Die Sehnsucht der Albatrosse: Historischer Roman

Zwischen uns das Meer.

San Francisco, 1904: Sarah ist ein gefeierter Opernstar, doch als sie ihre Stimme verliert, scheint ihre Karriere beendet. Um wieder zu sich zu finden, beschließt sie nach Hawaii zu reisen. Während eines Sturms passiert das Unvorstellbare: Ihr Schiff sinkt. In letzter Sekunde gelingt Sarah die Rettung, sie wird von einem Segelschiff aufgenommen, das auf dem Weg ins Eismeer ist, um dort Robben zu jagen. Plötzlich muss sich Sarah in der rauen Männerwelt, die auf dem Schiff herrscht, behaupten. Doch als sie glaubt, ihre Rolle gefunden zu haben, stößt sie auf ein Geheimnis aus der Vergangenheit …

Eine Frau, die nur für die Musik lebt. Ein Mann, der ohne das Meer nicht leben kann. Und eine Reise, auf der beide an ihre Grenzen kommen.

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Die Sehnsucht der Albatrosse: Historischer Roman

Zwischen uns das Meer.

San Francisco, 1904: Sarah ist ein gefeierter Opernstar, doch als sie ihre Stimme verliert, scheint ihre Karriere beendet. Um wieder zu sich zu finden, beschließt sie nach Hawaii zu reisen. Während eines Sturms passiert das Unvorstellbare: Ihr Schiff sinkt. In letzter Sekunde gelingt Sarah die Rettung, sie wird von einem Segelschiff aufgenommen, das auf dem Weg ins Eismeer ist, um dort Robben zu jagen. Plötzlich muss sich Sarah in der rauen Männerwelt, die auf dem Schiff herrscht, behaupten. Doch als sie glaubt, ihre Rolle gefunden zu haben, stößt sie auf ein Geheimnis aus der Vergangenheit …

Eine Frau, die nur für die Musik lebt. Ein Mann, der ohne das Meer nicht leben kann. Und eine Reise, auf der beide an ihre Grenzen kommen.

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Die Sehnsucht der Albatrosse: Historischer Roman

Die Sehnsucht der Albatrosse: Historischer Roman

by Karin Seemayer
Die Sehnsucht der Albatrosse: Historischer Roman

Die Sehnsucht der Albatrosse: Historischer Roman

by Karin Seemayer

eBook3. Auflage (3. Auflage)

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Overview

Zwischen uns das Meer.

San Francisco, 1904: Sarah ist ein gefeierter Opernstar, doch als sie ihre Stimme verliert, scheint ihre Karriere beendet. Um wieder zu sich zu finden, beschließt sie nach Hawaii zu reisen. Während eines Sturms passiert das Unvorstellbare: Ihr Schiff sinkt. In letzter Sekunde gelingt Sarah die Rettung, sie wird von einem Segelschiff aufgenommen, das auf dem Weg ins Eismeer ist, um dort Robben zu jagen. Plötzlich muss sich Sarah in der rauen Männerwelt, die auf dem Schiff herrscht, behaupten. Doch als sie glaubt, ihre Rolle gefunden zu haben, stößt sie auf ein Geheimnis aus der Vergangenheit …

Eine Frau, die nur für die Musik lebt. Ein Mann, der ohne das Meer nicht leben kann. Und eine Reise, auf der beide an ihre Grenzen kommen.


Product Details

ISBN-13: 9783841216571
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 01/01/2019
Series: Die Saga der Albatrosse , #1
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 432
File size: 2 MB
Language: German

About the Author

Karin Seemayer wurde 1959 in Reutlingen geboren, lebte von 1960 bis 1993 in Frankfurt und seitdem in Eppstein im Taunus. Mit Anfang zwanzig packte sie das Fernweh. Sie machte eine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und war die nächsten Jahre beruflich und privat viel unterwegs. Viele ihrer Romanideen sind auf diesen Reisen entstanden. Die Umsetzung der Ideen musste jedoch warten, bis ihre drei Kinder erwachsen waren. Im Aufbau Taschenbuch ist ebenfalls ihr Roman „Die Tochter der Toskana“ lieferbar.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Kapitel

Am Hafen ließ Peer seine beiden Begleiter vorangehen und schlug den Kragen hoch. Der Wind fühlte sich hier noch kälter an als in der Stadt. Seit gestern regnete es, jetzt mischten sich erste Schneeflocken unter die Tropfen. Er sah sich um. Mindestens dreißig Schiffe lagen hier. Wahre Schmuckstücke neben Seelenverkäufern, die aussahen, als würden sie beim ersten Sturm auseinanderbrechen. Das also war die Robbenfängerflotte von Victoria.

Alex drehte sich zu ihm um. »Was für ein Mistwetter«, brummte er. »Ich muss verrückt gewesen sein, mich hierauf einzulassen. Wir hätten uns ein Schiff in Richtung Südsee suchen sollen.«

»Aber auf einem Robbenfänger verdienst du mehr als auf einem Schiff, das Tropenholz transportiert«, gab Emil, ihr Führer, zurück.

»Hoffentlich.« Zweifel klang aus Alex' Stimme.

Peer lächelte. »Wenn er das sagt, kannst du es glauben.«

Peer kannte Emil schon seit seiner Kindheit, sie kamen aus demselben Dorf in Westschweden. Alles, was er über Navigation wusste, hatte Emil ihm beigebracht.

Endlich blieb Emil stehen und deutete auf ein Schiff. »Da ist sie. Das ist die Victory.«

Peer hielt die Luft an. Vor ihm lag der schönste Schoner, den er je gesehen hatte, und er hatte mit seinen fast vierunddreißig Jahren einige gesehen. Die Victory war ein Toppsegelschoner, schlank und schnittig, mit niedrigen Deckaufbauten, ganz auf Schnelligkeit gebaut.

Langsam schritt er die Mauer entlang, ließ den Blick über das Schiff gleiten. Wie schnell sie wohl war?

»Peer, du starrst sie an, als wäre sie eine Frau. Lass uns zurückgehen, den verdammten Vertrag unterzeichnen und etwas trinken.«

Er ignorierte Alex' Murren und wandte sich an Emil. »Wer hat sie gebaut, Matthew Turner?«

Emil nickte. »Ja, sie kommt aus Turners Werft. Ich wusste, sie wird dir gefallen.«

»Sie ist großartig.« Sein Entschluss stand fest, er würde auf diesem Schiff anheuern. Er wollte sie unter Segeln sehen, am Ruder stehen und fühlen, wie sie sich in den Wind legte. Mit Emil würde es eine großartige Fahrt werden. Und danach würde er endlich genug Geld haben, um sich seinen langgehegten Traum zu erfüllen, eine Navigationsschule zu besuchen und selbst Steuermann zu werden. Irgendwann würde er ein Schiff wie dieses navigieren.

»Zu welchem Heuerbaas müssen wir?«

»Kein Heuerbaas. Ihr macht den Kontrakt direkt mit Kapitän Brandon.«

Peer runzelte die Stirn. So etwas war ungewöhnlich.

»Er ist der Eigner der Victory«, erklärte Emil. »Er muss keiner Reederei gegenüber Rechenschaft ablegen. Warum soll er diesen Haien Vermittlungsgebühr bezahlen?«

Da war etwas dran. Unter den Heuerbaasen gab es oft genug Halunken, die nur darauf aus waren, die Seeleute um ihren Vorschuss zu betrügen.

»Wie ist der Alte so?«

»Brandon? Er ist ein harter Hund, aber gerecht. Wenn ihr eure Arbeit gut macht, gibt es keine Probleme. Mit Drückebergern ist er allerdings nicht zimperlich.«

Diese Beschreibung passte wohl auf die meisten Kapitäne, mit denen Peer gefahren war. »Kommst du mit ihm klar?«

Emil hob die Schultern. »Ich fahre jetzt zum dritten Mal mit ihm und weiß fast nichts über ihn. Er redet nicht viel. Aber er ist ein großartiger Seemann, und wenn jemand weiß, wo man die Robben findet, dann er. Seine Jäger gehören zu den Besten. Mit ihm könnt ihr gutes Geld verdienen. Also?«

Peer sah Alex an. »Was meinst du?«

Alex lachte. »Ich kann dich wohl kaum von deiner neuen Flamme trennen. Also lass uns diesen Kapitän Brandon suchen und unterschreiben. Und danach möchte ich in diesem Pub, das wir auf dem Weg hierher gesehen haben, was trinken.«

»Gute Idee«, stimmte Emil zu. »Dort finden wir auch Brandon. Es wird bald dunkel. Lasst uns die Details im Warmen besprechen.«

Er führte sie zu Drake's Pub, einer der Kneipen am Hafen. Sie schien bei den Seeleuten sehr beliebt zu sein, fast alle Tische waren besetzt. Als Peer die beiden ausgesprochen hübschen Frauen hinter dem Tresen entdeckte, wusste er auch, warum.

Alex strahlte bei ihrem Anblick. Zielstrebig steuerte er auf die Bar zu, doch Emil hielt ihn auf und wies auf einen der Tische. »Dort sitzt Brandon. Ihr solltet erst mit ihm reden.«

Peer sah hinüber. Der Mann, der aufstand und auf sie zukam, war noch größer als er selbst, dabei überragte er schon die meisten Männer. Aber es war nicht seine Größe, die ihn beeindruckte, es war seine Haltung, seine Ausstrahlung. Peer erkannte einen Anführer, wenn er ihn sah. Für einen Schiffseigner erschien er recht jung, Peer schätzte ihn auf Ende dreißig.

Brandon nickte Emil zu. »Wen bringen Sie mir da, Mr. Nordström?«

»Mr. Svensson, einen Freund von mir, und Mr. Fuller aus Australien. Mit diesen beiden wäre unsere Mannschaft komplett.«

»Setzt euch.« Der Kapitän wies auf einen freien Tisch. »Wart ihr schon mal auf Robbenjagd?«

Alex verneinte.

»Ich habe in Schweden Robben gejagt«, sagte Peer.

»Hmm.« Brandon strich sich übers Kinn und musterte ihn. »Kannst du ein Fangboot steuern?«

»Ja.«

»Der Junge kann alles steuern, was ein Ruder und ein Segel hat«, schaltete Emil sich ein.

Brandon hob die Brauen. »Und er redet nicht viel. Nun gut. Ihr seid hiermit angeheuert.«

Die Formalitäten waren schnell erledigt. Die Victory sollte in zwei Tagen auslaufen zur Jagd vor der japanischen Küste. Etwa sechs Monate würde die Fahrt dauern. Die Bezahlung war gut, und Brandon stellte eine Gewinnbeteiligung in Aussicht, sollte die Jagd erfolgreich sein.

Nachdem sie ihre Unterschrift geleistet hatten, kehrte Brandon zurück an seinen Tisch.

»Und, was hältst du von ihm?«, wandte sich Emil an Peer.

»Er weiß, was er tut. Ich glaube, man kann gut mit ihm arbeiten.« Peer wies mit dem Kinn auf die Männer, die bei Brandon saßen. »Wer sind die?«

»Die Jäger«, antwortete Emil. »Die Victory führt fünf Fangboote. Für jedes Boot gibt es einen Jäger und zwei Matrosen. Einer steuert und einer pullt.« Er trank sein Bier aus, stand auf und fischte ein paar Münzen aus seiner Hosentasche. »Reicht gerade noch. Ich muss noch mal los, hab 'ne Verabredung.«

»Oho«, sagte Alex. »Wer ist die Glückliche?«

»Schön wär's. Ein Kerl ist's. Na ja, wird hoffentlich nicht so lange dauern. Ich wollte heute mal früh schlafen gehen.«

Am nächsten Morgen wurde Peer von einer lautstarken Diskussion vor der Tür des Schlafsaals geweckt. In seinem Kopf ging es zu wie in einem Steinbruch – die Stimmen lösten eine Schmerzlawine aus, die pochend und polternd gegen seine Schädeldecke krachte. Stöhnend richtete er sich auf. Zum Teufel, warum konnten die da draußen ihre Meinungsverschiedenheiten nicht woanders lösen? Er beugte sich über den Rand seines Stockbettes, um nach Alex zu sehen, der unter ihm schlief, richtete sich jedoch schnell wieder auf, als der Raum sich um ihn zu drehen schien. Ganz offensichtlich hatte er gestern zu viel getrunken. Er erinnerte sich noch, dass Alex mit einer der Bardamen geschäkert hatte und sie anschließend singend durch die Straßen zum Seemannsheim geschwankt waren. Wie er ins Bett gekommen war, wusste er nicht mehr.

Die Tür flog auf, und der Schlafbaas trat ein, gefolgt von Kapitän Brandon und einem Mann in der Uniform der Hafenpolizei.

Dankbar, dass er am Abend zuvor nicht mehr in der Lage gewesen war, sich auszuziehen, schwang sich Peer aus dem Bett.

»Hier sind die beiden Männer, die Mr. Nordström zuletzt gesprochen haben«, sagte Brandon.

Der Officer trat einen Schritt vor. »Ich muss Ihnen ein paar Fragen stellen. Folgen Sie mir bitte.« Er warf einen Blick auf Alex, der sich aus seiner Decke schälte. »Und Sie ebenfalls.«

Grummelnd setzte Alex sich auf. »Wassn passiert?«, nuschelte er und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar.

Peer schüttelte den Kopf, was einen erneuten Schwindelanfall auslöste. Was meinte Brandon damit, sie seien die Letzten, die mit Emil gesprochen hätten?

Er blickte zu Brandon hinüber, doch dessen Gesicht verriet nichts.

Zusammen mit Alex folgte er den Männern in das Büro des Schlafbaas. Der reagierte ausgesprochen unwillig, als der Officer ihn aufforderte, den Raum zu verlassen. »Ich kann keinen Ärger brauchen.«

»Es will auch niemand Ärger machen«, antwortete der Polizist und zückte einen Stift. »Sie sind?«, wandte er sich an Peer.

»Peer Svensson.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Worum geht es?« »Das erfahren Sie gleich. Sie sind Skandinavier?«

»Schwede.«

»Ah ja. Und Sie?« Er drehte sich zu Alex.

»Alexander Fuller, Australier.«

»Also Brite. Kannten Sie Mr. Nordström schon länger?«

»Ich bin Australier!«, wiederholte Alex deutlich. »Nein, ich kannte ihn erst seit gestern.«

»So.« Der Officer kritzelte auf seinen Block. »Sie waren gestern Abend zusammen in Drake's Pub?«

Wieso sprach der Mann nur zu Alex? Allmählich verlor Peer die Geduld. »Was ist mit Emil?«

»Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir Mr. Nordström heute Morgen tot aufgefunden haben. Wir gehen von einem Unfall aus.«

Peer starrte den Polizisten an. Emil war tot? Das konnte nicht sein. Und von was für einem Unfall sprach er? Verwirrt fuhr er sich mit der Hand übers Gesicht. Wenn doch bloß dieses Dröhnen in seinem Kopf aufhören wollte.

»Wie lange waren Sie gestern im Drake's, Mr. Svensson?«

»Ich weiß es nicht genau. Lange.«

»Wie ich es sagte«, sprach der Polizist jetzt Brandon an. »Ein Unfall. Er hat sich betrunken und ist ins Hafenbecken gefallen.«

»Moment«, fuhr Peer dazwischen. »Emil war nicht betrunken. Er hatte nur ein Bier und ist dann gegangen, weil er noch verabredet war.«

Der Blick, den der Officer ihm zuwarf, war mehr als zweifelnd. »Wissen Sie, mit wem?«

»Nein. Nur, dass er sich mit einem Mann treffen wollte.«

»Wahrscheinlich hat er dann mit dem noch ein paar Bierchen gekippt. Die Fangflotte läuft die nächsten Tage aus, am Hafen wimmelt es von besoffenen Seeleuten.« Sein Gesicht verriet deutlich seine Abneigung gegen die ›Abschiedsfeiern‹ der Robbenfänger.

»Das glaube ich nicht«, widersprach Peer. »Er wollte früh schlafen gehen, und er hatte kein Geld mehr.«

»Und was glauben Sie dann?«

Peer dachte nach. Emil fiel nicht einfach so ins Wasser, und außerdem konnte er schwimmen. »Vielleicht ist er überfallen worden?«

Der Officer schüttelte den Kopf. »Sie haben selbst gesagt, er hatte kein Geld bei sich. Warum sollte jemand einen Fremden umbringen, wenn nicht für Geld? Wer hätte einen Vorteil von Mr. Nordströms Tod?«

»Vielleicht hatte er Feinde?«, warf Alex ein.

»Das müssten Sie doch wissen?«, wandte sich der Polizist an Brandon.

»Ich glaube nicht, dass er Feinde hatte. Bei der Mannschaft war er beliebt. Von seinem Privatleben weiß ich allerdings nichts.«

»Und auch nicht, mit wem er sich gestern treffen wollte?«

»Nein. Aber wie ich schon sagte, wir wollten ursprünglich morgen auslaufen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn wir die Sache schnell zum Abschluss bringen könnten. Ich muss einen neuen Steuermann finden, und jeder Tag, den ich länger warten muss, kostet mich Geld.«

Verwundert sah Peer ihn an. Sein Gesicht zeigte keine Regung. Berührte ihn der Tod seines Steuermanns so wenig?

Zurück im Schlafraum, setzte Peer sich aufs Bett und vergrub das Gesicht in den Händen. Erst jetzt begriff er wirklich, was passiert war. Emil war tot. Einfach so. Nicht bei Kap Hoorn gesunken, nicht in einem Sturm über Bord gegangen, Dinge, mit denen jeder Seemann rechnen musste, sondern ertrunken, weil er von der Hafenmauer ins Wasser gefallen war.

»Es tut mir leid. Du mochtest ihn sehr, nicht wahr?«, sagte Alex leise.

»Er war mein Lehrer und mein Freund. Mit ihm als Steuermann habe ich meine erste große Fahrt gemacht, mit ihm bin ich das erste Mal um Kap Hoorn gesegelt.«

Jahrelang hatten sie auf denselben Schiffen angeheuert. Irgendwann hatten sich ihre Wege getrennt, bis vor ein paar Tagen. Und nun würde er nie wieder mit ihm segeln.

CHAPTER 2

Kapitel

Rosalies marmorweiße Wangen erröteten in tiefer Glut, ihre Lippen bebten. Sie wagte nicht, ihren Blick zu John zu heben. Das Feuer in seinen Augen würde sie versengen. So lange hatte sie auf ihn gewartet. Und nun hielt er sie fest in seinen starken Armen. Mit süßer Stimme hauchte sie ihr »Ja«.

Sarah schnaubte wenig damenhaft und schlug das Buch zu. Für heute war ihr Bedarf an glühenden Wangen, bebenden Lippen und starken Armen mehr als gedeckt. Unwillkürlich fragte sie sich, wie es um die Ehe ihrer Schwester bestellt war, dass sie mit Begeisterung solche Bücher las. Sie hatte geglaubt, dass Mary und ihr Mann glücklicher zusammenlebten, als es bei ihr und Arthur der Fall gewesen war. Nach außen waren sie die perfekte Familie. Er liebevoll und aufmerksam, sie seine charmante Ehefrau, mit zwei reizenden Kindern. Doch auch Marys Ehe war arrangiert, genauso wie ihre eigene. Kannte sie ein Paar, das sich wirklich liebte?

Sie richtete sich in ihrem Deckstuhl auf und ließ den Blick über das Meer gleiten. Die Sonne schien, doch der Wind war recht kalt. Trotzdem genoss sie es, hier zu sitzen, zu lesen oder einfach ihren Gedanken nachzuhängen.

Ihr ungebührliches Schnauben hatte die ältere Dame im Stuhl neben ihr aus dem Schlummer gerissen. Sie setzte sich auf und warf Sarah einen prüfenden Blick zu. »Ist alles in Ordnung, meine Liebe? Oder werden Sie jetzt auch noch seekrank?«

Sarah lachte. Seit die Kalani vor drei Tagen San Francisco in Richtung Hawaii verlassen hatte, war mehr als die Hälfte der Passagiere der ersten Klasse seekrank geworden. Waren am ersten Abend noch fast alle vollzählig zum Abendessen erschienen, wurden es danach mit jeder Mahlzeit weniger. Sarah und Mrs. Spencer, die jetzt neben ihr saß, gehörten zu den wenigen, die offensichtlich immun gegen das Schaukeln der Kalani waren. Mrs. Spencers Gatte dagegen lag in seiner Kabine und litt. Seine Pflege überließ sie dem Butler, sie zog die frische Luft an Deck vor, wie sie unverblümt erklärte, zumal Mr. Spencer ausgesprochen unleidlich sei, wenn er krank sei.

»Nein, seekrank bin ich nicht«, beantwortete sie Mrs. Spencers Frage. »Aber mir ist ein bisschen übel von zu viel bebenden Lippen bei den Damen und dem unglaublichen Edelmut von Lord John.« Sie deutete auf das Buch in ihrem Schoß.

Mrs. Spencer beugte sich hinüber, ihre Augen funkelten. »Die verlorene Braut. Ein Liebesroman. Wo haben Sie so etwas her, aus der Bordbibliothek?«

»Meine Schwester hat es mir geschenkt. Sie liebt solche Romane.«

»Da lobe ich mir meine Lektüre. Von diesem Franzosen, Jules Verne. 20 000 Meilen unter dem Meer.« Sie hielt ihr Buch hoch. »Sehr spannend und ganz ohne Liebe.« Ein tiefes, fast grollendes Lachen kam aus ihrer Kehle. »Die romantischen Liebesgeschichten überlasse ich lieber unserem jungen Pärchen dort.«

Sarah folgte ihrem Blick. An der Reling standen Tom und Maggie Wright. Seit vier Monaten verheiratet, wie sie voll Stolz am ersten Abend verkündet hatten. Sie waren auf dem Weg nach Oahu, wo Tom seinem kinderlosen Onkel bei der Bewirtschaftung einer Ananasplantage helfen sollte, um sie später einmal zu übernehmen. Maggies Lebensplanung erschöpfte sich darin, viele Kinder zu bekommen.

Die beiden schienen sehr verliebt, und Sarah wünschte sich plötzlich, einen Blick in die Zukunft tun zu können und sie in zehn Jahren zu sehen. Würde Maggie ihren Gemahl immer noch so anhimmeln, wenn er verschwitzt, müde und gereizt von der Arbeit nach Hause kam? Und würde Tom noch eine ihrer Haarsträhnen um seinen Finger wickeln und ihr zärtlich über die Wange streichen, wie er es gerade eben tat, wenn ihre Figur nach mehreren Schwangerschaften ihre mädchenhafte Grazie verloren hatte? Sie wünschte es den beiden, aber sie zweifelte daran. Liebe, die ganz große Liebe, gab es in Romanen oder auf der Bühne. Im wirklichen Leben war sie eine Ausnahme.

Ihre Großeltern hatten sich geliebt. Ihre Großmutter hatte oft erzählt, wie sie damals in Italien den jungen Rebellen, der sich nach Napoleons Herrschaft dem Geheimbund »Junges Italien« angeschlossen hatte, aus dem Gefängnis befreit hatte. Sie hatten fliehen müssen und waren aus diesem Grund nach Amerika gekommen. Mit nichts weiter als ein paar Dollar in der Tasche und einigen Weinstöcken im Gepäck, die ihm sein Bruder noch zugesteckt hatte. Sarah konnte die Geschichte nicht oft genug hören, auch wenn sie in ihrer Phantasie die Großmutter nicht mit der jungen, mutigen Frau übereinbringen konnte. In ihren Jungmädchenträumen war sie es selbst, die den Geliebten vor dem Zugriff der Häscher rettete.

Wahrscheinlich kam daher ihre Liebe zur Oper. Träume, die sie auf der Bühne lebte. Und was würde werden, wenn sie das nicht mehr konnte?

Einer der chinesischen Stewards unterbrach ihre Gedanken. »Wir servieren jetzt Tee und Gebäck im Blauen Salon«, verkündete er lautstark.

»Schon wieder essen.« Ächzend stemmte sich Mrs. Spencer aus ihrem Stuhl. »Aber was soll man auch sonst den ganzen Tag tun? Wenn das so weitergeht, passt mir meine Garderobe nicht mehr, bis wir in Hongkong sind.«

»Sie fahren bis Hongkong?« Sarah hatte sich ebenfalls erhoben.

(Continues…)


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