Alles Glück eines Lebens: Roman

Wie kann eine Frau loslassen, was sie am meisten liebt – ihr Kind?

Für Karen Neulander, eine erfolgreiche politische Beraterin aus New York, ist ihr sechsjähriger Sohn Jacob das Wichtigste. Aufopferungsvoll kümmert sie sich um ihn und meistert die Herausforderungen des Alltags einer Alleinerziehenden. Doch dann erfährt sie, dass sie bald sterben wird, und muss die schwerste Entscheidung ihres Lebens treffen: Erfüllt sie ihrem Sohn seinen größten Wunsch und lässt seinen Vater – jenen Mann, der damals weder ihre Liebe noch ihr Kind wollte – Teil seines Lebens werden?

“Lauren Grodstein bricht einem das Herz, um es dann es auf so wundersame Weise wieder zusammenzufügen, dass es sich größer – und stärker – anfühlt als zuvor.“ Celeste Ng.

“Bemerkenswert, authentisch und mutig erzählt.” Library Journal.

“Mitreißend.” The Washington Post.

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Alles Glück eines Lebens: Roman

Wie kann eine Frau loslassen, was sie am meisten liebt – ihr Kind?

Für Karen Neulander, eine erfolgreiche politische Beraterin aus New York, ist ihr sechsjähriger Sohn Jacob das Wichtigste. Aufopferungsvoll kümmert sie sich um ihn und meistert die Herausforderungen des Alltags einer Alleinerziehenden. Doch dann erfährt sie, dass sie bald sterben wird, und muss die schwerste Entscheidung ihres Lebens treffen: Erfüllt sie ihrem Sohn seinen größten Wunsch und lässt seinen Vater – jenen Mann, der damals weder ihre Liebe noch ihr Kind wollte – Teil seines Lebens werden?

“Lauren Grodstein bricht einem das Herz, um es dann es auf so wundersame Weise wieder zusammenzufügen, dass es sich größer – und stärker – anfühlt als zuvor.“ Celeste Ng.

“Bemerkenswert, authentisch und mutig erzählt.” Library Journal.

“Mitreißend.” The Washington Post.

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Alles Glück eines Lebens: Roman

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Overview

Wie kann eine Frau loslassen, was sie am meisten liebt – ihr Kind?

Für Karen Neulander, eine erfolgreiche politische Beraterin aus New York, ist ihr sechsjähriger Sohn Jacob das Wichtigste. Aufopferungsvoll kümmert sie sich um ihn und meistert die Herausforderungen des Alltags einer Alleinerziehenden. Doch dann erfährt sie, dass sie bald sterben wird, und muss die schwerste Entscheidung ihres Lebens treffen: Erfüllt sie ihrem Sohn seinen größten Wunsch und lässt seinen Vater – jenen Mann, der damals weder ihre Liebe noch ihr Kind wollte – Teil seines Lebens werden?

“Lauren Grodstein bricht einem das Herz, um es dann es auf so wundersame Weise wieder zusammenzufügen, dass es sich größer – und stärker – anfühlt als zuvor.“ Celeste Ng.

“Bemerkenswert, authentisch und mutig erzählt.” Library Journal.

“Mitreißend.” The Washington Post.


Product Details

ISBN-13: 9783841215857
Publisher: Aufbau Digital
Publication date: 09/14/2018
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 384
File size: 2 MB
Language: German

About the Author

Lauren Grodstein lehrt Kreatives Schreiben an der Rutgers-Camden University und lebt mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn in New Jersey. Von ihr sind mehrere Romane erschienen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Mehr Informationen zur Autorin unter www.laurengrodstein.com

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Als ich ein Kind war, nicht viel älter als du heute, wollte ich unbedingt Schriftstellerin werden. Mein Vater hatte mir auf dem Trödel eine Reiseschreibmaschine besorgt, an der ich nachts, wenn alle anderen schliefen, am Küchentisch saß und mühevoll meine kleinen Szenen und Erzählungsschnipsel tippte. Ich mochte rätselhafte Geschichten, die spannend waren, mit ihren Momenten des Schauderns und der stets überraschenden Auflösung. Eines Tages, so hoffte ich, würde ich etwas über die dunkelsten Kapitel der Geschichte wie den Holocaust schreiben, aber immer mit einem glücklichen Ende. Das war, als ich schon ein Teenager war, überzeugt, wie man es in diesem Alter ist, auch wirklich jede Geschichte neu schreiben zu können.

Heute bin ich erwachsen und weiß, dass nur wenige Menschen zu dem werden, was sie sich als Kinder einst ausmalten. Und so habe ich nie einen Roman oder auch nur eine halbwegs passable Kurzgeschichte geschrieben. Doch es gab andere Erfolge zu feiern, andere Freuden zu entdecken in meinem Leben, und ich misse nur weniges von dem, was ich nicht getan habe. Und noch bleibt mir Zeit, Jacob, und nach wie vor habe ich Freude daran, Worte zu Papier zu bringen. Daher habe ich beschlossen, dieses Buch für dich zu schreiben. Dies soll mein Weg sein, dir alles zu sagen, was du von deiner Mutter wissen solltest. Und Mercer Island, diese Insel, auf der ich bin, das Gästehaus meiner Schwester und der wolkenverhangene Nordwesten laden zum Schreiben geradezu ein. Ich habe hier einen bequemen Stuhl und einen funkelnagelneuen Laptop. Und es gibt so viel, was ich dir sagen will.

Du weißt natürlich, was diese Insel, auf der meine Schwester mit ihrer Familie lebt, ausmacht: hohe Kiefern, Lacrosse-Felder und entkoffeinierte Americanos. Wohin man auch blickt, sieht man die unruhigen Wogen des Lake Washington, meist eisengrau, manchmal auch unerklärlicherweise blau. Seattle liegt nur wenige Meilen westlich der Insel. Schon immer empfand ich diese Umgebung als friedvoll und wohltuend für uns, obwohl ich, wie stets, unser Zuhause in Manhattan vermisse. (Erinnerst du dich noch, wie du früher immer gefragt hast, ob wir nicht einen Tunnel von der 74th West nach Mercer Island bauen könnten? Und wie ich antwortete, später vielleicht, weil ich damals noch davon ausging, alle Zeit der Welt zu haben?)

Dies wird ein wundervoller Ort sein, um aufzuwachsen, wenn du erst einmal hergezogen bist. Du wirst deine Cousins und deine Cousine um dich haben, und deine Tante Allie wird dafür sorgen, dass du immer dein Gemüse aufisst. Dein Onkel Bruce ist ein so erfolgreicher Mann, dass du für alle Zeit aufs Beste versorgt sein wirst. Du kannst im Winter Ski fahren gehen oder Weihnachten auf Hawaii verbringen und im Sommer lange Wochenenden im Ferienhaus der Familie in Friday Harbor verleben. Wenn du alt genug bist, Autofahren zu lernen, wirst du einen eigenen Wagen bekommen.

Ich habe Allison gebeten, dich auf eine der staatlichen Schulen der Insel zu schicken und nicht auf eine der Privatschulen, auf die ihre Kinder gehen. Ich will, dass du siehst, wie es in der echten Welt zugeht – oder wenigstens in jener Welt, die hier auf Mercer Island als die echte gilt. Die Vorstellung, dass du inmitten von Privilegierten aufwächst, ohne ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass es Menschen gibt, die auf die kostenlose Schulspeisung angewiesen sind, könnte ich nicht ertragen. Denn vergiss nicht, Jacob, ich habe meine Kindheit in einem winzigen Zweifamilienhaus auf Long Island verbracht, mit meinen Großeltern in der Wohnung im ersten Stock. Ich hoffe, du erinnerst dich noch – dass meine Mutter das fünfte Kind eines Postboten aus der Bronx war, während mein Vater das einzige Kind ungarischer Einwanderer war, die den Zweiten Weltkrieg mit nichts als dem, was sie am Leibe trugen, überlebt hatten. Luxus war all diesen Menschen unserer Familie so fremd, wie er es meiner Schwester und mir in unserer Kindheit war.

Heute unterhalten Allison und ich uns oft über Privilegien, über Wohlstand. Sie findet, wir müssten unsere Kinder nicht in Armut aufwachsen lassen, bloß weil wir selbst es mussten. Finanzielle Ungewissheit mache einen Menschen nicht zwangsläufig mitfühlender und freundlicher, sondern beschere einem manchmal nur lebenslang Sorgen und Unruhe. Natürlich weiß ich, dass sie recht hat, dennoch stört mich der Gedanke, dir könnte vielleicht nie bewusst werden, in wievielerlei Hinsicht du großes Glück hattest. Wenn ich das sage, widerspricht mir Allison, dass du zumindest in einer Hinsicht gar kein Glück hattest. Keiner von uns beiden.

Und das kann man nicht wiedergutmachen, weder mit Geld noch sonst wie. Ich ziehe dich allein auf; ich bin dreiundvierzig Jahre alt, und ich habe Eierstockkrebs im Endstadium. Mir bleiben vielleicht noch zwei oder drei Jahre, und wenn ich nicht mehr da bin, wirst du nach Mercer Island ziehen und bei meiner Schwester Allison und ihrer Familie leben. Du kannst deinen Hamster und all dein Spielzeug mitnehmen. Du kannst alles mitnehmen, was du willst. Das alles weißt du, Jake, genauso wie du weißt, dass ich, wenn es nach mir ginge, ewig gegen diese Krankheit kämpfen würde, nur um für dich da zu sein.

Schon jetzt bekomme ich eine Ahnung davon, was für eine seltsame Erfahrung es sein wird, all dies für dich aufzuschreiben. Es fühlt sich an, als würde ich von jemand anderem erzählen. Als könnte das nicht mir oder uns passieren. Und dann, auf einmal, spüre ich den Zugang an meinem Brustkorb, und die schwindel-erregende Wahrheit wird mir nur allzu bewusst.

Ich habe keine Ahnung, was ich mir wünsche, wie oft du später an mich denken sollst, Jake, oder wie du mich in Erinnerung behalten sollst. Natürlich möchte ich, dass du dich an mich erinnerst: Du sollst wissen, dass es mich gab, dass ich dich liebte, dass wir glücklich waren, mal mehr, mal weniger. Aber ich weiß nicht, ob du dich an alle Einzelheiten unseres gemeinsamen Lebens erinnern sollst, denn dann empfändest du dein Leben auf Mercer Island vielleicht als dein »neues Leben« und würdest es mit dem davor vergleichen, was dir womöglich als das eigentliche vorkäme.

Ich möchte, dass du dies hier als dein echtes Leben betrachtest und Allison und Bruce als deine Eltern und ihre Kinder als deine Geschwister. Dass du dich als einer von ihnen fühlst. Im Schoß dieser Familie sollst du dich geborgen fühlen, sie sollen dein Nest sein, dich immer auffangen. Denn das ist das Beste, was eine Familie für einen tun kann.

Dennoch möchte ich, dass Tage wie der letzte Montag nicht für immer aus deiner Erinnerung verschwinden, als wir zusammen in den Zoo gingen und fünf Dollar für ein Blatt bezahlten, das wir an eine Giraffe verfüttern wollten. Doch statt das Blatt zu nehmen, leckte die Giraffe mit ihrer überaus beweglichen Zunge an deiner Hand. Als du vor Schreck erstarrtest, tat sie es gleich noch einmal. Du schriest auf und ich auch, und dann lachten wir, bis wir Schluckauf bekamen. Der Tierpfleger sagte: »Das habe ich bei ihr noch nie gesehen, du musst ein echter Leckerbissen sein.« Du wurdest rot und sagtest: »Genau das meint meine Mom auch immer. Dass ich ein Leckerbissen bin und sie am liebsten in mich reinbeißen würde.« Ach, das bist du wirklich, Jacob, und wie! Ich werde mich niemals an dir sattsehen können, an deinem weichen, langen Haar, deinen fedrigen Wimpern. Du hast ja keine Ahnung.

Manchmal ertappe ich mich mitten am Tage dabei – bisweilen sogar mitten in einer Unterhaltung –, wie ich ins Tagträumen entgleite und mir vorstelle, wie du in ein paar Jahren aussehen wirst. Wird sich dein Haar noch locken? Wie lange werden Baseball-Trikots das Einzige bleiben, was du trägst? Seit du laufen konntest, warst du Fan der New York Yankees, doch neulich, als ich schon lange nicht mehr gewaschen hatte, sah ich dich in einem alten Seattle-Mariners-Shirt deines Cousins Dustin und dachte: ein erster Blick auf den Jungen, den ich nie kennenlernen werde. Der Gedanke ließ mich eher neugierig als melancholisch werden; fast fühlte ich mich wie eine Anthropologin, die dein zukünftiges Ich erforscht. Dein Cousin Dustin jagte dich über den Rasen, während Allie euch zum Essen hereinrief, und ich saß nur am Steg und beobachtete alles. Dein Leben ohne mich. Doktor Susan meint, dieses Beobachten sei vollkommen normal. Das Sichentfernen. Du hattest eine Schramme am Schienbein, die mir vorher nicht aufgefallen war.

»Wie viel Uhr ist es jetzt in New York, Mom?«, fragtest du mich beim Frühstück. Als ich antwortete, es sei elf, sagtest du, das habest du dir schon gedacht. Du sagtest: »New York ist immer der Zeit voraus.«

Jacob, ich verspreche dir, dass ich dir meine Erinnerungen an unser gemeinsames Leben aufschreiben werde, und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Denn diese Seiten sollen all das, was ich dir mitgeben möchte, beinhalten – alle Erkenntnisse, alle Erfahrungen, von denen ich dir später erzählen würde, wenn ich noch da wäre und du in das Alter kämst, wo du sie hören solltest. Ich hoffe, dass du, wann immer du mich vermisst oder wann immer du mehr darüber erfahren willst, was für ein Mensch deine Mutter war, diese Seiten zur Hand nimmst, liest, was hier geschrieben steht, und dich an mich erinnerst. Und so werde ich dir immer, zumindest auf diese Weise, nahe sein, auch wenn wir nicht für immer beieinander sein können.

Ich werde ehrlich sein, von Grund auf, selbst wenn es weh tut. Ich werde die Wahrheit nicht schönen, nicht versuchen, mich besser darzustellen, als ich war. Als ich wirklich bin. Was für einen Sinn hätte das Ganze, wenn ich dir nicht die Wahrheit sagte?

Also fange ich einfach mit dem heutigen Morgen an, der wirklich schön war, der sonnigste seit unserer Ankunft vor anderthalb Wochen. Der 18. Juni 2013. Eine meteorologische Überraschung.

Du und ich wohnten im Gästehaus meiner Schwester, von wo aus man auf den Lake Washington blickte, mit den vielen Booten darauf, die an den Stegen festgemacht sind. Jenseits einer weiten, sanft abfallenden Rasenfläche stand das riesige Wohnhaus meiner Schwester mit Schindeldach und unzähligen Schornsteinen. Von meinem Schreibtisch aus konnte ich dich auf dem Rasen spielen sehen – du versuchtest, dich vor Dustin zu verstecken, bliebst jedoch immer deutlich erkennbar. Im Verstecken warst du noch nie besonders gut.

Von den drei Kindern meiner Schwester ist Dustin zwar nicht unbedingt das hervorstechendste, aber das freundlichste. (Trifft das immer noch zu, Jake?) Es gibt noch die aufmüpfige Camilla mit den gefärbten Haaren und den Musterknaben Ross, der zum damaligen Zeitpunkt irgendetwas Ehrenamtliches in Guatemala machte. Dustin, der Jüngste, war fast elf, mopplig und hatte Angst vor lauten Geräuschen und war damit der perfekte Kumpel für einen frühreifen Sechsjährigen wie dich. »Dusty!«, brülltest du, um dich gleich darauf in dein neues Versteck unter der Hemlocktanne zu verziehen. Der arme Dustin wirbelte herum, doch diesmal warst du verschwunden.

Ich hätte aufhören sollen, dich zu beobachten, und mich an die Arbeit machen müssen; ich war politische Beraterin, und die heiße Phase der Wahlkämpfe hatte wieder einmal begonnen. Als du noch in den Kindergarten gingst, habe ich es tatsächlich geschafft, vier große Kampagnen gleichzeitig zu leiten, wobei von Januar bis November rund um die Uhr Assistenten, Meinungsforscher und Redenschreiber um mich herumsprangen. Doch das war, bevor mein Bauch sich so eigenartig aufblähte und die Rückenschmerzen einsetzten, die ich zunächst dem Stress zuschrieb. Für die jetzige Runde hatte ich nur einen einzigen Kandidaten zu betreuen, Jimmy »Ace« Reynolds, den Chef der Mehrheitsfraktion im Stadtrat, dem ich dankbar sein konnte, dass er mir die Treue hielt, obwohl ich immer versuchte, ihn das nicht merken zu lassen.

Erinnerst du dich noch an Ace? Ich hatte ihn vier Jahre zuvor kennengelernt, als ich noch so sehr mit dir und dem Aufbau meiner Firma zu tun hatte, dass ich einen Wahlkampf für den Stadtrat für Peanuts hielt. Aber Ace war in einen schrecklichen Skandal verwickelt: Die Boulevardpresse hatte seine Affäre mit einer blutjungen Angestellten aufgedeckt (Mach's wie Clinton, Ace; Stadtrat kümmert sich um die Jugend, und meine Lieblingsschlagzeile: Ace in the Hole). Nur zwei Tage nachdem ich engagiert wurde, hatte ich alle in Stellung gebracht: den reumütigen Ace, seine liebende Ehefrau, seine nachsichtigen Kinder und seine treuen Wähler. (»Ist mir egal, was er in seinem Privatleben anstellt, wenn er doch für mein Viertel das Richtige tut.«) Wir veranstalteten einen medialen Blitzkrieg und setzten dabei sogar auf die Witwen des 11. September in Ace' Wahlbezirk und die asthmakranken Kinder, die im dortigen Krankenhaus kostenlos behandelt wurden. Sie alle standen zu Ace. Am Ende gewannen wir haushoch.

Seine Eskapaden waren seitdem vergessen, dennoch hatte Ace gute Gründe, mich weiterhin zu beschäftigen, denn er wollte in naher Zukunft Bürgermeister von New York werden. Meine Aufgabe bestand darin, ihm den Weg dahin mit einem großen Wahlerfolg im Stadtrat zu ebnen. Diese Kampagne war sein Stapellauf und zum damaligen Zeitpunkt genau der richtige Auftrag für mich: anspruchsvoll, aber keine Überforderung, geographisch begrenzt, erfolgversprechend.

»Mom!« Ich konnte dich nicht sehen, aber umso deutlicher hören; wenn die Sonne schien, hatte ich die Fenster immer geöffnet. »Mom! Wo bist du?«

Ich klappte den Laptop zu und lief die Stufen des Gästehauses hinunter, wo mich Dustin und du erwarteten, Tennisschläger unter dem Arm. »Wir gehen Tennis spielen«, sagtest du. »Zum Abendessen sind wir zurück.«

»Seit wann spielst du Tennis?«

Deine haselnussbraunen Augen verengten sich kurz. »Seit wir hier sind. Ich übe die ganze Zeit.«

»Jakes Aufschlag ist ziemlich gut«, bemerkte Dustin im beiläufigen Ton eines ausgewiesenen Experten. »Für sein Alter, meine ich.«

»Wirklich?«

»Willst du es sehen?«

Selbstverständlich wollte ich es sehen.

Wir gingen die Straße hinunter bis zum Park, wo du auf einem öffentlichen Platz tatsächlich einen ziemlich guten Aufschlag für jemanden in deinem Alter hinlegtest. Dustin spielte dir den Ball zurück, und dann ging er vier-, fünfmal hin und her, bis du ihn verfehltest. Ich konnte es nicht fassen – du spieltest Tennis, ohne dass ich es geahnt hätte. Ich feuerte dich vom Spielfeldrand an wie eine dieser völlig durchgedrehten Mütter. Begeistert lief ich zu dir und hob dich trotz deines Gewichts und meiner zittrigen Arme in die Höhe. Du warst völlig verschwitzt. »Jakey!«, rief ich. »Wieso wusste ich nicht, dass du Tennis spielen kannst?«

Du zucktest nur die Achseln und lächeltest. »Ich wollte dich überraschen.«

»Die Überraschung ist dir gelungen«, erwiderte ich.

»Können wir jetzt weiterspielen? Du zerquetschst mich.«

Ich setzte mich wieder hin und sah zu, wie ihr eine Stunde lang spieltet, wie dein kleiner Körper – obwohl Dustin es langsam angehen ließ – über den Platz tobte und auf einmal gar nichts Kleinkindhaftes mehr an dir zu erkennen war. Stattdessen hattest du etwas Athletisches an dir, was mir selbst völlig abging. Statt des Babys von einst sah ich nun einen Jungen vor mir, der Tennisspielen lernte und eines Tages, davon war ich überzeugt, wirklich gut darin sein würde. Bei deinem Anblick wäre es nur allzu leicht gewesen, mir auszumalen, wie du anfingst, Pokale einzuheimsen, während ich schon nicht mehr da sein würde, doch das verbot ich mir. Stattdessen streckte ich mich unter der seltenen Sonne Seattles aus – was könnte kostbarer sein als ein Stündchen Sonne in Seattle? – und verfolgte, wie ihr den Ball mit einer grimmigen Entschlossenheit über den roten Ascheplatz jagtet, die umso dramatischer wirkte, weil es nicht den geringsten Anlass dafür gab. Ich beobachtete dich; nichts anderes musste ich mehr tun, als dich zu beobachten.

Als es Zeit war, nach Hause zu gehen, warst du schweißgebadet und deine Knie hatten Schrammen von einem Hechtsprung gegen Ende des Spiels. Wir liefen die Straße hinauf, und der ferne Verkehr auf der Interstate 90 summte wie Strom in meinen Ohren. Du schwangst den Schläger in deiner Hand.

»Das war umwerfend, Jakey«, sagte ich.

»Ich hab dir doch gesagt, dass er gut ist«, bemerkte Dustin.

Du erwidertest darauf nichts, was typisch für dich war.

»Willst du Tennisstunden nehmen, Schatz?«, fragte ich.

Es kam uns ein Mann entgegen, der einen riesigen, sabbernden Hund dabeihatte, einen regelrechten Bären. Wir blieben stehen, um ihn zu streicheln, und unterhielten uns kurz mit seinem Herrchen. Dann gingen wir weiter, und du sagtest: »Ich weiß nicht, wo ich das noch unterbringen soll.«

Während unseres kurzen Aufenthalts auf der Insel sahen meine Tage meist so aus, dass ich ein bisschen arbeitete, ein bisschen schrieb und Zeit mit dir verbrachte. Für mich hätte das Leben für immer so weitergehen können, und weil das nicht möglich war, kamen mir diese Tage umso kostbarer vor. Zum Abendessen im Haupthaus wärmte deine Tante etwas von meinen überbackenen Ziti auf (deine Lieblingspasta, deren Zubereitung ich Allie beizubringen versuchte und wovon ich tausend Portionen einfrieren würde, bevor ich ging, damit du, wann immer du mich vermissen würdest, etwas hättest, das ich mit eigenen Händen für dich gemacht hätte). Währenddessen ließ ich mir ein Bad einlaufen und entwarf ein Mailing für die Kampagne. Da hörte ich es an der Tür klopfen.

(Continues…)


Excerpted from "Alles Glück eines Lebens"
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Table of Contents

Über Lauren Grodstein,
Informationen zum Buch,
Newsletter,
Teil I – Mercer Island,
Teil II – Manhattan,
Teil III – In einem anderen Land,
Dank,
Anmerkung der Übersetzerin,
Impressum,

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