hand, die sie leitete. Sie hatte nur Caleb, der mangelhaft dafür gerüstet war, sich um sie und seinen Vater Asa zu kümmern – einen Mann, der sich mit eisernen Fäusten an die alten Wege klammerte. Inzwischen waren schon mehrere Freundinnen von Hannah getauft und jungen Männern versprochen worden. Er konnte sich seine kleine Nichte nicht einmal ansatzweise als Frau und Mutter vorstellen.

Nachdem er sich die Hände gewaschen und abgetrocknet hatte, stellte er ein Tablett mit dem Frühstück für seinen Vater zusammen und ließ es wie üblich auf dem Tisch stehen. Asa stand immer früh auf, um in der Ruhe des Werkzeugschuppens neben dem Haus Die Botschaft zu lesen. Caleb öffnete einen Küchenschrank und nahm ein Bündel Bargeld aus der Kaffeedose. Die Scheine steckte er in seine Brieftasche. Nach der Arbeit und nach dem Gespräch mit Rebecca wollte er zur Grantham Farm hoch, um ein neues Pferd zu kaufen. Baudouin, der kräftige Belgier, war alt. Er hatte in seinem Leben alles gegeben und sich seinen entspannten Ruhestand auf der grünen Wiese wohl verdient. Doch Caleb brauchte einen Ersatz. Um sich etwas Geld hinzuzuverdienen und die Rechnungen bezahlen zu können, führte er ein Gespann aus Zugpferden. Sie waren sehr gefragt, vor allem im Winter, wenn Auto stecken blieben und umgestürzte Bäume aus dem Weg geräumt werden mussten. Es war bemerkenswert, wie oft die Englischen ein Zuggespann benötigten.

Bei einem weiteren Blick aus dem Fenster sah er Jonah wie ein Äffchen auf dem Transportband herumklettern, mit dem die gebundenen Maiskolben in das Mahlwerk geschoben wurden. Der Junge liebte die Höhe und meldete sich immer freiwillig, wenn irgendwo Hilfe gebraucht wurde. Caleb hatte diese Arbeit auch immer gemocht. Von der hochgelegenen Öffnung des Silos sah die Welt ganz anders aus. Er hatte sich immer die Turmszene aus Herr der Ringe vorgestellt, dem verbotenen Buch, das ihm einst ein paar Stockschläge von seinem Vater eingebracht hatte, als er ihn beim Lesen erwischte. Während er die Stängel in den Schredder führte, hatte Caleb sich immer vorgestellt, dass die surrenden, glitzernden Messer zu einem gefährlichen Drachen gehörten, der den Turm bewachte.

»Das mit dem Toast tut mir leid, Onkel Caleb«, sagte Hannah und holte die verbrannten Reste aus dem Drahtgestell.

»Kein Problem.« Um die Stimmung etwas aufzuheitern, schnappte er sich ein Stück, biss hinein und tat mit geschlossenen Augen so, als würde er es genießen. »Ah«, sagte er. »Ambrosia.«

Sie lachte leise. »Ach, Onkel Caleb. Sei nicht albern.«

Er schluckte den Rest des Toasts hinunter und grinste, wobei er seine vom Toastbrotruß geschwärzten Zähne zeigte. »Wer ist hier albern?«

»Was ist Ambrosia überhaupt? Eins ist sicher, du benutzt gerne große Worte.«

»Ambrosia ist das, was die griechischen Götter gegessen haben«, erklärte er. »Also gehe ich davon aus, dass es bedeutet, irgendetwas ist so gut, dass man damit die Götter füttern kann.«

Bei der Erwähnung der griechischen Götter keuchte Hannah leise auf. Das war ein verbotenes Thema. Schnell wischte sie die Brotkrümel von der Arbeitsplatte. »Du bist so klug.«

»Nur weil ich die Bedeutung eines Wortes kenne, bedeutet das nicht, dass ich klug bin.«

»Na sicher tut es das. Ich habe Rebecca sagen hören, dass du fortgegangen und klüger wiedergekommen bist. Deshalb hast du dich immer noch nicht der Gemeinde angeschlossen – weil du den Kopf voller hochmütiger englischer Flausen hast.«

»Rebecca hört sich gerne reden.« Bei der Erwähnung ihres Namens spürte Caleb, wie ihm ein Schweißtropfen den Nacken hinunterrann. Rebeccas Ansicht, dass seine Zeit der Abwesenheit ihn hochmütig gemacht hatte, war noch ein Grund mehr, warum sie kein gutes Paar abgaben. Sich Bildung anzueignen machte einen Mann nicht hochmütig. Im Gegenteil, es war eine zutiefst demütigende Erfahrung.

In der Zeit, in der er weg gewesen war, hatte Caleb das Undenkbare getan. Entgegen aller Prinzipien der Amischen war er zu College-Vorlesungen gegangen. Die traditionelle, bis zur achten Klasse gehende Schulbildung hatte einen Wissensdurst in seiner Seele hinterlassen, und so hatte er sich nach Büchern und Bildung gesehnt, wie sich ein durstiger Mann an einem heißen Augusttag nach einem Glas eiskalter Limonade sehnt. Mit seinem Fahrrad war er die dreizehn Meilen gefahren, um Vorlesungen am Community College zu besuchen und Lektionen in Geschichte, Philosophie, Logik, Mathematik und anderen Wissenschaften in sich aufzusaugen, die nichts damit zu tun hatten, wie man Weizen säte oder Tiere züchtete. Es war eine demütigende Erfahrung zu erkennen, wie viel es für ihn noch zu lernen gab. Er hatte gerade erst damit angefangen, als er hatte zurückkommen müssen. Dieser Tage stellte er sich die Welt, die er außerhalb von Middle Grove kennengelernt hatte, schimmernd wie eine Schimäre am Horizont vor: so verlockend nah und doch außer Reichweite.

Hannah beendete das Aufräumen der Küche in ihrer üblichen nachlässigen Art. Wenn Calebs Vater hereinkäme, würde er sicherlich auf die Krümel auf dem Boden und das Geschirrtuch auf der Arbeitsplatte hinweisen. Vermutlich würde er außerdem stirnrunzelnd sein Frühstückstablett mustern und anmerken, dass eine ordentliche Amisch-Familie gemeinsam das Brot brach, ihre geschrubbten Gesichter erleuchtet von der Inspiration des stillen Gebets, bevor sie sich an Pfannkuchen mit Beerenkonfitüre und dicken Scheiben salzigen Schinkens gütlich taten.

Aber sie waren nicht wie andere Familien. Caleb konnte sich nicht um alles kümmern.

»Onkel Caleb?«

Als er den zögerlichen Unterton in Hannahs Stimme hörte, drehte er sich zu ihr um. Zu seiner Überraschung waren ihre Wangen unter den losen Bändern ihrer Kapp errötet.

»Was ist, Liebchen?« Er hoffte, der vertraute Kosename würde in ihren Ohren tröstend klingen.

»Am Sonntagabend gibt es im Großen Saal ein gemeinsames Singen«, sagte sie. »Ich habe mich gefragt, ob ich wohl hingehen dürfte?«

»Ich denke, das kannst du«, sagte er. Das gemeinsame Singen fand am Sonntag nach dem Gottesdienst statt. Die Erwachsenen gingen für den Abend heim, sodass die Kinder sich um den Tisch versammeln und singen konnten – nicht die langsamen Morgenlieder, die der Andacht dienten, sondern schnellere, die dazu gedacht waren, die Kinder zum Reden zu bringen. Und »reden« bedeutete, einander in Augenschein zu nehmen, denn das Ziel war es, die jungen Leute dazu zu veranlassen, mit dem Werben anzufangen. Es wirkte arrangiert, war aber im Grunde nichts anderes als ein Highschool-Ball in der Außenwelt.

»Okay.« Hannah knetete sich die Hände und schaute sich hektisch um.

»Hast du sonst noch etwas auf dem Herzen?«, hakte er nach.

»Kann ich mit Aaron Grabers Buggy nach Hause fahren?«, platzte es aus ihr heraus.

Caleb verspürte einen unangenehmen, überraschten Stich im Magen. Aaron Graber, dachte er. Eher Aaron Grapscher. Caleb war nicht sicher, ob ihm die Vorstellung gefiel, dass die kleine Hannah mit einem Jungen herumlief, vor allem nicht mit einem, der die Mädchen angaffte wie ein Fuchs die Hühner.

Ein entferntes Bellen hallte durchs Fenster, aber Caleb hielt seine Aufmerksamkeit auf seine Nichte gerichtet. Das hier war eine große Sache. Sie wollte turteln. Seine kleine Hannah. Es kam ihm vor, als wäre es erst gestern gewesen, dass er ihr gezeigt hatte, wie man einen Softball schlug, oder ihr alberne Witze erzählt und sie zum Lachen gebracht hatte. Wo war diese Hannah jetzt?

»Nun«, sagte er. »Ich denke nicht ...«

»Bitte, Onkel Caleb«, flehte sie. »Er hat ausdrücklich mich gefragt.«

Bevor er etwas erwidern konnte, wurde die Küchentür so fest aufgestoßen, dass sie gegen die Wand prallte. Levi Haubers Gesicht hatte die Farbe von altem Schnee, und seine Schultern zuckten sichtlich. Noch bevor er den Mund öffnete, ließ das pure Entsetzen in seinem Blick Caleb erstarren.

(Continues…)


Excerpted from "Für immer in meinem Herzen"
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