Eine Lady riskiert alles: Historischer Liebesroman

Eine Lady riskiert alles: Historischer Liebesroman

by Stephanie Laurens
Eine Lady riskiert alles: Historischer Liebesroman

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by Stephanie Laurens

eBook

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Overview

Neville Roscoe ist ein Mann, der nach seinen eigenen Regeln lebt und sich nicht um sein Ansehen in der Gesellschaft kümmert. Ungezügelt frönt der Besitzer mehrerer Spielhöllen seinen Leidenschaften. Ursprünglich hat er dieses Leben in der verruchten Halbwelt Londons nur gewählt, um seine Familie vor dem Ruin zu retten. Doch die Rückkehr in die feine Gesellschaft bleibt dem Adeligen nun verwehrt. Als die unbescholtene Lady Miranda Clifford ihn unversehens um Hilfe bittet, zögert er nicht, ihr wie ein echter Gentleman zur Seite zu stehen. Je mehr Zeit er in ihrer Nähe verbringt, desto verlockender wird der Gedanke, seine lasterhafte Vergangenheit hinter sich zu lassen …

»Eine witzige und charmante Story, die den Leser von der ersten bis zur letzten Seite begeistern wird.«
Kirkus Reviews


Product Details

ISBN-13: 9783955768867
Publisher: MIRA Taschenbuch
Publication date: 11/05/2018
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 624
File size: 3 MB
Language: German

About the Author

About The Author
Stephanie Laurens wurde in Ceylon (dem heutigen Sri Lanka) geboren. Sie begann mit dem Schreiben, um ihrem wissenschaftlichen Alltag zu entfliehen. Bis heute hat sie mehr als 50 Romane verfasst und gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen historischer Liebesgeschichten. Die preisgekrönte New York Times-Bestsellerautorin lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Melbourne.
Stephanie Laurens wurde in Ceylon (dem heutigen Sri Lanka) geboren. Sie begann mit dem Schreiben, um ihrem wissenschaftlichen Alltag zu entfliehen. Bis heute hat sie mehr als 50 Romane verfasst und gehört zu den erfolgreichsten Autorinnen historischer Liebesgeschichten. Die preisgekrönte New-York-Times-Bestsellerautorin lebt mit ihrem Mann und zwei Töchtern in Melbourne.

Read an Excerpt

CHAPTER 1

Zwölf Jahre später

London, Oktober 1823

Miranda Clifford blieb im Schatten einiger Bäume stehen und beobachtete, wie ihr jüngerer Bruder Roderick über eine gepflegte Rasenfläche zielstrebig zu der prächtigen, im Mondlicht weiß schimmernden Villa marschierte.

Sie selbst war zu beiden Seiten von dichtem Gebüsch und alten Bäumen schützend umgeben, die das Haus wie im Schoß von Mutter Natur bargen. Ein leichter Wind ging, ein Lüftchen nur, ein leiser Hauch, der die feinen Strähnen, die sich aus ihrem Chignon gelöst hatten, ihren Nacken kitzeln ließen.

Reglos stand sie da, den Blick auf Roderick gerichtet, der nun ohne Zögern die drei Stufen zur Terrasse hinaufging und durch eine verglaste Tür das Haus betrat. Lautlos schloss die Türe sich hinter ihm.

»Verflixt!« Miranda starrte zu der Tür, als wollte sie ihren Bruder zur Umkehr bewegen. Es war noch schlimmer als befürchtet.

Drei Wochen war es her, seit ihr das erste Mal aufgefallen war, dass Roderick sich spätabends heimlich aus dem Haus stahl. Sie hatte sich damit zu beruhigen versucht, dass derlei nächtliches Treiben bei einem jungen Gentleman von dreiundzwanzig Jahren ganz normal und nicht der Rede wert sei. Andererseits hatte sie besagte dreiundzwanzig Jahre damit zugebracht, ihren Bruder vor Unbill zu bewahren; ihn zu beschützen war ihr in Fleisch und Blut übergegangen, das konnte man nicht einfach von heute auf morgen ablegen. Und weil es ihr so schwerfiel, hatte sie einen Pakt mit sich geschlossen: Einmal wollte sie ihm heimlich folgen, nur um sich zu vergewissern, dass er sich – wohin er auch ging, was immer er tat – nicht in Gefahr begab.

Nicht, dass sie ihm nicht vertraut hätte; sie wollte einfach nur Gewissheit. Wenn sich herausstellte, dass ihre Sorge unbegründet war, würde sie sofort wieder nach Hause gehen, und Roderick bräuchte nie davon zu erfahren.

Vor zehn Minuten war sie ihm daher die dunkle Treppe hinuntergefolgt, durch das nachtschlafende Haus an der Claverton Street, Pimlico, das sie sich mit ihrer Tante teilten. Die Standuhr auf dem Treppenabsatz hatte zwanzig Minuten vor elf gezeigt. Sie war Roderick in das Morgenzimmer gefolgt, über den Rasen und durch das Gartentor, das auf die kleine Gasse hinter dem Haus führte. Ihr nach der neuesten Mode kurz gefasstes Cape fest um sich gezogen und das Retikül an sich gedrückt, hatte sie sich im Schutz der Dunkelheit wie ein Schatten an seine Fersen geheftet. Ihre Verwunderung, dass er sich an die schmalen Durchgänge hielt, statt einfach zur Straße zu gehen, fand nach gut fünf Minuten strammen Fußmarschs eine Erklärung, als Roderick vor einem in eine hohe Mauer eingelassenen Gartentor haltmachte und ohne sich umzusehen hindurch verschwand.

Miranda zögerte kurz, dann folgte sie ihm. Zuerst war ihr nicht bewusst, in wessen Garten sie sich da schlich, doch sowie sie das Haus sah, diesen stattlichen Bau mit all seiner Pracht, wusste sie Bescheid. »Was, zum Teufel, hat er bei Neville Roscoe verloren?« Die Frage enthielt bereits die Antwort. Neville Roscoe war ihr wohl berühmtester, auf jeden Fall aber berüchtigtster Nachbar. Er war Londons unangefochtener Glücksspielkönig und nannte zahlreiche Spielhallen und Clubs sein Eigen, in denen eine durch die Bank gut betuchte, aristokratische Klientel verkehrte. Glücksspiel war das bevorzugte Laster der besseren Gesellschaft, und Roscoe schien ein Meister darin zu sein, den von Gier Getriebenen zu geben, wonach sie verlangten.

Es hieß, er sei dadurch zu einem beachtlichen Vermögen gekommen und verfüge über nicht minder beachtlichen Einfluss in allen Sphären der Gesellschaft. Als leicht anrüchig galt er, aber nicht als kriminell. Ihm war das nebulöse Reich zwischen ton und Unterwelt vorbehalten; den einen Tag verkehrte er mit dem Hochadel, den nächsten mit den Paten der Demimonde und schaffte es doch, sich von keiner dieser Welten vereinnahmen zu lassen.

Im Grunde war Roscoe ein Rätsel und lebte nach seinem eigenen Gesetz.

Er hatte bereits hier gewohnt, in der weißen Villa an der Chichester Street mit Blick über den baumbestandenen Dolphin Square bis hinab zur Themse, als Roderick vor einem Jahr das gleich um die Ecke gelegene Haus an der Claverton Street kaufte. Binnen Tagen nach ihrem Einzug hatte Miranda quasi alles über den berühmt-berüchtigten Nachbarn gewusst.

Mit eigenen Augen gesehen hatte sie ihn indes noch nie, und sie war auch nicht sonderlich erpicht darauf.

»Elender Schuft.« Sie war sich nicht sicher, ob sie Roderick oder Roscoe meinte; dass ihr Bruder sich im Spiel versuchte, war zwar nicht verwunderlich, aber ... Ihre Lippen wurden schmal. »Sich mit Roscoe einzulassen, kann er sich nicht leisten.«

Was nicht hieß, dass er sich derlei nicht leisten konnte. Ihr Bruder war ein vermögender junger Mann, der auch auf Roscoes Niveau finanziell mitzuhalten vermochte. Aber sein Reichtum verdankte sich dem Handel, es war kein altes Geld, das über Generationen weitergereicht worden war. Und das, so war es ihr und ihrem Bruder zeitlebens eingebläut worden, hieß, dass sie beide, weit mehr als jene, die von Stand geboren waren, über jeden Zweifel erhaben sein mussten und tadellose Respektabilität zu wahren hatten.

Roderick in Roscoes Haus verschwinden zu sehen hatte sofort den Geist ihrer älteren Schwester Rosalind heraufbeschworen. Sie drei waren als Kinder zu Waisen geworden, und Rosalind war mit Roderick und Miranda bei ihren beiden unverheirateten Tanten aufgewachsen. Rosalind waren dieselben Lektionen, dieselbe unnachgiebige Strenge zuteilgeworden, aber mit sechzehn Jahren hatte sie schließlich begonnen aufzubegehren. Sie war mit fahrendem Volk davongelaufen und zwei Jahre später ausgezehrt und am Ende ihrer Kräfte zurückgekehrt.

Rosalinds Tod war ebenso tragisch wie der ihrer Mutter, die einst mit ihrem Vater durchgebrannt war, einem Fabrikantensohn. Und beides sollte ihnen ständige Ermahnung sein: Wann immer jemand aus ihrer Familie den schmalen Pfad der Tugend und Respektabilität verließ, waren Ruin und ein früher Tod die Folgen. Miranda wollte weder, dass Roderick jung sein Leben ließ, noch wollte sie, dass seine Zukunft eine anderweitig tragische Wendung nahm. Stillschweigend nach Hause zu gehen und ihn seinem Schicksal zu überlassen, das kam somit nicht infrage.

Im Schutz der Dunkelheit pirschte sie sich über den Rasen zum Haus und besagter Tür. Im Geiste malte sie sich aus, welche Ausschweifungen sie dahinter finden würde – ihre Fantasie reichte von hochriskantem, ruinösem Spiel bis zu ... Orgien? Ihre Vorstellung einer Orgie war recht begrenzt, aber nach allem, was sie gehört hatte, durchaus wahrscheinlich. Frauen gehörten bei Roscoes Veranstaltungen ganz selbstverständlich dazu; seine Clubs waren bekannt für das zahlreich vertretene weibliche Personal.

Wenn ich Glück habe, kann ich mich unbemerkt daruntermischen – zumindest bis ich Roderick gefunden habe. Sie wirkte erfahren genug, das war einer der Vorteile, die erste Blüte hinter sich zu haben. Auf der Terrasse angekommen, sah sie an ihrem violettblauen Promenadenkleid hinab, das sie unter dem Cape trug. Abendgarderobe war es nicht gerade, aber elegant genug, sie als Angehörige der Oberschicht auszuweisen. Jetzt, da sie schon mal hier war, würde sie keinen Rückzieher machen. Sie wollte ja bloß bleiben, bis sie Roderick gesichtet hatte und er sie; das sollte genügen, um ihn zur Besinnung zu bringen. Und dann würde er sie nach Hause begleiten – so wie es sich gehörte.

Mit zwei Schritten war sie bei der Tür, öffnete sie und trat ein. Vor ihr erstreckte sich ein dunkler Korridor. Erst als sie die Türe leise hinter sich schloss, fiel ihr auf, wie seltsam still es war. Auch dass das Haus quasi im Dunkeln lag, war merkwürdig. Vom Garten aus hatte sie die gesamte Rückfassade überblicken können, doch in keinem der Fenster hatte ein Licht gebrannt, nichts deutete auf eine Feier hin, nicht einmal auf eine der gediegenen Art. Sämtliche ihrer Sinne hellwach, blieb sie an der Tür stehen und versuchte sich erst einmal zu orientieren.

Da das Grundstück zur Chichester Street hin abfiel, befand sich der rückwärtige Garten in erhöhter Lage und sie sich somit im ersten Stock und nicht im Erdgeschoss, das nach vorn zur Straße hinausging. Vermutlich wurde die Geselligkeit in einem der Empfangsräume eine Etage tiefer abgehalten. Sie spitzte die Ohren und lauschte, konnte aber nicht einmal gedämpfte Geräusche vernehmen.

Leicht irritiert begann sie, den langen Korridor hinabzugehen. Wenn Roderick durch diese Tür ins Haus gelangt war, musste auch er diesen Weg genommen haben, denn einen anderen gab es nicht, sah man von vereinzelten Räumen ab, die links und rechts des Flurs abgingen und hinter deren verschlossenen Türen es gleichfalls dunkel und still war. Mit jedem Schritt wurde Miranda ihrer Umgebung mehr gewahr. Es herrschte eine erstaunlich gediegene Atmosphäre, alles schien solide und geschmackvoll zu sein. Alt war das Haus indes nicht; es hieß, Roscoe habe es nach seinen Vorstellungen erbauen lassen. Vielleicht erklärte das die hochwertige Ausstattung, die sie im Halbdunkel mehr erahnte denn sah. Jede Linie, jede Form zeugten von zurückhaltender Eleganz, ergänzt nur von einem Hauch Luxus in Draperie und Dekor. Ihr blieb keine Zeit, stehen zu bleiben und sich umzusehen, aber die gerahmten Gemälde an den Wänden bemerkte sie dennoch. Es schienen Originale zu sein – und von recht namhaften Künstlern noch dazu.

Sie fragte sich, ob die solide Bauweise des Hauses die seltsame Stille erklärte. Vielleicht schluckten auch Teppiche und Draperien jeden Laut. Der über den Flur gespannte Läufer war zumindest so dick, dass sie schier bis zum Knöchel darin versank und ihre eigenen Schritte nicht mehr hörte.

Im vorderen Teil des Hauses angelangt, öffnete der Korridor sich auf eine halbrunde Galerie, in deren Mitte sich die Haupttreppe befand. Miranda blieb stehen und sah sich um. Drei weitere Gänge führten auf die Galerie, aber noch immer war kein Mucks zu hören. Auch brannte nirgends Licht; der Raum wurde von fahlem Mondschein erhellt, der durch die hohe Glaskuppel des Treppenhauses fiel und ein großes Fenster direkt gegenüber, das einen Blick auf die Baumwipfel des Dolphin Square bot und dahinter den silbern schimmernden Fluss.

Gegenüber, unter besagtem Fenster, wand sich die Treppe in einem weiten, eleganten Schwung nach unten.

Sie fasste sich ein Herz und beschloss, nach unten zu gehen, und dort, am Kopf der Treppe, hörte sie auch endlich gedämpfte Stimmen, dem Vernehmen nach ausschließlich Männer. Sie mussten irgendwo im Erdgeschoss sein, aber noch ein ganzes Stück entfernt, irgendwo in den Tiefen des Hauses.

Hufschlag auf dem Straßenpflaster ließ sie sich zum Fenster umdrehen. Sie schaute hinaus und sah einen elegant gekleideten Gentleman aus einer Droschke steigen. Nachdem er den Fahrer bezahlt hatte, ging er hinauf zum Haus.

Sie kannte den Mann nicht, aber sein Aufzug, sein ganzes Auftreten ließen vermuten, dass er den besseren Kreisen der Gesellschaft angehörte.

Ein Klingeln hallte im Haus wider, auf das fast unverzüglich die gemessenen Schritte des Butlers im Vestibül zu hören waren. Miranda überlegte, ob sie an die Treppe treten sollte, von wo aus sie gut nach unten hätte schauen können, aber die Gefahr, entdeckt zu werden, war zu groß. Also blieb sie, wo sie war, und lauschte.

»Guten Abend, Mylord.«

»Guten Abend, Rundle.« Der Besucher trat ein, die Tür wurde geschlossen. »Ich bin spät dran, fürchte ich. Sind die anderen schon da?«

»Ja, Mylord, aber der Herr lässt auch noch auf sich warten.«

»Ausgezeichnet.« Unten schien der Gast Mantel, Hut und Handschuhe sowie seinen Stock abzulegen. »Dann dürfte ich ja nichts verpasst haben.«

»Vermutlich nicht, Mylord.«

»Findet die Sitzung wie immer in der Bibliothek statt?«

»Jawohl, Mylord.«

»Machen Sie sich keine Umstände, Rundle – ich kenne den Weg.«

»Danke, Mylord.«

Zwei Paar Schritte verließen die Halle in unterschiedlicher Richtung. Im Nu war Miranda zur Treppe geeilt – aber sie kam zu spät, um zu sehen, welcher der Männer wohin gegangen war. Allerdings schwang eine Tür am Ende der Halle noch nach, durch die vermutlich der Butler in den hinteren Teil des Hauses verschwunden war. Was wiederum hieß, dass es die Schritte des Besuchers waren, die in dem Gang linker Hand verklangen, wo sich dann die Bibliothek befinden dürfte, in der besagte »Sitzung« stattfand.

Nachdem sie einmal tief Luft geholte hatte, streckte sie die Hand nach dem Geländer aus und ...

Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, eine Ahnung, dass etwas nicht stimmte.

Sie verharrte reglos ... wartete, lauschte. Zwar hatte sie niemanden kommen hören, aber sie hatte ja selbst erlebt, wie lautlos man sich hier bewegen konnte, selbst wenn man es nicht darauf anlegte. Ihre Sinne, zuvor ganz auf die Vorgänge in der Halle gerichtet, warnten sie mit einem Mal, dass jemand hinter ihr stand – und zwar ganz nah.

Der Atem stockte ihr, das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie sich ganz langsam umdrehte ... und ihr Blick auf eine tadellos gebundene Krawatte aus cremefarbener Seide fiel.

Roscoe sah, wie ihre Augen sich weiteten, als sie den Blick hob, um ihm ins Gesicht zu schauen. Sie hatte schöne Augen, aber er versagte sich ein Lächeln. »Kann ich Ihnen helfen, Miss ...?«

Sie antwortete nicht sofort, aber er machte nicht den Fehler, zu glauben, dass sie vor Schreck wie gelähmt sei; im Gegenteil, in ihren Augen blitzte recht lebhaftes Kalkül auf, während sie überlegte, was sie erwidern solle. Von zarter, anmutiger Gestalt mochte sie sein, aber er hatte reichlich Übung darin, Menschen auf den ersten Blick einzuschätzen. Ein Blick in ihr Gesicht reichte ihm. Eine stille Kraft und Entschlossenheit sah er darin, die sich deckten mit der aufrechten Haltung und dem geschmeidigen Gang, die ihm schon aufgefallen waren, als er sie über die Galerie hatte gehen sehen. Keine Frage, mit welcher Art junger Dame er es zu tun hatte.

Resolut und bestimmt war sie und, wenn ihr etwas am Herzen lag, auch unerbittlich.

Folglich überraschte es ihn auch nicht, dass sie nach dem ersten Schreck nicht mal mit der Wimper zuckte, sich zu ganzer, durchaus überdurchschnittlicher Größe aufrichtete und recht hochmütig meinte: »Ich bin Miss Clifford.«

Diese Mitteilung erwischte ihn dann doch kalt, auch wenn er sich natürlich nichts anmerken ließ.

Ihr Blick wanderte abwärts und fiel auf das Kontenbuch, das er in der Hand hielt. Sie zog die fein geschwungenen Brauen zusammen. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«

Ihr Ton machte keinen Hehl daraus, dass sie ihn für eine Art Sekretär oder Verwalter zu halten schien. Entgegen seiner Absicht zuckte nun doch ein belustigtes Lächeln um seine Lippen. »Ich bin der Besitzer dieses Etablissements.«

Anscheinend jagte ihr das einen größeren Schreck ein, als ihn plötzlich hinter sich stehen zu sehen. Sie starrte ihn an, wie vor den Kopf geschlagen, und rang merklich nach Worten. »Sie sind Roscoe?«

Er konnte sich denken, was sie über ihn gehört hatte; ein Grund mehr, sie noch etwas weiter in Verwirrung zu stürzen. Er verneigte sich vor ihr mit all der Eleganz, die ihm einst selbstverständlich gewesen war. »Dann willkommen in meinem bescheidenen Quartier, Miss Clifford, auch wenn ich mich frage, was Sie herführt.«

»Bescheidenes Quartier?« Sie hatte eine tiefe, samtene Altstimme, die sehr gut zu seinem ersten Eindruck von ihr passte. Ihr Blick schoss hinüber zu den drei Gemälden, die entlang der Galerie hingen – zwei Gainsboroughs und ein Reynolds –, dann auf die Tapisserie hinter ihm. »Für einen Glücksspielkönig haben Sie einen recht erlesenen Geschmack, Sir.«

Schön, dass es ihr aufgefallen war, aber so leicht ließ er sich nicht ablenken. »Allerdings. Meine Frage beantwortet das nicht.«

Miranda war derweil mit einer ganz anderen Frage befasst: Wie sollte sie hier ohne auch nur den Ruch eines Skandals wieder herauskommen? Ein Problem, das ihrer ganzen Verstandeskraft bedurfte, und was davon noch übrig war, war gründlich durcheinander. Sie hatte nicht die geringste Vorstellung von Roscoe gehabt, aber so hätte sie ihn sich nicht mal in ihren kühnsten Träumen vorgestellt.

Er war groß – deutlich größer als sie, und sie war nicht klein –, aber Brust, Schultern und seine langen, muskulösen Glieder fanden sich in so perfekter Proportion, dass der Gesamteindruck anmutiger Eleganz einem glatt den Atem rauben konnte. Auch seine Garderobe war nicht das, was man von einem Glücksspielkönig erwartet hätte – in dem tadellos geschnittenen dunklen Rock über einer in gedecktem Blau, Grau und Schwarz gestreiften Weste mit schlichten schwarzen Knöpfen, cremeweißem Hemd, besagter Krawatte, exquisit gebunden, und schwarzen Breeches hätte er in den allerbesten Kreisen reüssiert und immer noch eine bessere Figur abgegeben als die meisten anderen Gentlemen.

(Continues…)


Excerpted from "Eine Lady riskiert alles"
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