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Aus Morgen und Abend der Tag: Philipp Otto Runge - Sein Leben in fünf Bildern
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Aus Morgen und Abend der Tag: Philipp Otto Runge - Sein Leben in fünf Bildern
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Overview
Geboren 1934 in Spremberg/Niederlausitz. Seit 1939 in Schwerin ansässig. Studium der Kunstgeschichte und klassischen Archäologie in Rostock. Tätigkeit am Staatlichen Museum Schwerin. 1965 Verlust des Arbeitsplatzes aus politischen Gründen, seither freiberuflich als Publizistin und Schriftstellerin tätig: Sachbücher (Die Kunst der Synagoge 1966, Das Zeitalter der Empfindsamkeit 1972, Biedermeier 1979, Spurensuche in Mecklenburg 1999, Aufbruch aus Mecklenburg. Die Welt der Gertrud von le Fort, 2000), Belletristik (Licht auf dunklem Grund, Rembrandt-Roman, 1967, Der Tanz von Avignon, Holbein-Roman 1969, Saat und Ernte des Joseph Fabisiak, 1969, Nürnberger Tand 1974, Malt, Hände, malt, Cranach-Roman 1975, Jenseits von Ninive, 1975, Aus Morgen und Abend der Tag, Runge-Roman, 1977, Wolfgang Amadés Erben, 1979, Türme am Horizont, Notke-Roman 1982, Die stumme Braut, 2001, Paradiesgärtlein, 2008), Jugendbücher (Geisterstunde in Sanssouci, Menzel-Erzählung 1980, Das Männleinlaufen, Alt-Nürnberger Geschichte 1983, Des Königs Musikant, Erzählung über Carl Philipp Emanuel Bach 1985). Nach 1989 Mitarbeit am Aufbau der parlamentarischen Demokratie in Mecklenburg-Vorpommern, Archivarbeiten.
Product Details
ISBN-13: | 9783863943059 |
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Publisher: | EDITION digital |
Publication date: | 01/01/2013 |
Sold by: | CIANDO |
Format: | eBook |
Pages: | 465 |
File size: | 4 MB |
Language: | German |
About the Author
Read an Excerpt
Als Runge nach Wolgast zurückkehrt, wird im Reederhaus gerade großer Hausputz gehalten. Die beiden Mägde stehen auf Leitern und putzen die Fenster. Es zieht durch das ganze Haus. Pauline reinigt und reibt Gläser aus der Vitrine. Die Mutter hat einen Kleiderschrank ausgeräumt und sortiert alte Sachen aus, die an arme Leute und Wolgaster Kinder verschenkt werden sollen, wie sie es jeden Sommer zu tun pflegt. Alle sind so in ihre Beschäftigungen vertieft, dass sie zu Ottos Empfang keine Kräfte aufwenden, sondern ihn nur prüfend ansehen, als ob auch er gereinigt und geputzt werden müsste. Hier ist also kein Platz für die Ilsebill-Muse, nur schnell fort aus diesem Durcheinander, das nach Meinung der Frauensleute jeder Ordnung voranzugehen hat, nur schnell in das Malzimmer, das werden sie ja wohl noch nicht verwüstet haben.
»Otto, möchtest du nicht etwas essen und trinken? Warte nur ein halbes Stündchen, ich bin bald fertig«, sagt Pauline. Otto verschwindet brummend. Bald, ein halbes Stündchen, bei Pauline kommt es nicht so genau darauf an, und er möchte nicht im Befehlston bitten, sie möge Zeit haben, sich erzählen zu lassen.
Pauline stülpt ihre Lippen vor.
»Er hat sich geärgert, liebe Mutter. Geben Sie ihm etwas zu essen, ich bitte Sie!«
Die Mutter lächelt. Auf Launen und Stimmungen gibt sie nichts, das wäre Zeitverschwendung. Sie wird selbst ins Malzimmer gehen, Otto bekommt ein Schinkenbrot, ein Glas Bier, und sie wird ihn fragen, was er sich inzwischen ausgedacht hat. Er wird das Schinkenbrot verzehren, das Bierglas leeren, seine Bilder in Worte kleiden, und die Welt steht wieder im Gleichgewicht.
Und alles geschieht nach der klugen Erfahrung der Mutter. Kaum hat sich Otto den Bierschaum vom Mund gewischt, zeigt er der Mutter die Skizze, die ihn so gepeinigt hat, jetzt kann er sie schon zeigen.
»Hier, Mutter, sehen Sie und zürnen Sie mir nicht. In mir wuchs inzwischen ein anderes Bild, helfen Sie mir, es herauszuholen. Ich habe gegraben, ich habe mich durch die Hamburger Erde hindurchgegraben, und wissen Sie, wem ich darunter begegnete? Der Ilsebill. Sie haben mir dieses Märchen zuerst erzählt ...«
»Warum ist die rechte Hälfte des Blattes leer? Warum hast du nicht den Mut, auch neues, junges Leben festzuhalten? Kinder werde ich natürlich nicht mehr haben, aber ich möchte meine Enkel um mich spielen sehen, damit ich erkenne, welche Ernte aus meiner Mühsal erwuchs. Auch das gehört zu mir. Und zum Vater. Zum Vater gehören auch noch die Schiffe, gehört seine Werft, weshalb malst du nicht seine Werft? Du hast doch noch genug Platz!«
Da steht sie in ihrer Hausschürze, Bettfedern in den Haaren, mit staubigen Händen und arbeitsgerötetem Gesicht, und sie spricht, als habe sie sich in den letzten Tagen über nichts anderes den Kopf zerbrochen als über Ottos Bild.
»Ja, weshalb eigentlich nicht?«, denkt Otto laut. »Aber zuerst Sie, Mutter, jetzt sehen Sie wirklich so aus, wie ich Sie sehe.«
Da steht noch eine kleine, straff gespannte und grundierte Leinwand, einladend leuchtet sie aus einer Ecke. Ist sie nicht zu schade für eine Skizze? Nein, Runge beginnt sofort zu malen.
Bleiben Sie nur, liebe Mutter, es wird heute nichts mehr mit dem großen Kleiderschrank, mit den Bildern ist es wie mit den Kindern, wenn ihre Zeit da ist, werden sie geboren, auch wenn man gerade andere Pläne hat.
Er malt das Gesicht, nur das Gesicht, so groß, wie die Leinwand es erlaubt. Nur kein kleinliches Gekritzel, habe Mut zu großen Formen, Philipp Otto Runge! Groß die Nase, groß und lang ausgezogen die Linien. Der Mund möchte lächeln, wird aber von innerem Wissen und unerwartetem Erstaunen zurückgehalten. Die Augen blicken ruhig. Alles wird zu einem guten Ende kommen.
Otto vergisst seinen Besuch bei Kosegarten, den Auftrag zum Bild des sinkenden Petrus. Er fühlt sich so sehr eins mit der Mutter, als habe er die innigste Gemeinschaft mit ihr nie verlassen.