Das Vermächtnis der Gräfin: Zwei Freundinnen ermitteln

Das Vermächtnis der Gräfin: Zwei Freundinnen ermitteln

by Cindy Jäger
Das Vermächtnis der Gräfin: Zwei Freundinnen ermitteln

Das Vermächtnis der Gräfin: Zwei Freundinnen ermitteln

by Cindy Jäger

eBook1. Auflage (1. Auflage)

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Overview

Ein altes Erbe, ein gut gehütetes Familiengeheimnis und zwei Freundinnen, die alles daran setzen, Licht ins Dunkel zu bringen 

Die Familie von Barthow hat ihre glanzvolle Zeit schon lange hinter sich. Denn sie verdankte ihren Reichtum einem Edelstein, der seit Generationen verschwunden ist. Als die Familienälteste stirbt, droht ein lang gehütetes Geheimnis ans Licht zukommen. Durch Zufall geraten die Freundinnen Freya und Sevim mitten in die Suche nach dem Familienerbstück. Aber nicht alle Familienmitglieder sind glücklich über ihre Einmischung. Können Freya und Sevim die Rätsel der Vergangenheit lösen und so die Zukunft lenken?


Product Details

ISBN-13: 9783958192492
Publisher: Midnight
Publication date: 09/13/2019
Sold by: Bookwire
Format: eBook
Pages: 288
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

Cindy Jäger wurde 1980 geboren und schreibt sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Dafür plündert sie die Detektivgeschichten ihrer Kindheit, Popsongs und ihre Zeitgenossen. Sie lebt derzeit in der Nähe von Stuttgart, dort überprüft sie die Qualität von Schleim, Schaltkreisen und Spielfiguren und beschert möglichst vielen Katzen ein sorgloses Leben.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

2018

Das erste Mal seit Jahren freute sich Freya so richtig auf ihren Geburtstag.

Sie freute sich sogar so sehr, dass sie sich den Tag freigenommen und nicht nur alle eingeladen hatte, die ihr am Herzen lagen, sondern aus Versehen auch Sevims Schwester Seyhan.

Freya fragte sich, wie das passieren konnte. Sevim war seit der Grundschule ihre beste Freundin und Freya war bei ihrer Familie, den Caners, ein- und ausgegangen. Und die Einzige, die sie nicht mochte, war Sevims jüngere Schwester. Diese hatte schon immer ein einnehmendes Wesen gehabt, den Hang, sich immer und überall die Rosinen herauszupicken und alle anderen dabei herumzukommandieren. In der Wohnung, die sich Freya und Sevim seit Studentenzeiten teilten, war Seyhan dann auch ein sehr seltener Gast gewesen.

Jetzt malträtierte sie aber auf ihre forsche Art die Türklingel und Freya war sich unschlüssig. Was, wenn ich einfach nicht aufmache?, dachte sie sich und schaute sehnsüchtig ins Wohnzimmer. Dort saßen ihre Gäste schon am eingedeckten Tisch, schlürften Milchkaffee und unterhielten sich angeregt. Doch Sevim drückte gleichzeitig Summer und Klinke und sie hörten Seyhan nach oben stapfen.

»Hallo, alle miteinander, schön, dass ihr da seid«, rief Sevims Schwester durch die offene Wohnzimmertür, als hätten sich alle ihretwegen versammelt. »Ich sag's aber gleich, ich hab' wirklich nicht viel Zeit!«

»Ja, toll!«, entgegnete Freya begeistert. Und als Seyhan sie ungläubig anblickte, fügte sie hinzu: »Äh ... toll, dass du trotzdem da bist. Wie lange bleibst du denn?«

»Äh ...«

»Warum gehen wir nicht erst mal ins Wohnzimmer?«, meinte Sevim.

Ihre Schwester rümpfte die Nase. »Wollt ihr euch nicht mal eine andere Bleibe suchen, oder wenigstens neue Möbel? Ihr wohnt ja immer noch wie Studentinnen. Dabei hast du jetzt deine eigene Agentur, wo du Leute berätst, und Freya hat auch endlich einen richtigen Job ...«

»Ich berate die Leute am Telefon, sie werden unsere Wohnung nie zu Gesicht bekommen, und du hörst dich an wie unsere Mutter«, versuchte Sevim sie abzuwürgen.

»Gar nicht«, erwiderte ihre Schwester, »ich meine nur, wenn man es endlich zu etwas bringt, muss man es auch zeigen. Wozu sonst das Ganze? Und ihr seid ja sogar ein bisschen berühmt in der Stadt, nachdem ihr letztes Jahr das Bild wiedergefunden habt ...«

Freya sog hörbar die Luft ein. Die Sache mit dem Bild war immer noch ein wunder Punkt. Sie arbeitete nämlich in einer Galerie, in der die Privatsammlung der Ackermanns, einer wohlhabenden und einflussreichen Familie, öffentlich ausgestellt wurde. Und vor gut einem Jahr, gerade als Freya dort angefangen hatte zu arbeiten, war in ihrem Beisein ein Gemälde entwendet worden. Mit Sevims Hilfe hatte sie es nach Monaten schließlich wiedergefunden und Sonja Ackermann, ihre Chefin, hielt es ihr auch gar nicht vor. Aber trotzdem wollte Freya lieber nicht an diese Zeit zurückdenken.

Seyhan bemerkte Freyas Unbehagen natürlich nicht. »Also jetzt schreibt natürlich keiner mehr über euch«, fuhr sie munter fort. »Wollt ihr nicht bald mal wieder ein Verbrechen aufklären?«

»Oder wir schneiden die Torte an«, erwiderte Freya grimmig, denn das war der Plan gewesen, bevor Seyhan zu ihrer Klingelarie angesetzt hatte.

»Oh ja, ich hab' in meinem Bauch extra Platz für die Torte freigehalten!«, meinte Freyas gute Bekannte Suzette, die im selben Haus wohnte und im Erdgeschoss außerdem einen Second-HandLaden betrieb. Sie betrachtete lüstern das dreistöckige Kunstwerk, das Freya zwei Wochen lang geplant, und dann selbst gebacken und dekoriert hatte.

Nach der Torte waren die Geschenke dran, Freya hatte sie auf einer Kabelrolle aus Holz, die nun als Sofatischchen diente, gestapelt.

Sie griff nach einem goldgelben Köfferchen, das ihre Chefin ihr gestern Abend in die Hand gedrückt hatte. Freya löste die Verschlüsse und der Koffer teilte sich in zwei Hälften, sodass auf jeder Seite zwei versetzte Schübe zu erkennen waren. In jedem steckten zehn Glasbehälter mit andersfarbigem Inhalt. »Zuckerstreusel in vierzig verschiedenen Farben, Wahnsinn«, flüsterte Freya gerührt.

Von Suzette bekam sie einen schwarzen Ledergürtel, der nicht zu lang und nicht zu kurz war, nicht zu schmal und nicht zu breit, nicht zu glänzend, aber auch nicht zu matt, nicht zu braun oder blau, sondern einfach nur perfekt. Freya konnte es nicht fassen, seit Jahren hatte sie nach so etwas gesucht und immer wieder etwas auszusetzen gehabt und jetzt hielt sie den perfekten schwarzen Ledergürtel in der Hand.

Von ihrer besten Freundin bekam Freya eine winzige Tube mit Ölfarbe – das schwärzeste Schwarz, das Sevim nur im Ausland bestellen konnte und auf dessen Lieferung sie monatelang gewartet hatte.

»Ich werde mir genau überlegen, was ich damit male«, versicherte Freya.

Nadja und Yun, die Sevim und Freya noch von der Uni kannten, schenkten ihr ein Vakuumiergerät. Damit waren alle ihre Hobbys bedacht, und Freya höchst zufrieden.

»Du hast mein Geschenk noch gar nicht aufgemacht«, meinte Seyhan.

Also widmete sich Freya dem grob in Packpapier eingeschlagenen und scheinbar hundertfach mit Tesa gesicherten Paket.

Sie selber packte jedes Geschenk akribisch ein, Papier, Schleifenband, Anhänger alles passend zum Geschenk und zur beschenkten Person, und dies war ein persönlicher Affront. Ich hätte es zuerst auspacken sollen, dann wäre alles nur noch besser geworden, dachte sie sich, während sie danach suchte, wo das Klebeband seinen Anfang nahm.

»Meine neuen Kollegen haben mich gefragt, ob ich mit zum Flohmarkt komme. Die stehen total auf Shabby Chic.« Sie sah sich missbilligend in Freyas und Sevims Wohnzimmer um. »Aber sonst sind sie ganz nett. Und ich dachte mir, na ja, vielleicht erzählen sie ja etwas über die Arbeit, wovon man wissen sollte.«

Das sah Seyhan ähnlich, dass sie in einer Situation nur auf ihren Vorteil bedacht war.

»Ich selber würde mir ja nichts kaufen, das andere Leute schon benutzt haben, aber wenigstens habe ich dort etwas für dich gefunden«, fuhr Seyhan fort. »Du magst doch sinnlose Sachen. Als ich das Ding gesehen habe, musste ich jedenfalls sofort an dich denken.«

Nur völlig fantasielose Menschen wie Sevims Schwester konnten auf die Idee kommen, liebevoll aus Resten zusammengebastelte Möbel und Alltagshelfer als sinnlos zu bezeichnen.

Sevim seufzte, egal was ihre Schwester da besorgt hatte – Freya würde es schon aus Prinzip nicht mögen. Diese hatte sich jetzt durch das Klebeband gekämpft und wickelte mehrere Lagen Packpapier auf den Boden.

Zum Vorschein kam eine schwarz lackierte Holzschatulle, ungefähr halb so groß wie ein Schuhkarton. Der untere Teil war wie ein Sockel geformt, über dem sich einzelne Holzleisten rundherum wie ein Zaun aneinanderreihten und oben von einem filigran geschnitzten Deckel abgeschlossen wurden.

Freya versuchte, das Kistchen zu öffnen, aber ganz gleich, von welcher Seite sie den Deckel anheben wollte, er ließ sich nicht bewegen. Wie sie das Kistchen auch drehte und wendete – es blieb verschlossen. Freya war wider Willen fasziniert!

Seyhan hielt sich schließlich an ihr Versprechen bald wieder zu gehen, und stürzte noch schnell ein Glas Sekt hinunter, bevor sie sich auch schon verabschiedete. Freya atmete auf und konnte den Tag in Ruhe ausklingen lassen.

»Es kann doch nicht sein, dass man das Ding nicht aufbekommt«, meinte Yun und reichte die Schatulle an Suzette weiter.

Das Kästchen hatte bereits mehrmals die Runde gemacht. Sie hatten versucht, den Deckel zu heben, oder zu verschieben, hatten es auf den Kopf gestellt und geschüttelt – aber nichts war passiert. Schließlich hatte Freya ihren Werkzeugkoffer geholt und fuhr mit einer Specksteinfeile vorsichtig an den Stellen entlang, an denen die Holzteile aufeinandertrafen, auch das vergebens.

»Ich will es nicht kaputt machen, aber ich will auch wissen, was darin ist ...«

»Es hat nicht mal ein Schloss, dann könnte man es zu einem Schlüsseldienst bringen«, meinte Nadja.

»Hm ... da wüsste ich jemanden«, meinte Suzette und sah Sevim vielsagend an.

»Ja, klar!« Sevim nickte. »Bernd.«

»Wenn jemand das Kästchen öffnen kann, dann er. Als mir mein Schlüsselbund in den Gulli gefallen ist, hat Bernd sowohl meine Laden- und die Wohnungstür als auch die Tür von meinem Micra geknackt«, erklärte Suzette. »Und meine Ladenkasse, nicht zu vergessen, und irgendwann den Gullideckel!«

»Ich melde uns gleich für morgen in seiner Werkstatt an«, antwortete Sevim und dachte nach. Bernd kannte Freya ja noch nicht und er mochte es gar nicht, wenn Fremde in seiner Werkstatt ein- und ausgingen. Ob er neue Leute immer noch einem Kennenlerntest unterzog? Und war es noch der gleiche, den sie selbst damals gemacht hatte?

Sie musste Freya auf jeden Fall auf das Treffen vorbereiten. Ihre Freundin schreckte ja auch immer davor zurück, neue Leute kennenzulernen, und Bernd war da noch einmal eine ganz andere Hausnummer als der durchschnittliche Fremde. Sevim kicherte. Das Aufeinandertreffen würde interessant werden.

* * *

Bernd war ein Mensch, der im Chaos aufblühte.

In seiner Fahrradwerkstatt wuselten jede Menge Leute herum, von denen Sevim nie wusste, ob es andere Kunden waren, oder Typen, die gerade keine Bleibe hatten. Manchmal fand sie Bernd auch gar nicht im Gewimmel, dann war er unterwegs, um jemandem billig das Auto zu reparieren – so hatte Suzette ihn kennengelernt – oder er brachte den Kaffeeautomaten im Café gegenüber wieder zum Laufen oder er betätigte sich als »Schlüsseldienst«, was auch immer das gerade hieß.

Sevim hatte seine Bekanntschaft gemacht, nachdem sie gerade als Lehrerin angefangen hatte. Wie immer wollte sie in aller Herrgottsfrühe mit dem Rad in die Schule aufbrechen, als ihr beim Aufsteigen die Kette riss.

»Mist«, entfuhr es ihr, »warum gerade heute?!«

»Was ist denn los, Kleine?« Der Zufall wollte es, dass auf dem Balkon im ersten Stock Suzette gerade ihren Morgenkaffee genoss, bevor sie unten im Laden alles für den Tag herrichten würde.

Suzette hatte sie schließlich mit ihrem Nissan Micra zur Schule gebracht und sie für den Nachmittag in Bernds Fahrradwerkstatt angemeldet, wo sich Sevim erst einmal Bernds Eingangsfragen hatte stellen müssen.

Und nun war Freya an der Reihe, Bernd Rede und Antwort zu stehen. Sevim hatte sie den halben Abend darauf vorbereitet und konnte nur hoffen, dass ihre Freundin mit der Situation fertig wurde.

»Weltfrieden oder Heilmittel gegen Krebs?«, fragte Sevim probehalber, während sie Bernds Werkstatt betraten.

»Weltfrieden«, antwortete Freya brav, »dann gibt es automatisch mehr Ressourcen für die medizinische Forschung.«

»Ich glaube, die Begründung will er gar nicht hören.« Sie schlängelten sich an ein paar Leuten vorbei, die Sevim schon vom letzten Mal kannte, überstiegen zwei Hunde und entdeckten Bernd schließlich an einer Werkbank.

»Und ihr kennt euch seit der Schulzeit«, begrüßte er Sevim, während er Freya eingehend musterte.

Sevim nickte. »Seit der dritten Klasse. Wir haben da ein Problem mit ...«

»Moment. Ich hab' da erst ein paar Fragen ...«

Freya wappnete sich.

»Lieber fluchen oder lieber tratschen?«

»Ähhhh ... fluchen?«

»Das frag' ich dich!«

»Ja, dann ... fluchen ...«

Freya verfluchte sich gerade selbst, bestimmt war sie viel zu langsam und schon jetzt durchgefallen.

»Was ist schlimmer: Rauchen oder Ruhestörung?«

Nachdem Freya die persönlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Aspekte gegeneinander abgewogen hatte, fiel ihr auf, dass es in der Werkstatt nicht nach Rauch roch und an jeder Wand mindestens ein Schild mit durchgestrichener Zigarette hing. »Rauchen«, sagte sie endlich.

»Letzte Frage. Was kann man eher verzeihen, Diebstahl oder Fahrerflucht?«

Da musste Freya nicht lange überlegen: »Diebstahl.«

Bernd musterte sie eine Weile schweigend und schloss dann die Augen.

Hilfe suchend blickte Freya zu ihrer Freundin, aber diese zuckte nur mit den Schultern. Sevim hatte keine Ahnung, wie seine Entscheidung ausfallen würde, oder was Bernd mit seinen Fragen bezweckte. Sie hegte allerdings einen Verdacht, nämlich dass er es einfach mochte, wenn ihn ein Geheimnis umgab und ihn seine Mitmenschen nicht einschätzen konnten.

»Super!«, rief Bernd schließlich und riss die Augen auf. »Wir gehen besser nach hinten.«

Freya fragte sich, ob schon einmal jemand den Test nicht bestanden hatte und von Bernd als Bekanntschaft abgelehnt worden war.

»Oh, Moment noch«, hielt Bernd sie davon ab, die Werkbank zu umrunden. Er wickelte sich eine dicke Wollschlange vom Hals, die sich als Hose entpuppte, und schlüpfte hinein. Danach winkte er sie durch die Tür, die in sein Hinterzimmer führte.

»Wie findet ihr meinen neuen Kaftan?«, fragte er, als er es sich in einem abgewetzten Sessel in seinem Hinterzimmer gemütlich machte.

»Ein Kaftan geht für gewöhnlich bis zu den Kniekehlen, das da ist eher eine Tunika«, entgegnete Freya, wie aus der Pistole geschossen.

»Kaftan oder Tunika?«, erwiderte Bernd.

»Äh ...«

»Kleiner Scherz. Also, was habt ihr für mich?«

Freya holte die Schatulle aus ihrer Umhängetasche und stellte sie zögerlich vor Bernd auf das kleine Campingtischchen, auf dem unzählige Kaffeeringe bereits ein psychedelisches Muster bildeten.

Bernd drehte sie mit schmutzigen Fingern mal in die eine, mal in die andere Richtung, stellte sie auf die Seite und auf den Kopf und betrachtete das Objekt jedes Mal schweigend. Jetzt hatte er die Augen geschlossen, die Hände in seinem Schoß.

Sevim sah sich interessiert um und Freya tat es ihr gleich. Aber neben Reifen, Sätteln, Lenkern verschiedener Formate und viel Staub und Dreck gab es nichts Besonderes zu entdecken. Freya versuchte die staubbedeckten Fensterbänke und den ungekehrten Boden nicht allzu eingehend zu betrachten. Auch wenn es in ihrer Wohnung ähnlich chaotisch aussah, war doch alles immer porentief rein.

»Wie spät ist es?«, fuhr Bernd plötzlich aus seiner meditativen Haltung auf.

»Kurz vor acht«, meinte Sevim nach einem Blick auf die Wanduhr hinter ihm.

»Dann muss ich euch jetzt leider rausschmeißen, die Werkstatt schließt gleich.«

Freya griff nach der Schatulle, aber Bernd war schneller. »Lass' das Ding besser hier, ich werde eine Weile brauchen, es zu knacken.«

Freya traute sich nicht zu widersprechen.

»Und, wie findest du Bernd?«, wollte Sevim wissen, als sie auf dem Heimweg im Pizza Palazzo Halt machten.

Freya war immer noch ein bisschen mitgenommen.

»Er ist schon irgendwie komisch.«

Sevim schwieg darauf. Die Ironie wollte es, dass etliche Menschen auch Freya für komisch hielten.

»Hat er eigentlich deine Handynummer?«

Sevim schüttelte den Kopf.

»Und meine wollte er auch nicht haben. Meine Schatulle sehe ich bestimmt nie wieder.«

Das war nicht das einzige Mal, dass sich Freya in Bernd täuschen sollte.

* * *

Vier Wochen hörten Freya und Sevim nichts von Bernd. Als die fünfte Woche dem Ende zuging, fing Suzette sie im Treppenhaus ab. Sie sollten morgen am frühen Vormittag in die Werkstatt kommen und ihre Fahrräder mitbringen.

Bernd hatte kein Telefon und kein Handy, weil ihm das zu unsicher war, und seiner Meinung nach heutzutage jeder abgehört wurde. Stattdessen benutzte er ein Netzwerk von Personen, denen er bedingungslos vertraute, um Nachrichten zu überbringen. Suzette war eine davon. Bernd hatte sie außerdem über Freya und Sevim ausgehorcht. Zögerlich hatte Suzette ihm das ein oder andere preisgegeben. Nicht so sehr, weil sie es gut fand zu tratschen, sondern vielmehr, weil sie wusste, wie misstrauisch Bernd war und sie nicht wollte, dass er sich die Informationen über ihre Nachbarinnen vielleicht anderweitig besorgte. Bernd schien auf jeden Fall zufrieden mit dem gewesen zu sein, was ihm Suzette zu berichten hatte.

»Früher Vormittag – wann soll das denn bitte sein?«, meinte Freya jetzt. »Erst lässt er einen fünf Wochen warten und dann kann er sich nicht mal auf eine Uhrzeit festlegen?« Sie war nicht gut auf Bernd zu sprechen.

Zehn Minuten nach zehn zierte sie sich dann auch, an der Werkstatttür zu klopfen, denn das Schild, das von innen an der Scheibe hing, sagte deutlich: GESCHLOSSEN.

Sevim klopfte mehrmals dezent, aber minutenlang rührte sich nichts. Sie wollten schon ins Café gegenüber gehen, als vorsichtig die Tür aufgezogen wurde.

»Wieso kommt ihr denn nicht rein? Es ist doch immer offen«, meinte Bernd noch im Nachthemd.

Freya wollte protestieren, aber Sevim schob schon ihr Rad hinein.

»Die könnt ihr gleich hier abstellen, aber schön leise, ich hab' ein paar Leute da, die ... na ja ihr wisst schon ... hiervon nichts mitbekommen müssen.«

Tatsächlich war ein Schnarchen zu hören, aber Sevim konnte nicht ausmachen, woher es kam.

(Continues…)


Excerpted from "Das Vermächtnis der Gräfin"
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