Die Tänzerin von Paris: Roman
Tanz war meine Antwort – auf alles, was das Leben mir abverlangte... Paris, 1928: Lucia ist jung, begabt und wird in der Bohème als Tänzerin gefeiert. Aber ihr Vater ist der große James Joyce, und so modern seine Werke auch sein mögen, so argwöhnisch beobachtet er das Streben seiner Tochter nach einem selbstbestimmten Leben. Dann begegnet Lucia dem Schriftsteller Samuel Beckett, der ihre große Liebe wird. Doch ihre Hoffnungen, sich aus dem Schatten des übermächtigen Vaters zu befreien und ihren eigenen Weg gehen zu können, drohen schon bald zu scheitern. Das tragische Schicksal einer jungen Frau auf der Suche nach Freiheit und Liebe – nach der wahren Geschichte von Lucia Joyce. »Das starke Portrait einer jungen Frau, die sich danach sehnt, als Künstlerin zu leben, und deren Lust am Leben einem entgegenleuchtet.« The Guardian.
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Die Tänzerin von Paris: Roman
Tanz war meine Antwort – auf alles, was das Leben mir abverlangte... Paris, 1928: Lucia ist jung, begabt und wird in der Bohème als Tänzerin gefeiert. Aber ihr Vater ist der große James Joyce, und so modern seine Werke auch sein mögen, so argwöhnisch beobachtet er das Streben seiner Tochter nach einem selbstbestimmten Leben. Dann begegnet Lucia dem Schriftsteller Samuel Beckett, der ihre große Liebe wird. Doch ihre Hoffnungen, sich aus dem Schatten des übermächtigen Vaters zu befreien und ihren eigenen Weg gehen zu können, drohen schon bald zu scheitern. Das tragische Schicksal einer jungen Frau auf der Suche nach Freiheit und Liebe – nach der wahren Geschichte von Lucia Joyce. »Das starke Portrait einer jungen Frau, die sich danach sehnt, als Künstlerin zu leben, und deren Lust am Leben einem entgegenleuchtet.« The Guardian.
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Overview

Tanz war meine Antwort – auf alles, was das Leben mir abverlangte... Paris, 1928: Lucia ist jung, begabt und wird in der Bohème als Tänzerin gefeiert. Aber ihr Vater ist der große James Joyce, und so modern seine Werke auch sein mögen, so argwöhnisch beobachtet er das Streben seiner Tochter nach einem selbstbestimmten Leben. Dann begegnet Lucia dem Schriftsteller Samuel Beckett, der ihre große Liebe wird. Doch ihre Hoffnungen, sich aus dem Schatten des übermächtigen Vaters zu befreien und ihren eigenen Weg gehen zu können, drohen schon bald zu scheitern. Das tragische Schicksal einer jungen Frau auf der Suche nach Freiheit und Liebe – nach der wahren Geschichte von Lucia Joyce. »Das starke Portrait einer jungen Frau, die sich danach sehnt, als Künstlerin zu leben, und deren Lust am Leben einem entgegenleuchtet.« The Guardian.

Product Details

ISBN-13: 9783841213143
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 07/14/2017
Series: Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe , #3
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 512
File size: 2 MB
Language: German

About the Author

Annabel Abbs studierte Englische Literatur und leitete eine große Marketing Consulting Agency, bevor sie zu schreiben begann. Ihre Kurzgeschichten wurden hochgelobt, und ihr Debütroman „Die Tänzerin von Paris“ wurde mehrfach ausgezeichnet. Mit ihrem Mann und ihren vier Kindern lebt Annabel Abbs in London und Sussex.


Ulrike Seeberger, geboren 1952, Studium der Physik, lebte zehn Jahre in Schottland, arbeitete dort u.a. am Goethe-Institut. Seit 1987 freie Übersetzerin und Dolmetscherin in Nürnberg. Sie übertrug u. v. a. Lara Prescott, Philippa Gregory, Vikram Chandra, Alec Guiness, Oscar Wilde, Charles Dickens, Jean G. Goodhind und Greg Iles ins Deutsche.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

November 1928, Paris

"Zwei Genies in einer Familie. Werden wir wohl miteinander konkurrieren?" Babbo drehte den Edelsteinring an seinem Finger, hatte die wässrigen Augen noch auf die Paris Times gerichtet.

Er schaute auf das Foto von mir, musterte es, als hätte er mich noch nie zuvor gesehen. "Wie schön du bist, mia bella bambina. Genauso hat deine Mutter ausgesehen, als sie mit mir durchgebrannt ist."

"Das hier ist meine Lieblingsstelle, Babbo." Ich nahm ihm die Zeitung aus der Hand und las atemlos aus der Kritik meines Debüts als Tänzerin vor. "Wenn sie ihr Talent erst einmal voll ausgeschöpft hat, werden wir James Joyce vielleicht nur noch als den Vater seiner Tochter kennen."

"Wie stürmisch dein Ehrgeiz ist, Lucia. Mir hat sich die nächste Zeile ins Gedächtnis gegraben. Du erlaubst." Er begann in seiner dünnen, näselnden Stimme zu rezitieren: "Lucia Joyce ist die Tochter ihres Vaters. Sie hat James Joyce' Begeisterung, Energie und eine noch zu bestimmende Menge seines Genies." Er hielt inne und fuhr sich mit zwei tabakvergilbten Fingern durch das frisch geölte Haar. "Dein Auftritt war ganz und gar erstaunlich. Welcher Rhythmus, welche Vergänglichkeit ... ich musste tatsächlich an Regenbogen denken." Er schloss kurz die Augen, als riefe er sich den Abend in Erinnerung. Dann riss er die Augen auf. "Was schreibt die unanfechtbare Paris Times sonst noch über meine Nachkommenschaft?"

"Sie schreibt: Sie hat sich im Théâtre des ChampsÉlysées– der Heimat des Avantgarde-Tanzes in Paris – einen Namen gemacht. Sie tanzt den ganzen Tag; wenn nicht mit ihrer Tanztruppe, dann nimmt sie Unterricht oder tanzt für sich. Wenn sie nicht tanzt, entwirft sie Kostüme, arbeitet Farbzusammenstellungen aus, kreiert Farbeffekte. Zur Krönung des Ganzen spricht sie nicht weniger als vier Sprachen – fließend – und ist groß, schlank und bemerkenswert anmutig, mit braunem, zu einem Bob geschnittenen Haar, blauen Augen und einem makellosen Teint. Was für ein Talent!" Ich warf die Zeitung auf das Sofa und begann im Wohnzimmer herumzuwirbeln, drehte mich in weiten, wilden Kreisen. Der Applaus hallte in meinen Ohren wider, das Hochgefühl durchströmte noch meine Adern. Ich hob die Arme und wirbelte durch den Raum – vorbei an Babbos geliebten Ahnenbildern in ihren vergoldeten Rahmen, rings um die aufgestapelten Bände der "Encyclopaedia Britannica" herum, die auch als Schemel dienten, wenn Babbos Schmeichler kamen, um ihn lesen zu hören, an Mamas eingetopften Farnen vorbei.

"Ganz Paris liest das, Babbo. Über mich! Und", ich wedelte mit dem Zeigefinger vor ihm herum, "du nimmst dich jetzt besser in Acht!"

Babbo verschränkte seine Füße, lehnte sich träge auf dem Stuhl zurück und beobachtete mich. Er ließ mich nicht aus den Augen. "Wir werden heute Abend bei Michaud essen. Wir werden bis in die frühen Morgenstunden auf dein Wohl trinken, mia bella bambina. Lade deine tanzende amerikanische Freundin ein, uns die Ehre ihrer Anwesenheit zu geben. Und ich lade Miss Steyn ein." Wieder berührte er sein Haar, strich es mit einem plötzlich geistesabwesenden Ausdruck am Kopf glatt. "Und ich nehme an, du solltest wohl auch den jungen Mann einladen, der die Musik komponiert hat."

"Ja, wir wollen Émile einladen, Mr Fernandez!" Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer, als ich mich auf die Zehenspitzen erhob und eine, noch eine und dann eine dritte Pirouette drehte, ehe ich mich auf das Sofa fallen ließ. Ich schaute zu Babbo. Hatte er bemerkt, wie sich mein Puls bei der Erwähnung von Émile beschleunigte? Aber seine Augen waren geschlossen, und er spielte mit seinem Schnurrbart, drückte die Enden mit seinen Zeigefingern nach unten. Ich fragte mich, ob er wohl an Miss Stella Steyn dachte, die sein Buch illustriert hatte, oder daran, ob er seinen Schnurrbart noch mit Pomade striegeln sollte oder nicht, ehe wir zu Michaud gingen.

"Hat die Zeitung den Komponisten nicht erwähnt – wie hieß er doch gleich?" Babbo schlug die Augen auf und sah mich an, und seine Pupillen schwammen hinter den dicken Linsen seiner Brille wie schwarze Kaulquappen in einem Topf Milch.

"Émile Fernandez", wiederholte ich. Würde er den weicheren Tonfall meiner Stimme bemerken? Während wir für meine Premiere arbeiteten, waren Émile und ich einander nähergekommen, und ich war mir nicht sicher, wie Babbo reagieren würde. Er war stets sehr besitzergreifend, wenn es um mich ging. Sowohl er als auch Mama brummelten stets, dass man diese Dinge in Irland ganz anders handhabte. Wenn ich ihnen widersprach, dass wir hier in Paris seien und alle anderen Tänzerinnen Hunderte von Liebhabern hätten, seufzte Babbo nur, und Mama senkte die Stimme und zischte: "Schlampen, schamlos, alle miteinander!"

"Ich rufe bei Miss Steyn an, und du kannst bei Mr Fernandez und deiner entzückenden Tanzfreundin anrufen, deren Name mir nicht einfällt." Er fuhr sich mit der Hand zum Hals und rückte sorgfältig seine gepunktete Fliege zurecht.

"Kitten", sagte ich und erinnerte mich dann, dass Mama und Babbo sie immer noch hartnäckig Miss Neel nannten. "Du weißt schon, Miss Neel. Wie kannst du ihren Namen vergessen? Sie ist seit Jahren meine beste Freundin."

"Sie heißt wie das Kätzchen?" Er verstummte und wühlte in der Tasche seines Samtjacketts nach Zigaretten. Wir hörten die schweren Schritte meiner Mutter auf der Treppe.

"Ich denke, es wäre besser, deiner Mutter die Kritik deines Debüts nicht öfter als nötig vorzulesen." Er hielt inne und schloss erneut die Augen. "Eine ihrer Eigenarten, weißt du." Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und suchte in seinen Taschen nach Streichhölzern. "Tu mir den Gefallen und wirble noch ein letztes Mal für mich, mia bella bambina."

So schnell ich konnte, vollführte ich eine dreifache Pirouette. Mama mochte es nicht, wenn ich im Wohnzimmer tanzte, und ich wollte nicht, dass ihr Zetern mir die Laune verdürbe.

Atemlos vom Aufstieg zu unserer Wohnung kam sie mit Armen voller Päckchen hereingeeilt, ihr ausladender Busen wogte. Babbo blinzelte und erklärte ihr, wir würden alle "für eine kleine Feier" zu Michaud gehen.

"Soll das heißen, dass Geld mit der Post gekommen ist?" Ich konnte sehen, wie ihre Augen den Raum absuchten, weil sie sicher sein wollte, dass ich keine Möbel umgestellt hatte, wie ich es manchmal tat, wenn sie nicht da war und Babbo mich bat, für ihn zu tanzen.

"Nein, mein Gebirgsblümchen." Er legte eine Pause ein, um seine Zigarette anzuzünden. "Besser als Geld. Ganz Paris feiert den neuen Star Lucia, und das müssen wir auch tun. Heute Abend werden wir auf sie trinken und uns mit ihr brüsten." Mama stand da und hielt noch immer ihre Taschen in der Hand.

Nur ihre Augen bewegten sich, verengten sich zu Schlitzen. "Etwa schon wieder deine Tanzerei, Lucia? Also wirklich, das bringt mich noch vor der Zeit ins Grab. Das und der Aufzug, der nie funktioniert, und all die Treppen, die ich hochsteigen muss."

Ich spürte, wie dicke Luft aufzog, war aber an Mamas Leidensreden gewöhnt, und Babbo zwinkerte mir immer wieder verschwörerisch zu, sobald sie den Kopf abwandte. Also reichte ich ihr die Paris Times und ignorierte ihr Klagen. "Ich werde eine große Tänzerin, Mama. Lies nur."

"Das mache ich, Lucia, aber erst muss ich meine Taschen auspacken und eine Tasse Tee trinken. Schau dir mal diese schönen Handschuhe an, Jim." Sie ließ ihre Päckchen auf das Sofa fallen und begann Unmengen von schwarzem Seidenpapier abzuwickeln. Die Kälte, die plötzlich von ihr ausging, fühlte sich an, als wäre eine Windbö durch das Zimmer gefegt. Ich legte die Paris Times auf das Sofa und schlang mir die Arme um die Brust. Konnte sie sich nicht für mich freuen – nur dieses einzige Mal?

Babbo zwinkerte mir erneut zu und stieß dann eine lange Rauchwolke aus. "Das sind wirklich wunderschöne Handschuhe. Und nirgendwo werden sie eleganter aussehen als um den Stiel eines Glases gelegt, in dem Michauds berauschendster Champagner perlt." Er deutete auf die Zeitung auf dem Sofa. "Lies das, Nora. Darin wird die Begabung unserer bella bambina beschrieben. Es erinnert mich an das Sprichwort vom Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt."

"Heilige Muttergottes! Ihr seid wie zwei Kinder, die am Bonbonglas genascht haben." Sie seufzte und schaute sich ihre neuen Handschuhe an. "Na ja, ich habe keine Lust zum Kochen, und ich denke, bei Michaud wird man meine Handschuhe bestimmt bewundern." Sie schniefte und langte nach der Paris Times. "Hier sollte Giorgio drinstehen. Warum schreibt keiner über unseren Giorgio?" Sie stieß mit dem Fingernagel gegen die Zeitung.

"Das werden sie tun, Nora. Vielleicht hatte Lucia wieder einen ihrer Kassandra-Augenblicke, einen Traum von Giorgio?" Babbo sah mich erwartungsvoll an, doch ehe ich antworten konnte, fuhr Mama schon mit einem Schwall ätzender Kommentare über "blödsinnige Omen" und "verrückte Kassandras" dazwischen.

"Giorgios Zeit wird kommen, aber heute Abend feiern wir mein Regenbogenmädchen, meine Lichtgeberin." Babbo blies einen Rauchring, und ich sah zu, wie er sich wabernd verschob und aufstieg, ehe er sich in der Luft auflöste.

"Was soll der Unsinn über Regenbogenmädchen? Erzählt mir nicht, dass die auch in die Zukunft sehen können." Mama fuhr wütend mit ihren Fingern in die neuen Handschuhe.

"Aus meinem Buch ... sie tollen reitend herum im Rausch ... denn sie sind die Blüten. Nichts, worüber du dir deinen unbeugsamen Kopf zerbrechen musst." Babbo starrte zur Decke und seufzte.

"Wieso kannst du nicht mal ein normales Buch schreiben, Jim? Das bringt mich noch um." Zögerlich streckte sie ihre behandschuhten Finger nach der Paris Times aus. "Zieh was Leuchtendes an, Lucia. Heute Abend wollen wir uns nicht von Miss Stella Steyn in den Schatten stellen lassen. Welche Seite, sagtest du?"

*
Sobald der Oberkellner uns entdeckt hatte, bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge in unsere Richtung. Mehrere Männer hielten Babbo an, um ihn zu begrüßen oder sich nach "Work in Progress" zu erkundigen. Nur Mama durfte den tatsächlichen Titel des Buches wissen, das Babbo sein "Work in Progress" nannte, und sie hatte schwören müssen, das Geheimnis zu wahren.

Während meine Eltern andere Gäste begrüßten, tauchte hinter mir Giorgio auf. "Tut mir leid, dass ich zu spät komme", keuchte er. "Ich musste stundenlang auf die Straßenbahn warten. Aber ich habe die Zeitung gesehen – was für eine phantastische Kritik!" Er zog mich an sich und küsste mich auf die Schläfe. "Was für eine schlaue kleine Schwester ich habe! Wollen wir hoffen, dass du schon bald ein Vermögen verdienst und dass es auch reicht, um meine Gesangsstunden zu bezahlen." Er verzog kurz das Gesicht und wandte den Kopf ab.

"Das wollen wir hoffen", sagte ich, denn ich wollte nicht angeben. "Es geht wohl nicht so gut mit dem Gesangsunterricht?"

"Nicht gut genug, um Vaters Erwartungen zu erfüllen." Giorgio nestelte am gestärkten Kragen seines Hemdes herum, und ich bemerkte, dass er dunkle Ringe unter den Augen hatte und ein Hauch Alkohol in seinem Atem war. "Ich muss ihn jeden Tag um Geld bitten, und er schaut mich dann immer an wie ein Hund, den man nicht gefüttert hat. Und seufzt enttäuscht, wie es seine Art ist." Ich legte tröstend meine Hand auf Giorgios Arm. Ich hasste es, ihn so entmutigt zu sehen. "Wenn ich anfange, Geld zu verdienen, werde ich dir helfen."

Aber Giorgio reagierte nicht darauf. Stattdessen fragte er: "Erinnerst du dich an Mr und Mrs Cuddle-Cake?"

Ich lachte. "Die Eltern, die wir uns ausgedacht haben?"

Auf sein Gesicht trat ein Ausdruck der Wehmut. "Ich habe neulich nachts von ihnen geträumt. Sie haben uns endlich adoptiert, und Mr Cuddle-Cake hat mir das Reiten beigebracht."

"Es ist wohl ein bisschen spät für Phantasie-Eltern." Ich schaute zu Mama und Babbo zurück, die sich inmitten einer Phalanx von schwarz-weißen Kellnern einen Weg durch das gestopft volle Restaurant bahnten.

"Als wir Kinder waren, waren Mutter und Vater nie da. Und jetzt, da wir erwachsen sind, wollen sie uns nicht in Ruhe lassen. Mr und Mrs Cuddle-Cake wären anders gewesen, oder?"

"Natürlich. Aber die waren auch nicht real." Ich wollte nicht über die Vergangenheit nachdenken, also zuckte ich übertrieben mit den Achseln und wollte ihn gerade daran erinnern, dass Mama ihn für perfekt hielt, als er sagte: "Sieh nur, sie sind alle da."

Er deutete zu einem Tisch am Fenster, wo Stella, Émile und Kitten gelassen an der prachtvollen Tafel mit glänzendem Besteck und polierten Gläsern saßen. Der Lichtschein des Kronleuchters fiel auf Émiles strahlendes Gesicht, sein von Pomade glänzendes dunkles Haar und die orangefarbene Lilie, die er sich ins Knopfloch gesteckt hatte, und ich verspürte ein leichtes Flattern in der Brust. Er winkte mir zu, und ich sah, wie sich das Licht in den Farben des Regenbogens in seinen funkelnden Diamant-Manschettenknöpfen brach. Stella saß neben ihm und trug eine pfauenblaue Seidenbluse mit drei verdrehten Bernsteinketten, die ihr bis zur Taille reichten, dazu einen zitronengelben Turban mit Fransen, die über ihren Augenbrauen tanzten. Babbo erschien lautlos hinter uns und musterte sie mit dem forensischen Blick eines Botanikers, der eine ihm unbekannte Orchidee untersucht.

"Ich wünschte, ich könnte mich so kleiden", flüsterte ich Kitten zu, während sie mir einen Kuss auf meine kalten Wangen gab. Stella strahlte solchen Wagemut aus, eine bohèmehafte Sorglosigkeit, nach der es mich verlangte. Doch Mama bestand darauf, meine Kleidung auszuwählen und zu kaufen, und so war die zwar stets elegant und gut geschneidert, hatte aber nie die Extravaganz der Kleider, die Stella trug.

"Du brauchst dir keine Gedanken über Kleider zu machen, Süße. Nicht nach deinem Debüt und dieser Kritik. Ich bin ernsthaft neidisch. Und du hast noch nicht gesehen, was sie unterhalb der Taille trägt! Haremshosen mit Fransen – sehr unpraktisch, wenn es regnet." Kitten drückte mir liebevoll die Hand. "Aber was ist mit deinem Bruder? Er wirkt nicht so sorgenfrei wie sonst."

Ich senkte die Stimme. "Geldsorgen, und ich glaube, er hat es satt, von Babbo abhängig und der Gnade unserer Mäzene ausgeliefert zu sein."

"Ich bin sicher, alles wird gut, wenn dein Vater erst sein Buch nach Amerika verkaufen kann. Wieso starrt er Stella so an?"

"Sie illustriert ein Buch für ihn, und du kannst sicher sein, dass er einzig und allein daran denkt." Ich fügte leise hinzu: "Er überlegt sich wahrscheinlich gerade, wie er sie auf Flämisch oder Latein oder mit gereimten Wortwitzen beschreiben kann."

Ich ließ mich neben Émile auf die Bank gleiten, spürte die Hitze seines festen Körpers neben meinem. Rings um uns wirbelten die Klänge von Reden und Gelächter, das Klirren von Armreifen und Perlenketten, das Scharren der Stühle, das Klappern der Teller und Klirren der Gläser, Messer und Gabeln. Und in meinem Kopf wurde daraus der Applaus meines Debüts, so beglückend wie elektrisierend.

Babbo bestellte Champagner und Austern auf Eis, und sobald unsere Gläser eingeschenkt waren, schob er den Stuhl zurück und stand auf. "Ich trinke auf Lucia – Tänzerin, Sprachgenie, Künstlerin!"

"Dazu noch ihr makelloser Teint und ihre blauen Augen." Mama erhob ihr Glas, reckte dabei den Hals und drehte den Kopf zum Kronleuchter. Mir kam plötzlich der flüchtige, aberwitzige Gedanke, dass sie eifersüchtig auf mich war. Aber irgendetwas lag in der Neigung ihres Kopfes unter dem Licht. Als wolle sie deutlich machen, dass ich mein Aussehen von ihr hatte. Da fiel mir auf, wie selten ich in letzter Zeit Babbos begehrliche Blicke auf ihr hatte ruhen sehen, wie selten er mit seinem typischen starren Blick der Melodie ihrer Sprache gelauscht hatte. All das war nun mir vorbehalten. Ich schaute über den Tisch, und da war er – hatte das Glas erhoben, blinzelte schwer, und sein Blick pendelte zwischen mir und Stella hin und her.

Der Champagner perlte in unseren Gläsern, das salzgrüne Aroma der Austern schwebte über dem Tisch, und kleine Schwaden von Zigarrenrauch wehten von den Gästen am Nachbartisch herüber, die applaudierten und mich anlächelten. Émiles Oberschenkel drückte gegen meinen, entschieden und voller Gewissheit. Und in diesem Augenblick schien mir, als könnte niemand glücklicher sein als ich, bis in alle Ewigkeit. Ich lehnte mich zu Émile und ließ meine Hand sein Bein hinaufwandern.

"Wo tanzen Sie als Nächstes, Lucia? Wird Josephine Baker die Bühne für Sie räumen müssen?" Stella schob ihren Turban zurecht, spießte dann mit ihrer Gabel eine Auster auf und ließ sie elegant in ihrem Mund verschwinden.

(Continues…)



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